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Brief vom 11. März 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1000.


[058]
Paris den 11 Mertz 1719, umb 3/4 auff 5 (N. 62).
Hertzallerliebe Louise, weillen ich noch 3 viertelstundt hir in meiner cammer zu sein habe, will ich Ewer liebes von morgen [059] ahnfangen, aber erst morgen außschreiben. Morgen werde ich außschreiben. Aber da kompt mir verhindernuß, mademoiselle de Rochesurion[1]. Ich komme jetzt eben von madame la princesse, so, gott lob, wieder woll ist. Ich habe zu madame de Berry gewohlt, allein sie war außgefahren. Da rufft man mich, in die commedie zu gehen. Da komme ich wider auß der commedie. Aber da kompt mein sohn herein; ich habe ihn gefragt wegen der fürstin von Ussingen. Ihr sach kan ohnmöglich ahngehen, sie komme den auff frantzöschen boden wohnen; den seyder kurtzen ist ein neü edit deßwegen außgangen, weillen die von Genua sehr von der permission, sich naturallissiren zu laßen, abbussirt haben. Ich werde es der fürstin morgen selber schreiben. Ich bin fro, daß die post nun wider eingericht ist, liebe Louisse! Den es ist so verdrießlich, wen man schreibt undt nicht sicher ist, daß die, ahn wen man schreibt, die brieffe bekommen. Ich beklage Eüch von hertzen, wen Ihr kein beßer vergnügen habt, alß meine albere schreiben, liebe Louise! Die freündtschafft kan sie Eüch allein leyden machen. Ich gestehe, daß ich gern histörger verzellen höre, alß von avanturen, aber insonderheit von gespensten undt hexereyen. Ich dachte, noch biß ahn 9 fortzuschreiben, aber da kompt madame la duchesse de Berry herrein, muß also eine pausse machen biß morgen.
Sontag morgendts, den 12 Mertz, umb 7 morgendts.
Hertzallerliebe Louisse, ich habe gestern meinen tag mitt Eüch geendet, heütte fange ich ihn wieder mitt Eüch ahnfangen. Madame de Berry blieb zu lang gestern, umb lenger zu schreiben können, Ich muß mich aber eyllen, weillen ich heütte morgen viel zu schreiben [habe]; ich muß ja noch ahn mein dochter undt die fürstin von Nassau-Ussingen schreiben, welches mir nicht wenig mühe kosten wirdt; den ich schreibe bludtsungern ahn leütte, so ich nicht kenne. Ich glaube nicht, daß dieße fürstin Teütschlandt verlaßen wirdt undt sich auff frantzöschen boden zu setzen, wie ich Eüch schon gestern gesagt habe. Ich muß lachen, daß die fürstin von Ussingen meindt, ihrer schwester, madame de Dangeau, keinen tord zu thun, wen sie ihr genohmen hette, waß sie hir besitzen kan; daß heist, wie man hir im sprichwordt sagt: Chacun pour soy, [060] dieu pour nous tous. Aber so ist daß lieb haben in dießer welt nun beschaffen. Ich kan woll durch Wendt erfahren, waß daß naturallisiren kost; den er hatt sich naturallisiren laßen, umb sein[e]r frawen s. gütter zu genießen können, welche sie ihm vermacht hatt. So baldt ich es wißen werde, will ichs Eüch, liebe Louisse, berichten. Von die winde werde ich nichts mehr sagen. Zu Paris glaubt man keine hexsen undt brendt auch keine[2]. Ihr wehret I. G. unßers herrn vattern dochter nicht, wen Ihr ahn hexerey glauben könte[t]; den der war weit von aberglauben. Wen gifft bey denen mitt unterlaufft, so man vor hexen helt, oder sacrilegen, kan es nicht hart genung gestrafft wehren[3] undt hette ich kein scrupel, solche leütte brenen zu laßen; aber daß sie verbrendt, umb auff beßen oder mistgablen durch camin zu fahren, sich in die winde verstecken, zu katzen machen[4] undt dergleichen unglaublichen sachen, daß solte man nicht thun. Die historie von dem rohten bandt ist artlich; ich mogte wißen, waß weitter auß dießer galanten oder vielmehr desbeauchirten damen geworden ist, undt wen Ihr noch mehr historger von hexsen erfahren könt, werdt Ihr mir gefahlen thun, sie zu berichten. Ich habe letz[t]mahl nicht recht geleßen. Ihr sagt, daß die 2 talckschachteln 4 thaller thewerer sein, alß die 2 ersten wahren; so hab ich geleßen 4 thaller düner; drumb habe ich letztmahl geschrieben, daß ich keine thaller in dem paquet gefunden hette. Ich habe diese letzten viel artlicher funden, also billig, daß sie ein wenig mehr bezahlt werden. Sie thun aber narisch dran, theüerer zu verkaufen; den geben sie es wollfeyller, würden sie den zulauff haben. Es war nicht vor meine kindern, sondern vor madame de Chasteautier[5] undt noch eine andere dame, so sie sehr lieben. Madame de Chasteautier hatt sich gestern den gantzen abendt mitt daß, so ich ihr geben, amussirt. Man hatt viel exempel, daß kinder undt auch große leütte, so die waßerblattern gehabt, die rechten im selbigen jahr wider bekommen haben. Jalousie ist eine lange kranckheit undt courirt nicht wie die blattern undt zicht lautter boßes nach sich; beyde seindt zu beklagen drüber. Mitt allerhandt humoren kan man zu recht kommen, außer die jalousie; da kan man sich nicht vor hütten. Man hatt mir gesagt, [061] der pfaltzgraff von Sultzbach wer[6] schönner, alß sein jüngster herr bruder, der ahn die schonne mademoiselle de Clermon[t] gleicht, alß wen er ihr herr bruder were; also müste der elste gar schön sein, wen er hübscher, alß der jüngste, ist. Wen unßere teütsche damen gallant wollen thun, stehets ihnen bitter übel ahn; aber eine geheürahte fürstin, so ein kindt hatt, kan nicht mehr gehoffmeisterirt werden, sie muß sich selbsten zu helffen wißen. Aber man solte in acht nehmen, ob keines von ihren freüllen ihr die gallanterie in kopff bringt, undt selbige fortschaffen. Die sültzbachische kinder haben daß, sie haben schönne figuren, seindt aber einfaltig, daß einer drüber lachen muß. Fordern, waß einem gehört, liebe Louisse, ist keine betteley. Hetten Ewere niepçen nicht ahn der sum 12500 fl., würdet Ihr es nicht gefordert haben undt thetet übel. Ihr waret gar nicht schuldig, vor Churpfaltz zu zahlen; darauff hettet Ihr nichts lehnen sollen. Man ist nicht schuldig, zu geben, waß man nicht hatt, noch weiß, ob mans bekommen wirdt oder nicht. Darinen thut Ihr Ewere niepcen selber tord; den wie sie Ewere erben sein, macht Ihr ihnen schulden nach Ewerm todt, welches sie Eüch keinen danck wißen. Glaubt mir! despouillirt[7] Eüch nicht! In dießer welt ist alles der enterung unterworffen. Sorgt erst vor Eüch selber! daß ist daß nöhtigst. Von verwanten gnaden leben wollen zicht allezeit reü nach, soltens auch leibliche kinder sein, will geschweygen neveux undt niepcen. Ich dancke vor die schriefft von dem studenten auff dem Alberoni; ich finde es all artig. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet. Wir haben nichts neües hir, viel histörger von leütte, so Ihr nicht kendt, die nicht schön heraußkommen. Adieu, liebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch allezeit recht lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 11. März 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 58–61
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1000.html
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