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Paris den 23 Februari 1719, ein 1/4 auff 8 morgendts (N. 57).
Hertzallerliebe Louise, 5 undt einen halben bogen ist zu viel
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geschrieben mitt einem bößen aug. Ich hette Eüch gern
entschuldiget undt würde Eüch doch nicht weniger geschrieben haben. Sich
ahn den augen schaden zu thun, ist gar zu gefährlich. Ich bitt Eüch,
liebe Louise, schont Eüch doch beßer! Den es solte mir gar zu
leydt [sein], wen Ihr Eüch meinetwegen schaden thun soldet. Die
große undt starcke winde haben die wegen gedrucknet, drumb gehen
die posten jetzt richtiger, so nicht über die seeh zu fahren haben.
Ich habe vergangen woch keine brieffe auß Englandt gehabt, nun
seindt mir in zwey tagen 3 ordinarie auff einmahl kommen. Ich
hoffe, heütte noch ein frisches schreiben von Eüch zu bekommen.
Der graff von Degenfelt hatt daß meinige endtlich zu rechenschafft
davon geben wirdt undt sagen, ob er mitt zufrieden ist oder nicht
[1].
Unßere brieffe, liebe Louise, seindt nun wider gantz eingericht, wie
Ihr segt; [gebe] gott, daß es dawern mag! In Franckreich,
insonderheit zu Paris, heiß ich nur Madame undt bey hoff auch. Madame
la duchesse d’Orleans ist allezeit meines sohns gemahlin. Wie kont
ich fehlen, Eüch, liebe Louise, alle post zu schreiben? Ich habe
es Eüch ja so sehr versprochen, alle post zu schreiben, undt ich
piquire mich, gar exact auff alten teütschen glauben mein wordt
zu halten. Es ist hir ein recht warmes frühlingswetter. Vergangen
sontag ginge ich ein halb stündtgen in der Carmelitten gartten
spatziren; die mandelbäum waren alle in foller blust
[2] undt die
apricosen undt pfirschingbäume fangen alle ahn, zu blühen. Ich
fürchte, daß noch ein frost kommen wirdt, so alles verderben wirdt.
Ahn den schiffer
[3] zu fehlen, ist ist eine vergeßenheit, aber nichts
ungeschicktes. Vissitten können Eüch, liebe Louise, nicht so sehr
ahm aug schaden, alß mitt eygener handt zu schreiben. Mitt
gutten bekanten undt freünden sprechen kan nichts schaden. Ich sehe,
daß die gräffin von Solms meines sines ist, daß es viel ahngenehmer,
auff dem landt zu wohnen, alß in den grösten undt schönsten
stätten. Ich sehe lieber bäume undt ertreich, alß die schönsten palast,
undt lieber einen küchengartten, alß die schönsten gärtten, mitt
marmel undt springbrunen geziehret, undt lieber eine grüne wieße
lengst einer bach, alß die schönsten vergülten cascaden; mitt einem
wordt, waß naturlich ist, gefelt mir beßer, alß alles, waß die künste
undt magnificentz erdencken mag. Solche sachen deügen nur im
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ersten ahnblick, sobaldt mans aber gewohnt ist, denckt man nicht
mehr dran, undt waß noch mehr ist, man wirdt baldt müdt; aber
naturlich waßer, wießen undt wälder kan ich mein leben nicht müdt
werden. Ist dieße gräffin von Solms dem Herrn von Limburg, so
wir in meinen letzten jahren zu Heydelberg ahm hoff gehabt haben
undt cammerjunker bey I. G. unßerm herr vatter. dem churfürsten,
war … ? So lange ich meinen sohn von den vornehmbsten hir im
landt gehast sehe, kan ich nicht in ruhen sein. Seindt sie bey ihm,
so ist nichts souplers
[4] undt voller protestationen. Von hir gehen
sie in ihren assambléen, wo sie den teüffel von meinen sohn sagen
undt allen möglichsten fleiß ahn[wenden], ihn von der gantzen weldt
verhast zu machen, undt wen sie jemandts finden, so ihn auch hast,
thut man ihnen taußendt caressen undt versprechungen. Ahn dießer
falschheit kan ich mich nicht gewehnen. Daß ängstet mich, den in
den assambléen wünscht man allezeit meines sohns todt. Ich fürchte
alß, das einer sich einmahl im kopff setzen wirdt, eine starcke
recompens zu bekommen, [und] einen verfluchten schlimen streich thun
wirdt. Gott lob, daß der carneval vorbey ist! den mein sohn
fing wider ahn, gegen sein versprechen zum bal zu gehen. Ich bin
persuadirt, daß er schon dahin wehre, wen unßer herr gott nicht
frommen seelen vor ihm erhöret hette; bitte derowegen, liebe,
continuiret, vor ihm zu betten! Ich glaube nicht, daß bößere undt
falschere leütte in der weldt können gefunden werden, alß hir sein.
Mein sohn ist zu betawern; er hatt die beste intentionen von der
welt, liebt sein vatterlandt mehr, alß sein eygen leben, er hast
niemandts, wolte gern alle menschen vergnügt sehen. Er arbeydt
tag undt [nacht] deßwegen, verschiest leben undt gesundtheit mitt
undt alebenwoll will mans ihm nicht den geringsten danck wißen.
Ihr könt die boßheit, so man gegen meinem sohn hatt, nicht
begreiffen, weillen Ihr selber gutt undt nicht interessirt seidt undt
nicht begreifft, daß man groß unrecht vor gelt thun kan. Hiemitt
ist Ewer letztes liebes schreiben vollig beantwordet, werde nur noch
drauff sagen, daß es mich wundert, daß die fürstin von Ussingen
ihren herrn bruder so baldt quittirt hatt, den fürsten von Murbach.
Ich komme jetzt auff Ewer liebes schreiben von 4ten, no 10, wo ich
vergangen sontag geblieben war. Ich habe der printzes von Wallis
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geschrieben, waß in den gazetten stehet; ich kan noch keine
andtwort drauff haben. Ich habe der printzes auch geschrieben, daß
ich glaube, daß ihre zweytte printzes den printz von Holstein
Gottorf bekommen solte, umb auch noch eine königin in Schweden zu
werden; den mein vetter, der landtgraff, wirdt woll nie kinder
bekommen undt er ist noch jung genung, umb etliche jahr zu leben.
Solte ihn die königin überleben, würde sie zu alt sein, kinder zu
bekommen; also wirdt der junge hertzog von Holstein gewiß könig
in Schweden werden, also würde die printzes von Wallis 2 königin
auß ihren fraw döchtern machen. Der printz von Hannover ist noch
gar jung, umb zu heürahten, ist ja erst 12 jahr verwichen monat
geworden. Die printzes, so man i[h]m destinirt, ist seyder dem
verwichen October 13 jahr alt worden, würde also nahe bey zwey
jahren alter, alß ihr herr, sein; aber daß schadt nichts, deß jetzigen
landtgraffen von Cassel fraw mutter war 8 jahr älter, alß ihr herr.
Mein gott! auß lieb heürahten macht die heürahten nicht [gut.]
Ich habe hir etliche heürahten so gesehen, so gar übel
außgeschlagen sein. Waß allein gutten ehen macht, ist, wen beyde personnen,
so sich heürahten, raisonabel sein undt sich keine grillen in kopff
setzen. Ich kan nichts von der englischen brouillerie begreiffen;
den solte gleich der könig von Großbritanien glauben, daß der
printz sein sohn nicht were, daß hatt er ja nicht können in
Englandt erfahren; undt hatt ers vorher gewust, warumb hatt er ihn
alß seinen sohn erzogen, verheüraht undt mitt nach Englandt
geführt undt sich erst zwey jahr hernach mitt ihm broüillirt? Es muß
etwaß dahinder stecken, so niemandts weiß; in meinem sin hatt der
könig unrecht
[5]. I. L. die printzes von Wallis sagt, daß kein wordt
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wahr ist, daß der printz dem könig im parlement widersprochen
hatt. Daß der duc d’Argile
[6] wider ins königs gnaden ist, daß ist
gewiß, wie oder wan aber, weiß ich nicht. Die duchesse du Maine
hatt mir nicht geschrieben; hette sie es gethan, hette ich ihr gewiß
den brieff wider zurückgeschickt, ohne ihn zu beantwortten. Ich
finde Ewer schreiben, liebe Louise, gar nicht zu [lang]. Ihr segt
auch woll, daß ich auff alles exact andtworte. Ich befinde mich
nun, gott lob, sehr [gut], aber bey alten weibern wehrt es nicht
lang. Wir haben die waßerpocken wider auffs [neu] im hauß.
Vorgestern ist mademoiselle de Beaujolloy
[7] auch kranck dran worden,
hatt daß fieber seyder vorgestern undt die kinderblattern schlagen
auß, ist nicht gar kranck, eben wie ihr schwestergen. Der elsten
schwester, mademoiselle de Vallois, ist bitter bang bey der sach. Ich
fürcht, daß dieße angst undt daß sie gar dick undt fett ist, ihr die
rechten kinderblattern wirdt kommen machen, welches schadt were,
den sie hatt eine hübsche haudt. Es könte nichts, alß waß gar
schlimmes, bey ihr außrichten. Ich bin 9 jahr alter, alß Ihr, liebe
Louise, alßo ist es billig, daß ich den vordrab in jener welt [habe]
undt Ihr mich betrawert. Ich nehme meine gesundtheit sehr in
acht, thue alles, waß monsieur Teray, mein dockter, will; aber ich
kan nichts davor, daß mich mein sohn undt dochter ängstigen, wen
ich sie in gefahr weiß; daß kan ich ohnmöglich endern. Die fürstin
von Löwenstein ist glücklich, den rheinfe[l]dischen hirn entloffen zu
[sein]. Ich habe mein [leben] keinen größern naren [gesehen], alß
mein armer vetter, printz Carl, war. Ich hatte große eyll, daß er
wider weg kam, wie er zu Fontainebleau [war]; den alle tag
fournirte er eine neüe dolle historie. Der Kurtz von Kan meritirt woll,
daß Ihr ihm den kopff ein wenig wescht, mir seine metres vor
seine fraw pressentirt zu haben
[8]. Es ist ein heßlich, großmachtig
weib; man hette woll nicht errahten können, daß sie ein metres
soll [sein], ist nicht jung. Sie solle noch zu Paris stecken; er ist
von Paris weg ohne zahlen. Pelnitz meritirt nicht, daß ihn
Churpfaltz so woll tractirt hatt; er deücht gar nichts
[9], mögte ihm woll
einmahl gehen wie dem Schlieben. Sandrasqui hatt mir sagen laßen,
ich solte ihm geistliche bücher schicken, er wolte gern sich zu gott
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wenden. Ich habe geantwort, ich hette keine geistliche bücher,
aber er were alt genung, umb, wo er sich sincerement zu gott
wenden wolle, solches ohne bücher zu thun undt gott fleißig umb seine
bekehrung zu bitten. Wir haben nichts neües hier vor dießmahl,
werde also nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch, liebe Louise, von
hertzen lieb behalte.