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Brief vom 12. Februar 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


993.


[034]
Paris den sontag, 12 Februari 1719, umb halb 8 morgendts (N. 54).
Hertzallerliebe Louisse, vergangen donn[e]rstag habe ich Ewer liebes schreiben vom 28 Jan., no 8, zu recht entpfangen, aber den abendt nicht beantworten können, habe es vor heütte verspart. Ich bin froh, zu sehen, daß doch keines von meinen schreiben verlohren worden undt Ihr, liebe Louise, sie nun alle habt. Wen ich waß verspreche, so halte, oder sage, warumb ichs nicht halten kan; den mein intention ist allezeit, mein wordt zu halten. Ich hab so ein schlecht gedachtnuß, daß ich mich nicht erinern habe können, ob ich den brieff, so ich ahn herrn Görtz geschrieben, durch die post oder durch Eüch geschickt hatte. Daß alter hatt viel gebrechen, aber insonderheit verkürtzt es daß gedächtnuß. Ich bin noch älter, alß ein ander in meinen jahren ist, wegen so viel angsten undt betrübtnuß undt chagrin, so ich in meinem leben außgestanden. Meines hustens undt schnupen bin ich, gott lob, wider quit; hatt mich dießmahl gar hart ahngegriffen undt bey 4 gantzer wochen gewehrt. Ich kan ohnmöglich glauben, daß, waß die brust undt gantzen leib so quehlt, gesundt sein kan. Ich habe den husten in der schönnen kirch des Feüillant undt nicht im opera [geholt]. Dieße kirch ist voller marber undt unerhört feücht, hatt mich gleich sehr nießen machen, worauff gleich husten undt schnupen gefolgt. Im opera ist es weder kalt, noch warm. Waß mich ahm meisten in die spectaclen, operaen undt commedien, führt, ist, die vissitten zu meyden. Wen ich unlustig bin, schpreche ich ungern, undt in meiner logen bin ich in ruhe. Gefehlt mir daß spectacle nicht, so schlaffe ich; der schlaff ist so sanfft bey der mußiq. Ich weiß leyder nichts, so mich konte lustig machen, alß wen ich recht versichert sein könte, daß mein sohn undt dochter in keiner lebensgefahr mehr wehren. Ich hab mademoiselle de Vallois nicht lieber, alß die zwey kleinen; ihr humor steht mir gar nicht ahn, wir haben keine simpathie mitt einander; sie hatt allezeit finessen, daß kan [035] ich, unter unß gerett, nicht leyden. Aber waß will ich thun? Sie ist mein enckel, werde also doch woll mitt ihr leben; den ich lebe gern in frieden undt ruhe. Dieß landt hir ist nicht auff die erkandtlichkeit stillisirt; man muß seinen weg fortgehen, in allem sein bestes thun, aber auff keine erkandtlichkeit bawen, man würde sich sonst sehr betrogen finden. Coursillons schwigervatter[1] ist in der Bastille. Ich muß gestehen, daß es mich recht wunder genohmen, daß madame Dangeau schwester etwaß gegen ihre schwester interesse fordert. Ich bin ein nar geweßen, es nicht recht zu überleßen, sonsten hette ichs meinem sohn nicht geben; den ich bin freündin von madame Dangeau, wolte also nicht gern waß gegen ihr thun. Wie ich sehe, so wirdt man in Teütschlandt auch alla mode, seine nahe verwanten undt geschwister nicht zu lieben. Ihr undt ich seindt noch auff den alten teü[t]schen schlag undt werdens woll bleiben, so lang wir leben. Auff interesse verstehen sich alle Jessuwitter über die maßen woll. Ich habe dem graff von Degenfelt selber mitt eygener handt geantwort, wirdt nun meinen brieff haben undt nicht mehr in sorgen sein. Ich habe nicht gedacht, daß man die tauff auff meine andtwort verschieben würde; den es ja leicht zu glauben, daß ich es auß gar viellen ursachen acceptiren undt nicht abschlagen würde, aber die andtwort hatt so lang verweilt, weillen ich es mitt eygener handt habe thun wollen. Ewer compliment ist unnöhtig, liebe Louise! Den ich es gar woll auffgenohmen, wie der herr von Degenfelt Eüch ohne zweyffel berichten wirdt. Ich wolte, daß ich der gantzen famille dinen könte, wolte es mitt freüden thun; ich bin aber, wie man hir im sprichwort sagt, de ces saint qui ne guerisse de rien, den ich kan undt vermag nichts, alß gutten willen. Daß so gar sanffte undt warme wetter ist nicht gesundt. Einsitzen ist auch ungesundt; Ihr undt ich seindt nicht dazu erzogen worden. Freyllich ist es gesundt, wer sich bewegen kan. Ich kan nicht mehr spatziren, habe weder ahtem, noch schenckel. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben einmahl vollig beantwortet, bleibt mir nur über, Eüch, liebe Louisse, zu ambrassiren undt versichern, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
[036] P. S.
Umb 3 viert[el] auff 10 morgendts.
In dießen augenblick entpfange ich Ewer schreiben, liebe Louisse, von 31 Jan., no 9. Die helfft davon, undt waß graff Degenfelt ahngeht, ist schon hirin beantwort, daß überige spar ich vor donnerstag, wo mir gott leben undt gesundtheit verleydt.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 12. Februar 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 34–36
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b0993.html
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