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Brief vom 5. Oktober 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


956.


[401]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckforth.

St Clou, den 5 8br 1718, umb 7 abendts (N. 16).
Hertzallerliebe Louise, ich fange Eüch heütte ahn zu schreiben; den ich fürchte, daß ich morgen der zeit nicht haben werde, weillen ich früher, alß ordinarie, nach Paris werde, indem ich zu der großhertzogin muß, welche seyder vergangenen montag oder sontag aben[d]s spät wider vom baadt kommen, muß I. L. also besuchen. Ich glaube, daß I. L. biß montag vor etliche tagen herkommen werden. Sie wondt a la Place-Royale, so eine gutte halbe stundt vom Palais-Royal ist, muß also früher von hir weg undt ich muß noch, eher ich wegfahre, ahn die konigin von Preussen [schreiben,] von welcher ich gestern einen großen brieff entpfangen habe. Ich habe Eüch vergangenen sontag schon bericht, daß ich Ewer liebes schreiben vom 20 7br, no 93, zu recht entpfangen habe. Unßer commers geht nun gar richtig, deücht mich, liebe Louise! Gott gebe, daß es bestandt haben mag! Man sagt viel guts von meinem Juden, den ich auß der tauff gehoben hab.[1] Er hatt auch eine hübsche phisionomie undt sicht gar nicht judisch auß. Ich wolte wetten, daß sein vatter ein Christ geweßen. Wie dießer mensch ein Jud war, hieß er Loupcain, undt nun heist er Carl Philipe. Wie es weitter ablauffen wirdt, sal den tied lehren. Ich glaube, daß der Jud von Lotteringen nun gehengt ist. Man hatt mich employren wollen, umb vor ihm ahn hertzog von Lotteringen zu schreiben; aber ich habe es aber nicht thun wollen, den ich kan ke[i]ne schelmen leyden. Ihr kont mir andtwortten, daß ich dan vor wenig leütte reden solle, undt daß ist nur zu wahr, liebe Louise! Der Judt von Lotteringen ist, halt ich, gehengt worden, es seye den, daß daß dem Craon undt seiner frawen[2] so viel gelt geben worden, daß sie ihn salvirt haben, wie gar offt ahn selbigen ort geschicht; den die 2 personnen, so ich alleweill genent, seindt abscheülich interessirt. Ich findt es gar wüst undt heßlich, wen große [402] leütte arme kauffleütte daß ihrige nicht bezahlen undt sie obligiren, banquerout zu spiellen. Ich halte dießes in meinem sin vor eine gar große sündt; den es ist übel ahn sich selbst undt zicht noch manch unglück nach sich, also ein gar groß übel undt dazu sehr schimpflich in meinem sin. Alles in dießer welt wirdt schlimmer undt betrogener, daß macht mich offt ungedultig. Es ist über 21 jahren, daß ich die commedien gesehen, von welche Ihr gesprochen. Es ist kein wunder, daß ich sie beßer behalten, alß Ihr; den ich war schon ein erwacksen mensch undt Ihr nur noch ein pur kindt; zu dem waß mich einmahl recht erfreüet hatt, deßen erinere ich mich all mein leben. In allen andern Sachen habe ich gar ein schlim gedächtnuß, kan nichts behalten von waß ich leße. Alle menschen, weiber undt mäner, seindt schwache werckzeüg; aber daß ist gewiß, daß es den manern mehr, alß den weibern, zukompt, große geschäfften zu haben. Ich habe mein compliment selber ahn landtgraffen undt seinen herrn sohn gemacht, den sie mir part von printz Wilhelms gemahlin niederkumfft geben haben. Es ist ein groß glück, daß der herr von Degenfelt in seinem fall den halß nicht gebrochen hatt. Ich habe daß talck recht artig gefunden. Mich wundert, daß Ihr noch mein brieff ni[c]ht entpfangen habt, wo ich Eüch auff dem ersten berichte, daß ich es woll entpfangen. Ihr schreibt mir aber nicht, waß es kost; daß mögt ich gern wißen. Der keyßer solle seine keyßerin sehr getröst haben, daß sie nur eine ertzhertzogin bekommen; hatt sie ebenso magnifiq beschennkt, alß wen sie einen ertzhertzog bekommen, undt solle gesagt haben, er were der eintzige vom hauß, der daß kleine printzesgen woll endtpfangen hette, daß er nicht wüste, worumb sie alle so betrübt wehren; den sie wehren ja beyde jung genung, printzen, sowoll alß printzessinen zu bekommen. Hiemitt ist all Ewer liebes schreiben vollig beantwortet, bleibt mir nichts mehr überig, alß Eüch zu bitten, nie zu zweyffeln, daß ich [Euch] von hertzen lieb behalte, liebe Louisse!
P. S.
Donnerstag, den 6 8br, umb 6 uhr morgendts.
Hertzallerliebe Louisse, ich gebe Eüch einen gutten [morgen;] einen gutten tag kan ich Eüch noch nicht geben, den es ist noch [403] nicht tag. Ich stehe heütte früh auff, den ich bin gestern gar früh schlaffen gangen. Mein ordinarie ist, nicht viel zu schlaffen; bin ich gar schlafferig, ist es ein zeichen von kranckheit bey mir. Biß sontag, so mir gott leben undt gesundtheit verleyet, werde ich Eüch sagen, wie meine Parisser reiße abgeloffen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. Oktober 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 401–403
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0956.html
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