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Brief vom 30. Oktober 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


963.


[422]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

St Clou den 30 8br 1718, umb 3 viertel auff 8te abendts (N. 24).
Ich bin heütte lang in der kirch geweßen, habe Eüch morgendts nicht geschrieben, habe erst wartten müßen, biß mein courier von Paris kommen, umb zu sehen, ob dieße post nicht glücklicher, alß die letzte, sein würde. Ich bin nicht in mein[e]r hoffnung betrogen worden; den wie ich auß der kirch ging undt madame de Berry eben kommen war, brachte mir mein courier Ewer liebes schreiben vom 22 8br, no 82. Aber Ich bitte Eüch, liebe Louise, [423] verseümbt keine post mehr! den daß setzt mich zu sehr in sorgen wegen Ewer gesundtheit. Es ist nicht nohtig, daß alle Ewere br[i]effe lang sein; wen ich nur durch ein klein brieffgen vernehme, daß Ihr gesundt seydt undt meine brieff entpfangt, were[1] ich schon zufrieden sein. Hettet also Ewern ahngefangen brieff, ahnstatt zu zerreißen, mir schicken sollen, liebe Louise! Nach dießer wahrnung kome ich auff Ewer schreiben. Obs einen zwar jammert, arme leütte zu sehen, so man vor dießem gekandt, so redt man doch gern von seinen [alten] zeitten, macht einem hernach noch traweriger. Es freüdt mich doch, daß Ihr so viel leütte alß habt; den es ist doch ein zeichen, daß Ihr von jederman geestimirt undt geliebt seydt. Ich habe aber lachen müßen, liebe Louise, daß Ihr deß Stiquinels fraw vor eine dame de qualité halten. Niemandts weiß beßer, alß ich, wer die Stiquiellen sein;[2] den ich habe den vatter gekendt, wie ihn hertzog Görg Wilhelm ihn auß Ittallien brachte, undt hatte ihn auß barmhertzigkeit genohmen, hatte damahls gar keine gedancken, den edelman zu agiren; daß ist ihm erst hernach im sin kommen, wie er sich reich gefunden. Er war sonst ein gutter man, heürahte in der ersten ehe undt noch zu meiner zeit eine camerfraw von unßern s. churfürstin, so Marchand hieße; sie war von Heydelberg kommen, sie war deß frantzöschen pfareres, monsieur Caré, seine halbschwester. Ich weiß nicht, ob dießer Stiquinel Marchand ihr sohn ist, oder von der zweytten frawen. Ich begreiffe leicht, wie so viel vissitten verdrießlich sein; ich weiß, waß es ist, immer interompirt werden. Ich bin, gott lob, woll undt brauche gar nichts mehr. Ich habe woll gedacht, daß deß St[r]alheim platz baldt wieder ersetzt werden [werde.] Es haben dem konig in Schweden haben so viell wackere leütte gefolgt, daß er sie woll recompensiren muß. Aber es ist gar spät, ich muß noch ahn mein dochter undt nach Paris schreiben, nur noch sagen, daß der arme herr Zachman vorgestern umb 7 abendts gestorben. Sein arm weibgen ist ohntrostbar, woll zu beklagen, undt sein armes dochtergen hatt sich wundt geweindt, erbarmb[t] alle menschen. Adieu, hertzliebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch all mein leben recht lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. Oktober 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 422–423
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0963.html
Änderungsstand:
Tintenfass