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Brief vom 26. Januar 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


988.


[016]
Paris den 26 Januari 1719 (N. 49).
Hertzallerliebe Louise, gott gebe, daß ich Eüch heütte einmahl recht schreiben mag ohne verhinderung undt interuption undt das der diable au contretemps mich möge ein wenig in ruhen laßen! Fangen bey dem letzten ahn, so ich eben vergangen sontag entpfangen, wie ich eben meinen brieff schon auff die post geschickt hatte. Daß Ewerige ist vom 10 dießes von no 3 dießes monts. Alle brieffe kommen langsam, weillen alle flüße überfloßen sein. Ah! da begehrt man, mich zu sehen. Der diable au contretemps hatt sein spiel noch, wie Ihr segt. Paris ist in dießem stück recht unleydtlich. Ich hoffe, daß ich doch noch dießen morgen ein par wordt werde sagen können undt daß Ihr endtlich meine noch ausstehende schreiben werdet entpfangen haben; den es ist gar gewiß, daß ich keine eintzige post verfehlt habe. Ihr mögt nun in Ewerm callender alle sontag undt donnerstag aufschreiben, so werdet Ihr [017] ohnfehlbar wißen, wen ich Eüch geschrieben hab, oder nicht; den es ist gar gewiß, daß ich kein eintzige post verfehlt habe undt gar redtlich mein wordt gehalten, alle posten zu schreiben. Solte es continuiren, so würdet Ihr woll thun, Eüch ein wenig ahn den postmeistern zu beklagen undt ihm zu sagen, daß ich Eüch versichert, liebe Louisse, daß ich keine post verfehlt habe. Sagt er, das die schuldt ahn die frantzösche post ist, schreibt mirs! so werde ich ihnen meine meinung sagen laßen. Ich bin noch nicht courirt von meinem husten. Gott weiß, wen er auffhören wirdt. Es ist doch heütte 12 gutter tag, das er wehrt; bins sehr müde. Ich glaube, daß Ihr, liebe Louisse, nun schon wißen werdet, daß die conspiration von Berlin zu nichts worden undt der ertzschelm, der Clement, in der folter alle seine boßheit gestanden undt wie er alle ehrliche leütte unschuldiger weiß ahngeklagt hatt. Freylich ist der Clement[1] ein betrieger undt ertzschelm. Vor einem jahr kam er her undt wolt meinen sohn betriegen, brachte falsche brieffe von printz Eugene; aber zu allem glück war seine handt hir zu bekandt, undt ob seine brieff zwar sehr woll nachgemacht wahren, so hatt man doch die falsch[h]eit gesehen undt dießes feine bursgen gebetten, daß königreich zu raumen, wofern er nicht zu lang drin sitzen wollen; ist also geschwindt wider fort undt nach Berlin, wo er daß schönne stückelgen ahngestellt hatt. Dießer kerl meritirt woll, daß man ihm eine reiße auff einer leytter thun machte, so ihn in jener welt führen mögte. Er hatt es gar woll verdint, hoffe also, daß er seinen verdinten lohn bekommen wirdt. Hier haben wir nichts neües. Man findt alle tag neüe abscheüliche sachen von der conspiration; aber baldt wirdt alles herrauff kommen, undt sobaldt es wirdt gedruckt sein, werde ich Eüch ein exemplar davon schicken, liebe Louise! Es wirdt ein miracle sein, wofern die königin in Preüssen kindtbett ein glücklich endt wirdt nehmen nach aller der betrübtnuß undt schrecken, so sie in ihrer schwangerschafft gehabt hatt. In der schwedischen sach wünsche ich woll von hertzen vor meinen vettern, dem printzen von Hessen, wie Ihr leicht gedencken kont, liebe Louisse! Ich war recht verwundert, daß Ihr den pfaltzgraffen von Zweybrücken August geheyßen; den ich wuste woll, daß er nicht so hieße, den es ist noch kein[e] 14 tag, daß ich brieff von ihm bekommen habe. Er wirdt, glaube ich, regieren undt hoff halten, wie sein herr vatter undt fraw mutter. [018] Man hörte ein groß geraß; so fragte ein frembter, waß daß wehre. O! sagte daß der[2] vom hoff, es ist nichts neües; der hertzog leufft seinen marschalck nach, umb ihn zu brügeln, undt die hertzogin leüfft der hoffmeisterin nach, umb ihr maulschellen zu geben. Daß geschähe alle tag. Ich weiß woll, waß man sagen will mitt der frantzoschen printzessin, so der printz von Birckenfelt heürahten solte. Es ist des cardinal de Rohan seine niepce, mademoiselle des[3] Melun; daß wolte ich ihm nicht rahten; er würde den cardinal eben so baldt zum schwager, alß zum oncle, bekommen. Pfaffen rest ist eine wüste sach; über daß so ist ihr fürstenthum nur eine bloße chimere. Sie seindt leütte von gutten hauß, aber keine printzen, noch princessinen gar nicht. Der printz von Birckenfelt hatt keine lust darzu. Er hette es lengst thun können, wen er gewolt hette; den es ist schon lange, daß sie ihm nachleüfft. Mitt mademoiselle de Melun würde er keine kinder bekommen, sie ist den 50 jahren näher, alß den 40 jahren. Daß dolle leben, so die fürstin von Nassau-Siegen führt, hatt sie Franckreich zu dancken; da hatt sie daß coquette leben gelernt. Waß solte ich mitt dem gemeinen kerl ahnfangen haben, der ihres herrn cammerdinner geweßen? Weiß sie den nicht, daß man keine hergeloffene leütte hir ahnnimbt undt daß alle chargen in unßern heüßern gekaufft werden? Madame Dangeau ist sehr touchirt über ihres elsten herrn bruder todt. Wen die printzes von Reinfels nicht gescheyder ist, alß der herr vatter undt oncle, finde ich, daß der fürst von Leuenstein ein gar schlechten heüraht gethan hatt. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vom 10, no 3, durch[aus] beantwortet. Ich komme jetzt auff daß vom 7, no 2. Ihr habt groß recht, zu glauben, daß ich Eüch, liebe Louisse, alle posten schreibe; den daß ist unfehlbar war. Die posten gehen zu unrichtig, umb daß Ihr in sorgen sein soltet, wen Eüch die post fehlt. Ich kan nicht begreiffen, wo mein brieff no 40 muß hinkommen sein. Der duc du Maine hette woll gethan, sich auß der conspiration zu halten undt sein klein, scheff zwergelgen[4] auch davon abzuhalten. Madame d’Orleans ist [019] nicht sonderlich zu loben, den sie ist nicht lang raisonabel geweßen. Ich glaube nicht, daß ein man in der welt die gedult haben [könnte,] die er, mein sohn, hatt. Madame la princesse[5] hatt nicht große ursach, [die duchesse du Maine] zu lieben; sie hatt sie 5 jahr mitt processen verfolgt undt nicht gesehen, weder sie, noch ihr herr, noch ihre kinder. So baldt aber madame de Vandosme[6] gestorben undt madame la princesse eine re[i]che erbschafft gethan, seindt sie alle wider zu ihr geloffen. Aber mein abscheülicher husten macht mir kopffwehe, muß also wider willen schließen undt vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß, biß mir mein verdruß den garauß macht, werde ich Eüch von hertzen lieb behalten.
Elisabeth Charlotten.
P. S.
Ich muß noch sagen, daß Pelnitz ein excroq[7] ist undt sich in Franckreich nicht weißen darff, weillen er alle menschen betrogen, gott undt der welt schuldig ist.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. Januar 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 16–19
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b0988.html
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