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St Clou den 28 7br 1718, umb halb 11 morgendts (N. 14).
Hertzallerliebe Louisse, ich habe schon heütte eine gar
verdrießliche arbeydt gethan, nehmblich zwey brieff nach Cassel zu
schreiben ahm landtgraffen undt printz Wilhelm, welche mir
geschrieben undt part geben von printz Wilhelms gemahlin glückliche
niederkumfft; daß habe ich beantwortet undt wider abgeschrieben,
welches warlich eine müheselige sage
[1] ist, bin müder davon, alß
wen ich 20 bogen geschrieben hette. Ich habe printz Wilm gesagt,
wie daß ich Eüch schon commission geben hette, I. L. mein
compliment zu machen. Es ist aber auch zeit, daß ich auff Ewer liebes
schreiben komme. Ich war letzmahl ahn der dame geblieben, so
ich madame du Breloy vermeine zu sein. Man thut woll, sie in keine
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geselschafft zu nehmen; den sie ist gar nichts nutz undt hatt ein
boßes maul. Glaubt mir! frantzösche damen, so sich in Teütschlandt
… (außer refugirte) die andern seindt alle nichts nutz undt nicht
würdig, in so ehrlichen versamblungen undt ge[sell]schafften zu
kommen. Ich habe noch der zeit nicht gehabt, den article von unßerm
gutten, ehrlichen fürst Ragotzi
[2] zu leßen. Er lebt woll gar nicht
desbeauchirt auff keine weiß, bett gar fleißig, fast gar offt, daß kan
man ja woll devot heyßen. Daß er zu den Turcken gangen, ist
kein wunder, der keyßer tractirt ihn übel undt stelt ihm nach dem
leben, undt die Turcken haben ihm versprochen, keinen frieden
ohne ihm zu machen undt wider zu seinem fürstenthum zu helffen;
daß kan er ja nicht abschlagen. Dießen nachmittag werde ich
seinen article in der gazetten leßen. Ist er vor Spanien, so bringt
ihn sein freündt, der marechal de Thesse,
[3] darzu, der sehr
spanisch ist, wie schir alle mare[c]haux de France sein; den sie seindt
schir alle creaturen von der alten zot, die hatt sie schir alle
gemacht, waß sie sein, undt les hereauds
[4] de la Maintenon hatt
man lengst gesungen, stundten in den lardon
[5] von Hollandt. Wen
solte ich lieber in mein cabinet wünschen, alß Eüch, liebe Louise?
Ihr seydt ja, waß mir jetzt in gantz Teütschlandt ahm geblüdt
ahm negsten ist undt waß mir allein überig geblieben von alles,
waß ich in Teütschlandt ahm meisten geliebt habe, undt daran kan
ich nicht zweyfflen; den ich weiß, wie treü Ewer fraw mutter I. G.
s. mein herr vatter geweßen ist, also seydt Ihr ohnfehlbar, waß ich
alleweill gesagt habe, undt wen Ihr auch nur Carllutz schwester
seydt, den ich wie mein leiblich kindt geliebt habe undt ahn welchem
ich nicht dencken kan, ohne daß mir die threnen in den augen
kommen undt daß hertz schwer wirdt. Auß dießem allem secht
[Ihr] woll, liebe Louise, daß es gar keine flatterie ist, wen ich Eüch
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bey mir in mein cabinet wünsche, sondern daß es recht von hertzen
ernst ist. Daß ist possirlich, daß Ihr sagt, daß Ihr zu keiner
zeitvertreib geschickt seydt undt unahngenehm. Meint Ihr den, daß
ich lautter Venus oder der schönnen Hellena gesichter umb mich
haben muß, daß ich in meinem alter lautter dantzendte undt
springendte personnen umb mich habe? Nein, nein, liebe Louise, ich
bin nun in dem alter, wo [man] keine lust mehr hofft, alß die von
der freündtschafft. Aber [es] ist nun zeit, daß ich eine pausse machen;
dießen abendt hoffe ich Ewer schreiben vollendt zu beantwortten.
Gott bewahr mich vor interuption! Ich habe heütte viel zu thun,
mein haar muß geschnitten werden undt auch ein elsteraug, so gar
wehhe thut.
Donnerstag, den 29 7br, umb halb 9 abendts.
Ich hatt es woll vorgesehen, daß mir verhindernüße zustoßen
würden. Erstlich so haben mich alles, waß ich den morgen zu thun
gehabt, hatt mich spatter in kirch gehen machen, also auch spatter
eßen; nach dem eßen bin ich in die vesper, den es ist heütte
Michaely, von dar bin ich spatziren gefahren. Wie ich wieder
kommen, hatt man mir, liebe Louise, Ewer paquet gebracht mitt den 2
cartten-spiel, woführ ich Eüch zwar sehr dancke, aber ich fürchte,
liebe Louisse, Ihr werdet so viel schicken, daß Ewer beüttel
endtlich davon wirdt incomodiret werden. Hiemitt ist es auch genung,
liebe Louise! Ich habe Ewer lieben brieff vom 17 geleßen; aber
ich werde erst, wo mir gott leben undt gesundtheit verleyet, biß
sontag drauff antwortten, nun aber fortfahr[e]n, auff daß, so ich heütte
morgen entpfangen hatte, zu antwortten. Mein courier hatt mir
auch ein groß paquet von meinem secretarius gebracht, daß habe ich
alles überleßen undt unterzeichenen [müßen;] dießes alles zu[sammen]
hatt mich biß auff dieße stundt gebracht. Ich muß auch gestehen,
daß ich nicht habe laßen können, die neüe cartten zu besehen undt
mich damitt zu amussiren. Ich hoffe, doch noch vor dem
nachteßen auff Ewer liebes schreiben zu antworten. Ich bin monsieur
Marion obligirt, Eüch von meinem lieben duc de Chartre so
avantageux gesprochen zu haben. Es ist ein recht tugendtsam, gutt kindt
bißber; ich fürchte aber sehr, daß, wen er in die boßen
geselschafften kommen wirdt, das die itzige junge bursch, so den teüffel
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nicht deücht
[6] undt weder tugendt, noch glauben haben, i[h]n
verderben werden. Alle Frantzoßen lieben Paris über alles; die Parisser
habe ich lieb, aber ich bin nie gern in der [stadt,] alles ist mir
zuwieder drin. Daß art von leben (die, hette schir auff gutt pfaltzisch
gesagt, die geheüregien), so man dort hatt, alles, waß man hört
undt sicht, ist unerträglich, muß alß dort thun, waß man nicht
will, man hatt weder nacht, noch tag ruhe dort undt offt hört undt
sicht man gar verdrießliche sachen. Monsieur Marion hatt recht,
zu sagen, daß viel geschminckte leütte hir im landt sein. Es ist
nur zu war, daß sich weiber blaue andern
[7] haben mahlen laßen, umb
glauben zu machen, daß sie so zahrte heütte haben, daß man die
adern sicht. Es ist auch wahr, daß jetzt weniger leütte schön sein,
alß vor dießem wahren; ich glaube, sie veralten
[8] sich mitt ihrem
schmink. Freylich würde der kerl undt sein kutscher gestrafft
werden, die so insolent mitt meinen pagen geweßen,
[9] wen man
wüste, wer es war; allein es war dunckele nacht undt sie salvirten
sich in den Thuillerien. Suson hatt mir den rock undt die axel
geküst auß freüden, daß Ihr ihr schon compliment so woll
auffgenohmen habt. Es ist war, daß ihre mutter die beste fraw von der
weldt war; aber sie hatte keine rohte hatt;
[10] wen sie rohte haar
gehabt hette, hette I. G. s. mein fraw mutter nicht gelitten, daß
ich sie
[11] geseügt; den I. G. s. hatten einen solchen abscheü vor
rohtkopffige leütte, daß sie sich von ihnen nicht hetten ahnrühren
laßen. Lustig war meine ame, daß ist gewiß, allein sie weinte
auch gar leicht undt lachen undt weinen kamme bey ihr eins umbs
ander. Mein sohn hatt von den waßer-melonen geßen, sagt, sie
hetten nichts guts ahn sich, alß daß sie gar frisch wehren, hette[n]
aber keinen gutten geschmack. Herr Zachman ist auff den todt
kranck geweßen undt noch nicht recht woll, drumb haben sie Eüch
woll nicht schreiben [können.] Daß arme weibgen will verzweyfflen.
Ich bin gewiß, daß, wen Churpfaltz sich ein wenig wirdt ahn die
pfältzische lufft wirdt gewohnt haben … Ich weiß dem churfürsten
woll recht danck, daß ihm die augen übergangen sein, wie er daß
arme schloß gesehen; da darff ich nicht ahn gedencken, es kompt
mir gleich ein schaudern ahn.
[12] Ich werde kein wordt ahn herrn
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Zachman sagen von alles, was Ihr mir von Churpfaltz schreibt, ob
es zwar mehr zu sein lob, alß blasme,
[13] ist. Weillen er so gnädig
mitt der fraw von Degenfelt von Eüch gesprochen, so hoffe ich,
daß es ein zeichen ist, daß er Eüch contentiren will. Wen Ihr
Lissander undt Caliste
[14] nicht finden könt, wie
[15] ichs Eüch
schicken, ich habe es dopelt. L’Arcadie
[16] ist der embrouillirster
undt abgeschmackter
[17] roman von der welt, der solte einem von
allen romanen verleyden. Die ich ahm artigste[n] finde, seindt Astrée
undt Cleopattre.
[18] Seydt versichert, liebe Louise, daß ich Ewere
liebe schreiben nie zu lang finde! Ich muß daß meine enden, den
ich muß eßen undt nach bett gehen. Adieu, hertzliebe Louisse!
Ich ambrassire Eüch von hertzen undt versichere Eüch, daß ich
Eüch von hertzen lieb behalte.