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Brief vom 25. März 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1004.


[068]
Paris den 25 Mertz 1719 (N. 71).
Hertzallerliebe Louisse, ich fange heütte ahn, zu schreiben, werde aber erst morgen abendts dießen brieff verfertigen[1], hoffe, heütte undt morgen die verlohrne zeit wider einzubringen; aber dießen morgen nicht, den es ist heütte mein Bibel-tag, habe schon 4 psalmen, 4 im alten undt 4 capittel im neüen [Testament] geleßen. Apropo von Biblen. Ein pfarer von Berlin hatt mir ein neü Testament geschickt; der es gemacht, heist monsieur Lenfant[2]; der es mir geschickt, heist monsieur de Bosobre[3]. Ich bilde mir ein, daß Ihr die zwey pfarer kennen werdet. Es solle etwaß schönes undt gantz unparteysch sein, wirdt mir gefahlen; den die partialische sachen kan ich nicht leyden. Aber ich komme jetzt, eine pausse zu machen. Dießen abendt werde ich Eü[c]h weyder entreteniren.
Sambstagen, den 25 Mertz, umb 6 abendts.
Es ist heütte ein groß fest, Marie verkündigung; drumb bin ich ins closter von den Carmelitten gefahren, wo wir gebett haben. Da komme ich eben wieder her. Ich komme ahn Ewer liebes schreiben vom 7, no 19, wo ich vergangenen donnerstag geblieben war. Mylord Stair[4] hatt mich gestern recht aufffahren [gemacht], sagte mir gantz trucken herauß, man sage in Englandt, mein sohn were assasinirt worden undt der keyßer lege kranck auff den todt, hette die letzte öhlung entpfangen. Waß mich ahn dießer sach verdriest, ist, daß ich sehe, daß die caballe, so gegen meinen sohn ist, allezeit daß assasiniren im kopff haben undt dieße zeittung außbreytten, zu sehen, wie es wirdt auffgenohmen werden. Undt [069] daß sie den bößen vorsatz noch immer haben, daß macht mich heütte recht grittlich, insonderheit weillen, unter unß gerett, die duchesse de Berry ihrem herrn vattern in ein hauß, nahe bey Versaillen, zu nachteßen [geladen]; seindt erst umb 3 nach mitternacht nach hauß kommen. Also setzt sie ihren herrn vattern nicht allein in rechte lebensgefahr, sondern auch sie verliehren beyde ehre undt reputation dabey; da wehre noch viel von zu sagen. Ich will lieber von waß anders reden; den je mehr ich hirvon rede, je gridtlicher undt traweriger werde ich. Komme also auff Ewer liebes schreiben, wo ich letztmahl geblieben war. Wen ich offt zurück gedencke … Aber da kompt madame de Berry herrein, ich muß wider eine pausse machen undt auff morgen verschieben.
Sontag, den 26, umb halb 7 morgendts.
Ich habe gestern abendts meinen tag mitt Eüch geendet, undt nachdem ich meine morgendtsgebetter vericht, fange ich meinen tag mitt Eüch wider ahn. Ich war gestern umb halb 10 in mein bett, bin alß[5] 9thalb stundt im bett gelegen, welches lang genung ist. Ich komme, wo ich gestern abendts geblieben war. Ich muß die duchesse de Berry doch entschuldigen. Sie hatt sich woll bey mir verantwortet. Mein sohn ist nicht in ihrem hauß geweßen, sondern hatt seine metrès nach St Clou mitt viel andere volseüffer nach St Clou geführt, wo sie den gantzen tag gefreßen haben. Ich glaub, mein sohn schämbt sich, [daß er] dieße sotisse gethan hatt; den er ist seyderdem nicht zu mir kommen. In Franckreich kan nichts in der stille geschehen; fürsten haben daß unglück hir im landt, daß sie keinen schrit thun können, daß es nicht die gantze welt weiß. Ihre eygene leütte seindt ihre ärgste feinde; den alle Frantzoßen seindt so neydisch gegen einander, daß umb zu daß die, so beßer dran sein, alß sie, die herrn verdorben undt zu laster ahnreitzen, sagen sie alles, waß sie wißen oder nicht wißen[6]. Also kan bey leütten, wie mein sohn ist, nicht[s] geheim bleiben. Von den beichtsvättern hab ich Eüch schon letztmahl geschriben, welche beschaffenheit es mitt hatt. Alle Jessuwitter wollen, daß man ihr orden vor perfect undt ohne eintzigen fehler halten solle; derowegen wollen sie allezeit alles entschuldigen, waß, wo die beichtsvatter [070] sein, vorgeht. Drumb habe ich auch meinen beichtsvatter blatt herauß gesagt, daß, waß zu Luneville vorgeht, nicht kan entschuldiget werden undt daß leicht zu begreiffen ist, daß deß hertzog beichtsvatter ihm durch die finger sicht undt daß weder er, noch keiner von den lotteringischen Jessuwittern von Luneville niemandts wirdt waß weiß machen können undt daß es ein recht offendtlicher ehebruch ist undt daß, je mehr sie den hertzog undt seine zot zum h. abendtmahl gehen [machen], je mehr ärgernuß undt scandal es geben wirdt[7]. So gritlich ich auch bin, muß ich doch lachen, daß Ihr den nahmen von der Craong verschrieben habt undt sie Croan heist. Es ist nicht zu beschreiben, waß der hertzog den leütten … Es ist noch nicht lang, daß Craong ein gutt von 11 mahl hunderttaußendt francken gekaufft, undt von ihnen selben weiß jederman, daß sie arm wie Hjob sein, recht bettelarm[8]. Sie ruiniren den hertzog durchauß; den Craon, so premier minister ist, zieht alles zu sich, bezahlt nicht einmahl die bedinten; es ist der woll bezahlste hannerey, so in der welt kan gefunden werden. Ich kan der fürstin von Ussingen auff ihrem schreiben nicht andtwortten, biß ich weiß, ob sie resolvirt ist, auff königlichen franckr[e]ichische[n] boden zu wohnen. Sonsten kan sie ohnmöglich naturallisirt werden; den sachen, so mitt edit passirt sein, kan man nicht endern. Die gutte madame de Dangeau ist noch nicht woll, hust erschrecklich; sie hatt doch, gott lob, kein fieber mehr. Waß mich hatte glauben machen, daß madame de Dangeau unrecht geschehen konte, ist, weillen man die sach will heimblich vor ihr halten. Aber daran liegts nicht, sondern, wie schon gesagt, daß man nicht mehr naturalissiren kan, die, so es begehren, seyen den auff frantzöschen boden wohnhafft. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vom 7, no 19, vollig [beantwortet]. Ich komme jetzt auff daß vom 11, no 20, welches daß letzte ist, so ich von Eüch, liebe Louisse, entpfangen habe. Ihr segt leyder, liebe Louisse, daß ich leyder weniger, alß nie, ursach habe, in ruhe zu sein. So lang, alß meines sohns regence dauern wirdt, werde ich keine ruhe haben, undt gott weiß, wen ich hernach noch im leben werde sein, ob ich es werde haben; den meines sohns feindt laßen [071] sich schon verlautten, daß, wen der könig in die majoritet[9] tretten, wollen sie ihn solche handel ahnmachen, daß der könig sein leben kan[10] vertrawen zu ihm wirdt haben können undt er sich glücklich schätzen solle, mitt dem leben davon zu kommen. Also habe ich gar keine ahngenehme perspectiven vor mich, entweder den todt oder ein betrübtes undt verdrießliches leben. Aber man muß sich woll in den willen gottes ergeben undt hoffen, seine sünde zu büßen undt sein creütz zu tragen. Man hatt selten exempel hir, daß leütte müde werden, bößes zu thun; viel eher wirdt man müde, guts zu thun. Woll zu leben, wie Ihr thut, liebe Louise, ist doch der rechte weg, heylig zu werden; den alle, die es geworden, wahren keine engel, sondern alle menschen, wie Ihr seydt; undt die demuht, so Ihr habt, ist doch nicht die geringste staffel dazu. Im himmel ist man heyllig, auff erden aber muß mans werden. Meiner freündtschafft seydt ist[11] gewiß schon würdig undt darumb habt Ihr sie auch. Vor gutte hertzen ist gutter willen schon genung. Die Frantzoßen seindt in dem fall unleydtlich, daß sie alle frembt[en] nationen recht haßen undt nur nach ihrem interessen leyden können. In Englandt solle es ebenso sein. Die Teütschen haben nur zu wenig abscheü; alles gefelt ihnen ahn Frantzoßen biß auff ihre abscheülichste laster. Die fraw von Zachman, ob man sie zwar hir schön gefunden, hatt sich doch woll undt tugendtsam gehalten undt ist gar nicht coquet geworden, hatt sich hir sehr deßwegen loben [machen]; den hübsch undt nicht coquet zu sein, ist etwaß gar rares hir. Es freüet mich allemahl, wen ich noch affection vor mich bey den gutten, ehrlichen Pfaltzern verspüre. Der Eberfritz[12] ist gar zu lang mitt mir umbgangen in unßern jungen jahren, umb daß seine fraw nicht von mir hette sprechen hören, undt die fraw von Degenfelt kan auch woll von mir gehört haben von ihrem man, meinem gutten freündt, herr Max. Von den Bernstein kene ich keinen mehr, alß den, welcher eine zeit lang mitt sein[e]r tanten Lenor hir bey mir geweßen. Waß ich ahn die fraw von Zachman geben, seindt nur a-la-mode-poßger, aber nichts magnifiqs. In dem standt bin ich leyder nicht, viel magnifiqs zu geben. In der printzes von Wallis letztes schreiben findt ich noch keine aparentz von vergleich zwischen den könig in Englandt undt ihnen, welches mir [072] hertzlich leydt ist. Ich kan nicht glauben, daß dießer könig bey itziger unruhe nach Hannover kan. Der hanoverischen damen schönne kleyder wer[d]en sein, wie man hir sagt: Jetter sa poudre au moineau[13]. In dießem augenblick entpfange ich Ewer liebes schreiben vom 14, no 21. Dancke sehr vor die 2 schönne historien von geister; die erfreüen mich recht undt dienen mir zur conversation bey madame d’Orléans, deren ich sonsten nicht viel zu sagen habe, wie Ihr leicht gedencken könt. Ich werde erst zukünfftige post auff Ewer frisches liebes schreiben andtwortten, heütte aber dieß alte jetzt noch beantwortten. In mein paquet von no 62 werdt Ihr eine[n] brieff vor die fürstin von Ussingen gefunden haben. Mein sohn hatt auff alle weiß gesucht, die sach zu threhen, umb die fürstin zu contentiren; allein der letzte edit hatt alles über einen hauffen geworffen, es seye den, daß sie, wie schon gesagt, hir im landt wohnen komme, oder auff wenigst auff königlichen gebieht. Ich habe mich weytter nicht informirt, waß die naturalitet kost. Die unkosten seindt hir zu starck, umb baldt reich zu sein können undt überf[l]üßig zu haben. Ein jeder muß woll nach seines standts gebühr leben; alles wirdt taglich thewerer, den seyder ein jahr her ist alles noch umb die helffte theüerer gewordten. Eßen, drincken, kleyder, meuble, alles in einem wordte biß auff die haßelnuß kosten den dobelten wehrt. Der herr von Dörnberg muß sich zu starck ahngegriffen haben, daß er so krank davon geworden; were woll eine gnade gottes, wen ihn daß bekehren könte. Die historie ist possirlich, hatt mich lachen machen; es solte allen gallanten damen so gehen, umb sie zu corigiren, so würde es nicht so viel geben. Hiemitt ist Ewer lieben[14] letztes schreiben auch durchauß beantwortet; nur noch sagen, daß Ihr groß unrecht gehabt hettet, Eüch die mühe zu geben, Ewern brieff abzuschreiben; es war nicht der geringste fehler drinnen. Muß noch sagen, daß ich negst Ewer liebes schreiben vor einer stundt ein brieff von mademoiselle de Malause bekommen. Die schreibt, daß deß graff Degenfelts eltstes freüllen noch gar kranck, aber die jüngste wider frisch undt gesundt ist. Da ruhet mein seegen auff, drumb ist sie wider gesundt worden. Wir haben heütte nicht die geringste zeittung hir, muß alßo enden [073] undt vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch, liebe Louise, von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 25. März 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 68–73
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1004.html
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Tintenfass