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Brief vom 29. Dezember 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


979.


[477]
Paris, den 29 Xbris 1718, umb 10 uhr morgendts (N. 41).
Hertzallerliebe Louise, ich habe Eüch schon vor 2 stunden schreiben wollen, hab aber nicht gekönt; den ich bin so erschrecklich bestürtzt, das mir die handt zittert. Mein sohn ist mir sagen kommen, daß er endtlich seiner gemahlin bruder, den duc du Maine, undt seine gemahlin hatt müßen arestiren laßen; den sie seindt die heüpter von der abscheülichen spanischen conspiration. Alles ist en[t]deckt, man hatt es schrifftlich von deß spanischen abgesanten eygenen händen gefunden undt die gefangene habens alles gestanden; also ist es nur zu war, daß der duc du Maine le chef von der conspiration ist, also ist mein sohn gezwungen worden, ihn, seine gemahlin undt alle ihre leütte zu arestiren. Die gemahlin alß printzesse du sang hatt man durch einen von deß königs 4 capitaine des gardes, ihr herr aber, so auff dem landt war, hatt man nur durch einen lieuttenant des gardes arestiren laßen. Daß macht einen großen unterschiedt von beyden. Madame du Maine ist nach Dijon geführt worden in Bourgogne in ihres neuveux gouvernement. Ihr[e]n herrn hatt man nach Dourlan geführt, in eine kleine festung, undt ihre bedinten, die von der conspiration sein, hatt man alle in [478] die Bastille geführt.[1] Ihr secht woll, liebe Louise, daß diß alles erschrecklich genung ist. Aber ich muß mich geschwindt ahnziehen undt zu madame d’Orleans nunder gehen; den sie wirdt gewiß sehr betrübt sein.
Donnerstag, umb ein viertel auff 9 abendts.
Daß hertz ist mir so schwer, so viel betrübte leütte he[u]tte gesehen zu haben, daß ich schir nicht schreiben kan. Madame d’Orleans habe ich sehr betrübt [gefunden,] aber viel raisonabler, alß madame la princesse; sie sagt, sie hatt, sie kan nicht zweyfflen, daß, weillen mein sohn so hart mitt ihrem bruder verfährt, daß er gar große ursachen gegen ihm [und] seiner gemahlin müße gefunden habe[n,] aber sie könne sich nicht deßwegen beklagen. Madame la princesse aber will, daß es nicht möglich sein könne, so[2] ihr dochter undt dochterman waß übels sollen gethan haben. Sie macht einem recht ungedultig; den waß man ihr auch sagen mag wegen dießer sach, daß man deß ambassadeurs eygene handt hatt, so ihn undt seine gemahlin nendt, daß die andere die sach schon gestanden, daß hilfft alles nichts, daß haben feinde gethan undt ihre kinder seindt unschuldig. Von madame la princesse bin ich zu madame la duchesse; die, undter unß gerett, ist nicht sonderlich betrübt. Vor[3] dar bin ich zu der kleinen printzes de Conti, schwester von madame du Maine. Von dar habe ich in einem andern apartement ihr schwigerdochter besucht, so daß bett halten muß; den sie ist [479] schwanger undt hatt dießen sommer ein böß kindtbett gethan; drumb muß sie 6 wochen daß bett halten, biß die zeit vorbey sein wirdt, daß sie sich blessirt hatt. Wie ich wider hir ahnkamme, war es nahe bey 7 uhr. Madame de Berry ist kommen undt biß jetzt geblieben. Gestern habe ich Ewer liebes schreiben vom 13 dießes monts, no 98, entpfangen undt kan weder dießes, noch daß vom 10, no 97, heütte beantwortten. Erstlich so ist es zu spatt undt zum andern ist mir der kopff so dum, daß ich nicht mehr weiß, waß ich sage. Weillen aber doch der neüjahrstag schon vorbey wirdt sein, liebe Louisse, so will ich meinen neüjahrswunsch vor den neüjahrstag sparen; den sonsten werde ich selbigen verdrißlichen tag nichts sagen können, den man hatt kein augenblick zeit vor sich. Es ist mir schon gantz angst undt bang drauff. Es ist heütte eben so dunkel geweßen, wie es zu Frankfort war, alß Ihr mir, liebe Louisse, geschrieben habt. Ich habe Ewere bu[ch]staben nicht zu groß gefunden, seindt nicht so groß, alß die meinen. Ihr werdt baldt abscheüliche historien auß Berlin hören. Ich glaube, es seindt etliche teüffel auß der hollen in die lufft gefahren, solle[n] die conspirationen ahnstellen. Waß man Eüch vom cardinal de Noaille[4] undt meinem sohn gesagt, da ist kein wordt ahn war. Daß große Uneinigkeit zwischen den geistlichen ist undt alle bischoffe schir getheilt sein, die helfft vor den papst undt waß die Jessuwitter lehren, die andern, waß die, so man Jansenisten heist, lehren, daß ist war, aber ich bekümere mich weder umb eins, noch daß ander, suche, christlich zu leben, umb woll zu sterben, undt laß zancken, wer lust dazu hatt, bekümmere mich weder vor eine, noch andere parthie. Ich habe monsieur Guenaut gesehen, ehe man sich über ihn beschwehrt. Sobaldt ich eine scheffe perucke[5] sehe, muß ich es sagen. Aber da kompt monsieur Teray, will, daß ich eßen undt nach bett solle, muß wider willen schließen. Ich war expres auß dem opera geblieben, Eüch zu entreteniren, habe aber, wie Ihr secht, nicht dazu gelangen können. Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch allezeit von hertzen lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 29. Dezember 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 477–479
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0979.html
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