[422]
A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.
St Clou den 30 8br 1718, umb 3 viertel auff 8te abendts (N. 24).
Ich bin heütte lang in der kirch geweßen, habe Eüch
morgendts nicht geschrieben, habe erst wartten müßen, biß mein
courier von Paris kommen, umb zu sehen, ob dieße post nicht
glücklicher, alß die letzte, sein würde. Ich bin nicht in mein[e]r hoffnung
betrogen worden; den wie ich auß der kirch ging undt madame de
Berry eben kommen war, brachte mir mein courier Ewer liebes
schreiben vom 22 8br, no 82. Aber Ich bitte Eüch, liebe Louise,
[423]
verseümbt keine post mehr! den daß setzt mich zu sehr in sorgen
wegen Ewer gesundtheit. Es ist nicht nohtig, daß alle Ewere br[i]effe
lang sein; wen ich nur durch ein klein brieffgen vernehme, daß Ihr
gesundt seydt undt meine brieff entpfangt, were
[1] ich schon
zufrieden sein. Hettet also Ewern ahngefangen brieff, ahnstatt zu
zerreißen, mir schicken sollen, liebe Louise! Nach dießer wahrnung
kome ich auff Ewer schreiben. Obs einen zwar jammert, arme
leütte zu sehen, so man vor dießem gekandt, so redt man doch
gern von seinen [alten] zeitten, macht einem hernach noch traweriger.
Es freüdt mich doch, daß Ihr so viel leütte alß habt; den es ist doch
ein zeichen, daß Ihr von jederman geestimirt undt geliebt seydt.
Ich habe aber lachen müßen, liebe Louise, daß Ihr deß Stiquinels
fraw vor eine dame de qualité halten. Niemandts weiß beßer, alß
ich, wer die Stiquiellen sein;
[2] den ich habe den vatter gekendt,
wie ihn hertzog Görg Wilhelm ihn auß Ittallien brachte, undt hatte ihn
auß barmhertzigkeit genohmen, hatte damahls gar keine gedancken,
den edelman zu agiren; daß ist ihm erst hernach im sin kommen,
wie er sich reich gefunden. Er war sonst ein gutter man, heürahte
in der ersten ehe undt noch zu meiner zeit eine camerfraw von
unßern s. churfürstin, so Marchand hieße; sie war von Heydelberg
kommen, sie war deß frantzöschen pfareres, monsieur Caré, seine
halbschwester. Ich weiß nicht, ob dießer Stiquinel Marchand ihr
sohn ist, oder von der zweytten frawen. Ich begreiffe leicht, wie
so viel vissitten verdrießlich sein; ich weiß, waß es ist, immer
interompirt werden. Ich bin, gott lob, woll undt brauche gar nichts
mehr. Ich habe woll gedacht, daß deß St[r]alheim platz baldt wieder
ersetzt werden [werde.] Es haben dem konig in Schweden haben so
viell wackere leütte gefolgt, daß er sie woll recompensiren muß. Aber
es ist gar spät, ich muß noch ahn mein dochter undt nach Paris
schreiben, nur noch sagen, daß der arme herr Zachman vorgestern
umb 7 abendts gestorben. Sein arm weibgen ist ohntrostbar, woll
zu beklagen, undt sein armes dochtergen hatt sich wundt geweindt,
erbarmb[t] alle menschen. Adieu, hertzliebe Louise! Ich ambrassire
Eüch von hertzen undt behalte Eüch all mein leben recht lieb.