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Brief vom 9. Oktober 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


957.


[403]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

St Clou, sontag, den 9 8br 1718, umb 7 morgendte (N. 17).
Hertzallerliebe Louise, wie ich vergangen donnerstag auß der commedie ging, bracht man mir Ewer liebes schreiben vom 24 7br, no 74, ich konte es aber nicht leßen, alß hir; den ich ging gleich in die kutsch, umb wieder her zu fahren. So baldt ich aber in mein cammer war, machte ich meine paq[u]etten auff. Ich hatte auch noch zwey [schreiben] von der printzes von Wallis undt eines von der gräffin von Buckeburg, auch noch eines von mademoiselle de Malauze.[1] Wie ich sehe, so bekompt Ihr meine schreiben alß im 9ten tag. Hir kompt mir Ewer paquet ein tag spätter, da muß daß examen von herrn Torcy schuldt sein; daß thut er auß gewohnheit, den mein sohn fragt kein hahr darnach, zu wißen, waß ich schreibe, oder waß man mir schreibt; den er weiß woll, daß, wen er es zu wißen begehrte, ich es ihm mitt größer warheit sagen würde, alß monsieur de Torcy undt seine commis. Mein sohn ist, gott lob, wieder in volkomm[en]er gesundtheit. Er kamme gestern umb 8ten her, hatt mitt unß zu nacht geßen undt hir geschlaffen, wirdt heütte wider nach Paris. Er ist recht lustig, er verzehlte unß gestern, daß in Spanien die Muscketeller drauben so starck sein, ein eintzige grappe,[2] so er geßen, ihn sternsvoll gemacht hetten, daß er in ein closter gangen wer undt nicht mehr gewust, waß er sagt, undt den nonen allerhandt naredeyen gesagt hette, wo er sich noch vor schambt. Er sagt aber, daß solcher rausch nicht lang wehrdt. Die blatter fangen hir gar starck ahn abzufallen, welches mich gantz leünisch macht. Die groste kunst, so man hir hatt, fieber zu vertreiben, ist, im 2 oder 3 acces ader zu laßen, hernach daß quinquina zu geben. [404] Mein sohn hatt keine zeit nicht, kranck zu sein, noch seiner gesundtheit abzuwartten. Monsieur le duc du Maine ist zu sehr gehast, umb daß eine guerre civille seinetwegen en[t]stehen solte. Die historie von dem taback ist eine lügen, so deß duc du Maine leütte in deß königs vorkammer au Thuillerie inventirt haben, umb zu sagen, daß der könig von meinem sohn gefahr leydt; herr undt leütte seindt alle voller boßheit. Es ist aber ahn der gantzen historie kein wordt wahr, kompt aber, wie schon gesagt, auß den Thuillerien. In allen regencen von Franckre[i]ch ist allezeit alles so störig geweßen; den ein jedes meint, es müste herr undt meister [sein;] wen ein roy en chef regirt, ist es anderst. Ich weiß, wie es einem verdrist, wen man viel zu schreiben hatt, interompirt zu werden; daß ist aber mein taglich brodt. Ist die gräffin Reiß unßers graffen von Wittgensteins schwester? Ihr sagt, sie hette einen graff Reüß gehabt, so vorher der hertzogin von Zelle schwester gehabt. Wen meint Ihr durch die hertzogin von Zelle? Meint Ihr die d’Olbreusse oder die hernach dem churfürsten von Brandenburg geheüraht hatt undt hertzogs Christian Ludtwigs gemahlin geweßen? Wen Ihr die meint, so habe ich dieße liebe zu Zelle ahnspinden[3] sehen. Wir wahren 8 tag zu Zelle, ehe ma tante nach Iburg reiste undt oncle sehliger bischoff von Osnab[r]uck geworden war. Der graff war ein heßlicher schatz, ein großer, dicker, grober gesel; ich glaub, er war lahm; er trug den arm alß in einer schlüngen. Daß macht mich glauben es dießer hertzogin von Zelle schwester sein; er folgte ihr immer auff den fuß nach undt verwente kein aug von ihr; alle menschen konten es mercken. Franckfort steckt den voller witwen oder ledige leütte außer der hannauische hoff. Rückenschmertzen kompt ordinarie vom grieß, liebe Louisse, müst Eüch vor käß hütten; aber wie Ihr davon sprecht, so scheindt ein[4] mehr ein rhumatisme zu sein (wie man es hir heist), alß ein ahnstoß vom grieß. Dazu ist die pomade divine exellent. Ich will Eüch erster tagen von der neüen schicken, so ich habe machen laßen; aber sie ist noch zu frisch, muß noch etliche tag haben, sich zu befestigen, sonsten würde sie sich zu baldt schmeltzen. Waß unßere arme mademoiselle d’Orleans zur nonen gemacht, ist nichts anderst, alß die wenige liebe, so sie ahn ihrer fraw mutter vor sie gespürt, undt die fürcht, so sie [405] gehabt, geplagt zu werden, umb deß duc du Maine elsten sohn zu heürahten. Daß hatt sie resolviren machen, auß der welt zu gehen; den sie hatt gedacht, nehme sie einen [andern,] so würde die mutter einen ewigen haß undt fluch auff sie werffen, undt der heüraht stundt ihr gar nicht ahn; also hatt sie sich eher resolvirt, eine none zu werden.[5] Es ist eine böße mutter, daß weiß gott, aber hirvon ist nichts auff der post zu verzehlen. Ihr seydt noch nicht alt genung, umb Eüch im eßen zu schonnen;[6] wardt, biß Ihr erst 60 jahr alt werdt sein! den ist es zeit. Ihr schreibt [sehr schön,] aber soltet Ihr auch kratzfüße machen, so offendirt mich daß in gantz undt gar nichts. Heütte haben wir kein schon wetter, der himmel ist überzogen undt geht ein kalter windt, aber gestern undt vorgestern undt donnerstag haben mir[7] daß schönste wetter von der welt gehabt, wie im frühling. Ich weiß jetzt gantz undt gar nichts neües undt Ewer liebes schreiben ist exact beantwortet, also bleibt mir nichts mehr überig, alß Eüch zu versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb habe undt all mein leben behalten werde.
P. S.
Seyder ich von taffel, habe ich Ewer liebes schreiben vom 27 7br, no 75. Ihr habt groß recht, zu glauben, daß ich den herrn Görtz[8] gern gefallen [thun] wolte in waß er von mir begehrt, undt ich werde mein bestes dazu thun; den ich würde mir selber eine freüde machen, wen ich gelegenheit hette, dem baron Görtz zu erweißen, daß ich mich nicht allein sein[e]r noch erinere, sondern noch allezeit seine freündin bin. Waß ich hirin werde außgericht haben, werde ich Eüch zukümfftige post berichten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 9. Oktober 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 403–405
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0957.html
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