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Brief vom 25. Februar 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


996.


[043]
Paris den 25 Februari 1719 (N. 58).
Hertzallerliebe Louise, ich habe Eüch vergangen sontag bericht, wie ich Ewer liebes schreiben vom 11ten, no 12, zu recht entpfangen habe. Ich bin von hertzen fraw[1], darauß zu sehen, daß Ewer aug wieder woll ist. Ich fange heütte ahn, zu schreiben, den morgen muß ich ahn mein dochter schreiben undt in kirch fahren undt nachmittag ins closter, nach dem closter ins opera, drumb fange ich heütte ahn. Ich gehe ins opera auß purer complaisance vor mademoiselle de Valois; den ich frag kein haar mehr darnach, es schläffert mich vor langeweill ein; aber auß complaisance muß man woll waß thun. Ewere brieffe, liebe Louise, kommen nun gar richtig, wie Ihr segt. Weill ich daß glück habe, liebe Louise, daß meine albere schreiben Eüch ahngenehm sein, werde ich Eüch keines fehlen laßen, beklage Eüch aber sehr, keine größere freüdt zu haben. Aber da werde ich zum 3ten mahl interompirt. Aber dießmahl muß ich eine pausse machen; biß dießen nachmittag hoffe ich Eüch noch zu entreteniren, ehe ich meine vissitten ahnfange; den ich werde heütte zu madame de Berry undt zu madame la princesse.
Sambstag umb 3 viertel auff 3 nachmittags.
Es ist nahe bey einer halben stundt, daß ich von taffel bin. Ehe meine kutschen kommen, kan ich noch ein par wordt sagen. Schreiben macht mir gar keine ungelegenheit; den schreib ich nicht ahn Eüch, so schreib ich ahn ein anders; also macht[2] Eüch kein scrupel drüber zu machen. Aber da kompt eine interuption, daß ist mein taglich brodt.
[044] Es wirdt gleich 8 schlagen undt wir kommen in dießem augenblick auß der ittallienschen commedie. Aber damitt der tag enden mag, wie er ahnfangen, so kompt mein sohn herein. Ich habe mitt ihm zu reden; ich habe noch ein viertelstündtgen zu blaudern, daß ich nicht verliehren will. Ah, da bringt man mir ein schreiben von Eüch, liebe Louise, von 14, no 13, aber daß werde ich weder heütte, noch morgen beantworten, sondern, wo mir gott leben und gesundtheit verleyet, werde ich es die andere post thun.
Sontag, den 26 Februari, umb 7 morgendt[s].
Man hatt mich gestern nach bett gejagt, habe nicht schreiben können, fange hiemitt wider ahn. Gott gebe, daß ich dießen morgen weniger contretemps finden mag, alß gestern! Ich war ahn meinem sohn geblieben, mitt welchem ich gestern abendts gesprochen. Ich habe von ihm wißen wollen, obs war ist, daß seine gemahlin ihm persuadiren wolle, nachts außzugehen undt nunder zu dem masquen im bal. Daß hatt er mir nicht allein gestanden, aber noch dazu, alß er gesagt, daß er es thue, mich zu beruhigen, hatt sie geantwort, ihre dochter de Berry mag[3] mir bang, umb ihn allein zu gouverniren, daß es tord ahn sein reputation thete, forcht deß leben zu erweißen. Ich bitte, sagt mir, liebe Louise, ob der lebendige teüffel in der hölle schlimmer sein kan, alß dießes weib! Sie fengt gantz ahn in ihrer mutter[4] staffeln zu tretten. Dieß vermehrt meine ängsten; den ich finde nicht, daß er bey seiner eygenen gemahlin in sicherheit ist. Gott wolle unß beystehen! Wir habens mehr von nohten, alß nie. Ihr könt gedencken, waß es eine ahngenehme sach vor mich ist, die dießen heüraht all mein leben wie ein greüel ahngesehen[5], daß ich nun noch dieße untrew finde undt diß verfluchte mensch alle tag vor meinen augen sehen muß; daß ist eine hollische qual. Sie kan nicht leyden, daß ihre kinder mich lieb haben wollen, hette auch gern, daß mein sohn mich undt seine kinder haßen solle. Auß dießer letzten geschicht laß ich Eüch uhrtheillen, ob die erste wahr ist, so ich Eüch, liebe Louissen, geschrieben habe. Diß alles macht mich trauerig undt gritlich, wie Ihr leicht gedencken könt, undt vergifft mir, so zu sagen, mein [045] gantzes leben. Den wie kan ich mitt dießen umbständen ein augenblick in ruhen sein? Es gereüet meinem sohn woll, mir mitt seinem heüraht nicht geglaubt zu haben, aber es ist zu spat. Gutt gemühte hatt daß weib nie gehabt; man [kann] nicht falscher sein, alß sie ist; daran legt sie allein ihren verstandt ahn. Die meisten leütte hir seindt, alß wen sie auß der höllen kämmen undt lebendige teüffel werden[6]. Es ist weder gemühte, noch danckbarkeit bey ihnen, nichts alß interesse undt nagende ambition, so ihnen alle boßheit erdencken macht. Sie geht alle tag auff ihr landtgutt. Waß ihrem herrn zugehört, kan sie nicht leyden, drumb hatt sie dieß landt, so 3 meill von St Clou ist, gekaufft; da helt sie auch ihre verteüffelt conferentzen. In jener welt wirdt sie woll davor zu andtwortten haben. Aber in dießer welt werde ich gestrafft, womitt ich nicht gesündiget habe; den ich mich ja von einem endt zum andern in dießen boßen heüraht auff alle wege opossirt habe. Aber hiemitt genung von dießen abscheüllichen sachen! Ich habe mir doch mein [hertz] ein wenig bey Eüch, liebe Louisse, erleichtern wollen, indem ich Eüch mein ellendt geklagt. Ich komme jetzt auff den bößen hertzog Max[7]. Wundert Eüch nicht, daß Eüch der patter[8] Wolff persuadiren wollen, daß hertzog Max ein gutt gemühte hatt undt unßere liebe churfürstin s., seine fraw mutter, [gut behandelt hat!] Dadurch solt Ihr meinen, daß er, der patter, ihm dieß gutt naturel eingepflantzt hatt. So seindt alle Jessuwitter. Mein beichtsvatter hatt seinen möglichsten fleiß ahngewendt, umb mich zu persuadiren, daß nicht daß geringste übel zwischen dem hertzog von Lotteringen undt madame de Craong vorgeht undt daß er sie sein leben nicht allein spreche. Ich lachte ihm ins gesicht undt sagte: Mon père, tenes ces discours dans vostre couvent à vos moines, qui ne voyent le monde que par le trou d’une bouteille, mais ne dittes jamais cela aux gens de la cour! Nous savons trop que quand un jeune prince, très-amoureux, est dans une cour, où il est le maistre, quand il est avec une fame jeune et belle 24 heure qu’il n’y est pas pour enfiler des perles, sur tont quand le mary ce[9] lève et s’en va si tost que le prince arive, et pour les tesmoin qui sont dans la chambre, cela n’est pas vray, mais quand cela seroit, ce sont tous domestique à qui le maistre n’a qu’a faire [046] un clin d’œuil pour le faire partir. Ainsi, si vous croyes sauver vos père Jessuiste qui sont les confesseur, vous vous trompes beaucoup, car tout le monde voit qu’ils tollerent de double adulterre[10]. Père de Lignière[11] schwig still undt hatt seyderdem nicht mehr davon gesprochen. Also segt Ihr, liebe Louisse, wie die Jessuwitter sein. Also soll es Eüch nicht wunder nehmen, waß Eüch hertzog Max sein patter Wolff hatt persuadiren wollen. Der könig in Englandt hatt sein leben kein vertrawen zu mir gehabt, ob ich ihn zwar sehr lieb gehabt, mehr weillen er ma tante sohn war, alß weillen er mein geschwisterkindt ist. Aber ich dencke hirin, wie die sententz laut, so unßer schreibmeister, der, wo mir recht ist, auch der Ewerige geweßen, alß hatt schreiben machen:
Waß nicht zu endern stehet,
Laß gehen, wie es gehet![12]
Der könig hatt gemeint, Eüch einen gefahlen zu thun, nach mir zu fragen, undt vielleicht geforcht, Ihr mogtet ihm, wie billig war, waß abfordern; hatt also lieber von mir sprechen wollen. Ich cedire meinem sohn gar gern alle freündtschafft, so er zu mir tragen mag. Der hertzog von Lotteringen ruinirt seine leibliche kinder, die Craong undt ihren man reich zu machen. Es ist war, daß der hertzog tödtlich kranck geweßen; nun aber ist er vollig courirt, gott lob! Mein dochter leydt ein fegfeüer in dießer welt[13]. Es seindt nun 2 Geningen[14] hir, ein großer blunder undt ein mittelmäßiger schwartzer, so man mir gestern pressentirt hatt; der blundt ist der, so auß Engellandt kommen ist. Ich mag woll leyden, wen junge leütte von qualitet woll studiren; sie solten doch, ehe sie sich in gelehrten sachen mischen, ein wenig weißen, daß sie hertz haben, sonsten kompt es gar zu dockterisch herauß. Ey, liebe Louise, habe ich Eüch nicht schon genung gesagt, daß ich es vor ein vertrawen auffgenohmen, daß der graff von Degenfelt mich zu gevatter gebetten, undt daß es mir gar nicht zuwieder geweßen? Also spart Ewere complimenten hirüber! Ich wolte, daß ich meinen gevatter dinnen könte; wolte es gern thun, aber mein pouvoir ist kurtz. Apropo vom Kurtz von Can, ist gar gewiß ein lügener undt betrieger undt sonst nichts. Die arme königin von Spanien kan nicht viel gelt [047] geben, sie wirdt bitter übel auß[bezahlt]; es ist eine rechte schandt, wie man sie lest. Der Kurtz spilt ein recht spiel, ahn den galgen zu kommen. Wie konte ich errahten, daß er eine große fraw bey sich hette, wen er mich nicht durch die fraw von Rotzenhaussen hette bitten laßen, zu erlauben, daß sie mir die reverentz macht? Es muß gar etwaß geringes sein, sie sicht gar plumb undt bäuerisch auß; aber, wie Crispin sagt:[15] Monsieur veaut bien madame undt madame veaut bien monsieur, [so kann man] von dießem schönnen par [sagen]. Ich sehe meinen sohn so selten, undt wen ich ihn sehe, habe ich ihm sonst so viel zu sagen, daß ich gantz vergeßen, ihm nach dem generalmajor Francheville zu fragen. Waß mich soubçoniren macht, daß auch nicht viel darhinder ist, ist, daß er sich generalmajor heist. Dern seindt keine hir; die auß hießigen dinsten gangen, nimbt man nicht leicht wieder ahn. Ich glaube, daß, wen der könig in Preüssen dem keyßer alle [s]chelmerey berichten wirdt, so er ahm berlinischen hoff ahngestelt, wirdt er ihn hencken laßen, wie er es nur zu woll verdint hatt. Man spricht nicht mehr hir von deß königes in Preussen kopffschmertzen, muß vorbey sein. Ich bin nicht gern kranck, schonne mich, so viel ich kan, bin nun, gott lob, sehr woll, aber bey so alten weibern, wie ich bin, wehrt es ordinari nicht lang. I. G. s., mein herr vatter, ist woll mitt trabanten in die h.-geist-kirch gefahren, aber sein leben nicht mitt paucken undt trompetter; daß schickt sich nicht zu der kirch. Der könig s., der in allen kleinen undt großen reißen paucken undt trompetter gehabt, ist auch nie mitt in die kirch. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwort, bleibt mir nur überig, Eüch zu versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
P. S.
Ich bitte Eüch, liebe Louisse, brendt dießen brieff, wen Ihr ihn werdt [ge]leßen haben, undt verdoppelt Ewer gebett vor meinem sohn undt mir! Ihr segt, wie hoch wir es von nöhten haben.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 25. Februar 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 43–47
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b0996.html
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