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Brief vom 5. März 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


998.


[051]
Paris den 5 Mertz 1719, umb 7 morgendts (N. 60).
Hertzallerliebe Louisse, wen man 9thalb stundt im bett gelegen, kan man woll ohne scrupel auffstehen undt umb 7 schreiben undt auff Ewer liebes schreiben vom 18 Feb., no 14, andtwortten. Es konte nicht fehlen, daß Ihr zwey von meinen schreiben auff einmahl bekommen müstet; den ich fehle keine eintzige post. Also wen Eüch eine post fehlt, liebe Louise, muß die ander wieder einbringen. Mylord Stairs kam gestern morgendts zu mir. Eß ist nicht wahr, daß seine schönne kutsch bestohlen worden; were woll schade, ich habe mein leben keine schönnere kutsch gesehen. Seine 4 andere kutschen seindt auch gar schön, kommen aber dießer nicht bey. Ich glaube, daß der abgesandten einzug auff ihres herrn undt nicht auff ihren kosten geht. Eine entrée von einem abgesandten ist keine ohnnöhtige despence, es thut ja seinem herrn ehre ahn. Dießes abgesanten entrée ist viel magnificker geweßen, alß deß keyßerlichen abgesante[n], ob selbige zwar auch magnific [052] war[1]. Ich glaube, daß die vom englischen hoff solche sachen beßer verstehen, alß unßere gutte, ehrliche Teütschen, wie der graff von Königseck ist; die meinen es auch beßer mitt ihrem herrn, alß alle Engländer. Vor dießem wahren die Frantzoßen ihrem könig auch trew, aber daß ist nun sehr geendert; seyder sie so gar hoffartig undt interessirt geworden, deügen sie in general nichts mehr; in particulier findt man noch gar ehrliche leütte von mäner undt weibßpersonnen, aber in allem ist es sehr rar. Die Engländer haßen alle ihre könige undt können doch nicht ohne könige sein, wie die Poln. Ich mögte weder könig in Englandt, noch könig in Poln sein; den ich haße den tumult undt liebe die ruhe. Man hatt zu wenig zeit zu leben, umb sich so zu plagen, undt wen man stirbt, hatt man nichts davon, alß im krieg die meisten leütte unglücklich gemacht zu haben, wovon man hernach in jener weldt verantwortten muß. Ich glaube nicht, daß der itzige könig in Englandt sich sehr zu zwingen wirdt haben, seinen hoff hirin zu gefahlen, sparsam zu sein; den, wie ich von viellen gehört, so handt[2] er eine starcke inclination darzu, undt der printz solle auch nicht weit davon sein. Der duc d’Argille hatt ordentlich abschiedt vom printzen von Wallis genohmen. Daß seindt doch wunderliche maniren in meinem sin. Die printzes sagt mir nicht, auß waß ursachen der duc d’Argile ihren herrn quittirt hatt; aber mich deücht, die printzes hatt keine große estime vor dießen mylord nie gehabt, undt wie ich sehe, so hatt sie kein unrecht gehabt. Bißher ist, gott lob, der husten undt schnupen nicht wider kommen; aber ich fürchte, daß es nicht lang werden[3] wirdt, den seyder vergangen mittwog hatt der frost wider auffgehört, es regnet seyder dem nacht undt tag, undt waß herunderfelt, ist wie ein geschmoltzener schnee, gar kalt undt feücht, ein recht wetter zu verkälten. Mein schlaff ist noch nicht wider eingericht, aber ich glaube, ich glaube, ich könte sagen, wie Pikelhäring, wen er mutter Annecken spielt: Daß thut daß liebe alter[4]. Daß kompt nie ohne gebrechen. Verdrießlichkeitten mögen auch woll dazu helffen; deren hatt man mehr, alß nöhtig were, alle tag waß neües undt selten waß guts, wie daß sprichwordt sagt. Ich nehme abendts alß, wie ich den husten hatte, daß eydotter, in sietig waßer geschlagen, mitt zucker undt zimmet; daß stilt den großen hunger. [053] Daß ist gar gewiß, daß, wen ich gar nichts nehme, wie ich es schon etlichmahl versucht, kan ich unmöglich schlaffen; aber wenig stilt meinen großen hunger. Selbigen tag, alß ich Ewer paquet sambt dem schreiben von cammerpressidenten[5] baron von Görtz, entpfangen, hatt mir der envoyes von Holstein, monsieur Du Mont, auch einen von ihm gebracht, so 10 tag hernach geschrieben war; den daß in Eweren paquet war vom 10 undt daß von monsieur Du Mont von 20 Februari. Mein sohn hatt mich versichert, daß er seine ordre außgeben vor die augmentation vors obersten Schwartz pension. Der ander brieff war, meinen sohn zu bitten, vor seinen neveu[6] zu solicittiren. Ich habe den neveu hir gesehen; in meinem sin hatt er eine gar böße undt unglückliche phisionomie. Ich mogte dem gutten cammerpressidenten woll gönnen, daß sein vetter nicht ins henckers handen mögte gelieffert werden, welches eine betrübte sache vor eine ehrliche famille undt leütte von condition ist. Mein sohn hatt geringe opinion von seiner recomandation in Schweden. Ich wünsche sehr, daß mein herr vetter, der erbprintz von Cassel, könig mag [werden]; den ob ich ihn zwar nicht personlich kene, habe ich ihn doch lieb, den in allen occasionen hatt er mir [054] distinction undt freündtschafft erwießen. Der itzige hertzog von Zweybrücken ist ein schlechter potentat undt woll der unahngenehmbste mensch in allem, in figur, in humor, in allem, so gott geschaffen hatt[7]. Er bildt sich ein, er gleiche mir wie zwey tropffen waßer. Hübscher, alß ich, ist er woll. Ich flattire mich, nicht so gar unahngenehm zu sein undt ein wenig mehr vernunfft zu haben. Seine gemahlin ist nicht recht gescheüt; es seindt zwey heßliche, widerwärtige schätzger zusamen. Ich bin fro, daß sie keine kinder haben; es müsten naren werden. Ich habe schon naren genung zu verwanten in dem rheinfeldischen geschlegt. Der landtgraff von Darmstatt hofft vielleicht, einen dochterman auß einen von dießen zweyen churfürsten zu machen. Ich habe noch kein[en] augenblick der zeit gehabt, ahn die fürstin von Usingen zu schreiben. Man ist abscheülich hir geplagt. Ich sehe meinen sohn selten, in der gantzen vergangen [woche] hab ich ihn nur in 7 tagen 2mahl gesehen; er ist accablirt von affairen, so nicht zu storen sein. Waß ich übereylt gethan, ist Ewere schuldt nicht. Danckt sie vor ihr compliment undt ahndencken! Es trost mich, wen ich sehe, [daß andere] auch so ein schlim gedachtnuß haben wie ich. Waß lust mögen die leütte nehmen, so schraubthaller machen, so viel wüstereyen hinnein zu setzen? Daß ist ja nicht artlich undt [kan] nur ein laquayen-lust sein. Ich muß lachen, liebe Louisse, daß Ihr mir entschuldigung macht, daß Ewere postaben[8] weitter von einander sein, alß ordinarie. Hettet Ihr mirs nicht gesagt, hette ichs nicht gesehen. Aber, liebe Louisse, Ihr schreibt zu viel mitt Ewern bößen augen. Mein gott, wie ist Schwetzingen verendert! Ich kan nicht mehr drauß kommen. Der baumeister von Heydelberg muß ein Düßeldörffer sein; den wer er ein Pfaltzer vom alten hoff, würde er sich eine lust gemacht haben, vor Eüch undt mir zu arbeydten. Die zwey schnecken mitt dem gebau dazwischen, wo mein bruder seeliger logirt undt man aß, war ja gar nicht gegenüber der advenue von Heydelberg, sondern mein apartement war es, daß geraht gegenüber die brück war, undt einig von der lincken war daß Heydelberger thor mit der advenue, so geraht gegen daß waltgen über war, undt über daß sicht man daß schloß zu Heydelberg. Auff der lincken geht man nach der kirch, auch nach dem weg von Manheim undt auch dem walt von Ketsch, [055] auff der rechten seytten aber geht man nach Offtersheim. So war alles zu meiner zeit. Ich sehe die 3 offenen gallerien oder balcons nicht mehr vor den gemachern, so zu meiner zeit da wahren. Adieu, hertzallerliebe Louisse! Ewer liebes schreiben undt[9] durchauß beantwortet, bleibt mir also nichts mehr überig, alß Eüch, liebe Louisse, zu versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
P. S.
Umb 11 morgendts.
In dießem augenblick entpfange ich Ewer liebes schreiben von 21 Feb., no 15, werde es, wie ordinarie, sparen vor die ander post.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. März 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 51–55
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b0998.html
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