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Brief vom 16. Februar 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


994.


[036]
Paris den 16 Februari 1719, umb 3/4 auff 7 morgendts (N. 55).
Hertzallerliebe Louise, ich weiß nicht mehr, ob ich Eüch vergangen sontag gesagt, daß ich Ewer liebes schreiben vom 31 Jan., no 9, zu recht entpfangen habe. Ob ich heütte ein frisches von Eüch entpfangen werde, stehet bey den göttern, wie die teütsche comedien alß pflegen zu sagen. Aber wie ich mein paquet erst dießen abendt gegen 9 machen werde, so werde ichs Eüch noch zu wißen thun können. Die schlime wegen müßen schuldig sein, daß Ihr meine schreiben nicht entpfangen habt; den ich habe gar gewiß keine post gefehlt, zu schreiben. Daß Ihr keine schreiben auß Englandt bekompt, ist nicht wunder, zu sehen, wie abscheüliche windte undt stürm jetzt sein. Einen, so man vor 8 oder 10 tagen hir gehabt, hatt unglaubliche sachen hir ahngestelt; er hatt bley von kirchenthürnen über daß waßer in einem dorff geführt, er hatt zwey große, schwere kirchenthüren auß den angeln gehoben, hatt sie gantz strack hundert schritt davon ahn eine mauer ahngelehnt undt einen hannen von dem kirchthurm de St Germain de Lauxerois[1] gantz zum understen oben gethrehet, er hatt einen baum gespalten, unten zugespitzt, ihn gantz geraht so dieff 20 schrit in die erde gesteckt, alß wen er drin gepflantzt were. Wen daß in der graffschafft Lipp geschehen were, hette man es vor hexenwerck gehalten; aber zu Paris glaubt man ahn keine hexen undt brendt sie nicht; ich habe auch keinen glauben dran[2]. Man hatt mühe, dieße zeit winderszeit zu [heißen]; den gantzen tag seindt wir hir ohne feüer undt die fenster offen. Daß wetter kan nicht gesundt sein; auch seindt überall viel krancken undt sonderlich die kinderblattern; es sterben aber wenig leütte dran. Unßere kleine [037] mademoiselle de Chartre hatt nur die waßerblattern gehabt. Ich wolte, daß es die rechten gewest wehren, den weillen sie nur 2 jahr alt ist, hette sie die zeit gehabt, außzuwacksen, undt man hette hoffen [können], daß sie sie nicht mehr bekommen würde. Graff von Degenfelt hatt gar woll gethan, meinem patgen meinen nahmen zu geben; ich habe ihn davor gedanckt vor 14 tagen. Ich müste woll wunderlich sein, wen ich übel nehmen [wollte], daß ein kindt, so mein patten ist, meinen nahmen führt; daß geht ja von sich selber undt were eine Verachtung von meinem nahmen, wens nicht geschehen were. Mein husten ist vorbey, aber wen daß unbeständige wetter so wehrt, mögte woll baldt wider ein anderer kommen; den daß wetter ist warm undt gar feücht. Ich glaube, ich habe Eüch schon verzehlt, wie der schelm, der ungarische Clemen[3], mitt falschen brieffen vom printz Eugene herkommen vor einem jahr; mein sohn aber hatt die sach gemerckt undt dießes bürschgen baldt fortgeschickt[4]. Er macht doch die schriefften gar woll nach; pitschiren nachzumachen ist gar leicht. Ich finde, daß der könig in Preüssen der madame Blaspiel eine große reparation schuldig, sie so unschuldiger weiß gefangen gesetzt zu haben. Er solte offendtlich ihre unschuldt ahn tag geben, sie wider zu der königin thun undt ihr undt den ihrigen viel gnaden thun. Man kan vom preussischen hoff sagen, wie die fable von Lafontaine lautt: La fromy n’est pas preteusse[5]. Man sagt, der könig lache selber über seine karchheit. Vielleicht hatt der Clemen gemeint, die hoffleütte würden ihm gelt geben, umb nicht ahngeklagt zu werden. Wen es nur mitt allen den divertissementen zu Heydelbe[r]g nicht hergeht, alß wie ein Ittalliener einmahl zu Versaillen zur großhertzogin sagte, er sehe ahm frantzöschen hoff sehr viel divertissementen, aber wenig freüden. Mich deücht, es ist nirgendts die mode mehr, recht lustig zu sein undt freüde zu haben. Ich weiß nicht, ob es mir so vorkompt, weillen ich selber in der seelen trawerig bin undt keine lust in nichts mehr nehme, oder ob es sich in der that so befindt. Churpfaltz thut in meinem sin gar woll, ahn keinen heüraht mehr zu gedencken; seine fraw dochter wirdt ja pfaltzgraffen genung machen können. Es geht ein geschrey, alß wen dieße printzes mitt [038] ihrem herrn brouilirt seye undt daß er ursach hatt, jalous von ihr zu sein. Daß gibt die heydelbergische lufft nicht, daß müste sie von Neüburg oder von Dusseldorf gebracht haben. Habt Ihr etwaß davon gespürt, wie Ihr zu Schwetzingen geweßen? Man nent den cavallier nicht, von welchem der pfaltzgraff von Sultzbach jalous sein solle; man sagt nur, daß die printzes ihren herrn nicht mehr leyden kan, undt es solle doch ein gar schönner herr sein. Wen er ist, wie sein jüngster bruder, ist er gewiß schön. Er ist zu schön vor ein mansmensch; den es ist eine delicatte schönheit, gleicht ahn 2 schönne damen hir, mademoiselle de Clermont, monsieur le duc schwester, undt ahn madame de Flamarin[6], deß Flamarins neveu fraw, so Ihr ohne zweyffel zu Hannover werdt gesehen haben. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben völlig beantwortet. Wir haben nun gantz undt gar nichts neües. Daß ist ahm besten, den kompt etwaß neües, ist es ordinarie nichts guts. Damitt werde ich auch dießen brieff enden, aber, wie schon gesagt, erst dießen abendt zupitschiren. Dießen nachmittag werde ich zur großhertzogin. Hatt mademoiselle de Valois lust, ins opera zu gehen, werde ich sie hinführen, wo nicht, so bleibe ich in mein cabinet undt laß cadrille spiellen undt sehe zu; den selber kan ich nicht spillen, den ich liebe daß spiel nicht, noch kein anderst, umb es selbst zu spiellen. Erfahre ich nichts neües, noch bekomme kein schreiben von Eüch, so werdet Ihr nichts mehrers in dießem brieff … alß daß ich Eüch, liebe Louise, von hertzen lieb behalte.
Umb 3 viertel auff 10 morgendts.
In dem augenblick entpfange ich Ewer liebes schreiben vom 4 dießes monts, no 10, werde es vor biß sontag spar[e]n, nur sagen, daß ich froh bin, daß Ihr segt, daß ich keine post verfehlt habe, wie ich Eüch versprochen. Daß überige werde ich biß sontag beantwortten, wo mir gott leben undt gesundtheit verleyht.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. Februar 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 36–38
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b0994.html
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