Seitenbanner

Brief vom 6. November 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


965.


[428]
St Clou den 6 Novembre 1718, umb 5 abendts (N. 26).
Hertzallerliebe Louise, wie ich eben in die kirch gangen, seindt meine brieffe ahnkommen undt habe Ewer liebes schreiben vom 29 8br, no 83, zu recht entpfangen. Ich bin verwundert geweßen, Ewern datum noch von Heydelberg zu sehen, meinte, daß Ihr wider zu Franckfort wehret. Aber nun werdet Ihr gewiß dort sein, werde also dieß paquet dahin adressiren; schicke Eüch hirbey daß versprochene schächtelgen zur kirbe undt eines mitt mode[1] divine, wünsche aber dabey, daß Ihr es nicht von nöhten mögt haben. Ich schlage mich die sorgen so sehr auß dem sin, alß mir immer möglich ist, undt laß gott den allmächtigen walten. Bößer leütte toben wehrt nicht lang, daß ist wahr, allein in der wenige zeit können sie doch gar viel übels ahnrichten. Gott bewahre unß, daß sie nicht alles thun mögen, waß sie können! Ehe ich schlaffen gehe, werde ich den 73 psalm leßen. In dießem augenblick kompt man sagen, daß der printz Eugene gestorben undt vergifft sein; wen daß wehre, wirdt man es woll zu Franckfort erfahr[e]n, bitte Eüch derowegen, mir es zu berichten.[2] Ich hoffe, daß Eüch der churfürst so woll [429] tractirt, ein gutt zeichen sein wirdt undt man Eüch bezahlen wirdt. Hette ich einen teütschen secretarius, würde ich den churfürsten nicht mitt meiner handt importunirt haben; allein es ist ein[e] rechte schandt, wie mein protocol[3] vor die churfürsten undt fürsten ist. Derowegen hatt unßer herr vatter s. undt unßere liebe churfürstin s. erdacht, daß ich en billiet in dem brieff undt die überschriefft auff Teütsch machen solte, undt weillen mein secretarius kein wordt Teütsch kan, muß ich es ja woll mitt meiner eygener handt thun. Man muß vor dießem beßer schenckel gehabt haben, alß zu itzigen zeitten; den wie ich jung war, habe ich die alten leütten nie so über die stiegen klagen hören, alß wir nun thun; undt hette man vor dießem so kniewehe gehabt, hette man woll die staffeln niederiger mach[en] müßen. Wen dieße pomade divine, so ich hirbey schicke, zu endt sein wirdt, last michs wißen! so werde ich neüe schicken. Es ist gewiß, daß es ein gutt remedien ist undt nicht stinckendt. Mir kompts possirlich vor, daß Eüch der churfürst Libden selber animirt, mitt seinen ministern zu sprechen. Ist der graff Hatzfelt ein so woll gebohrner graff, alß der graff Wießer? Hir im landt seindt die wege noch nicht schlim; mich deücht auch, daß die Bergstraß so ein ebener weg ist, daß es nicht gefahrlich sein kan. Mich verlangt, wider zu vernehmen, wie Ewere reiß abgeloffen wirdt sein. Es schaudert mir recht, zu gedencken, daß mein bau gantz zu grundt undt nicht mehr zu bewohnen ist, wie auch der arme englische bau, da schaudert mir recht vor; were den daß nicht wider zu recht zu bringen? Es war ja so ein gemachlich hauß; wen der churfürst es wider zu recht bauen wolte, würde sich niemandts scheüen, in schloß zu kommen; den es ja gar ein gemachlich undt ahngenehm schloß geweßen ist. Mich verlangt recht nach dem abriß von Schwetzingen. Ich habe mich so erschreklich geeylt, daß ich glaube, daß dießer brieff unleßlich sein wirdt.[4] Aber madame d’Orleans wirdt gleich ahnkommen undt müßen hoca spillen. Die großhertzogin ist dießen nachmittag kommen, wirdt biß donne[r]stag hir bleiben. Adieu, liebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch von hertzen lieb all mein leben.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 6. November 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 428–429
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0965.html
Änderungsstand:
Tintenfass