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Brief vom 30. März 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1005.


[073]
Paris den 30 Mertz 1719, umb 7 uhr morgendts (N. 72).
Hertzallerliebe Louise, gestern abendts umb 9 uhr habe ich Ewer liebes schreiben vom 18, no 22, zurecht entpfangen sambt der schonnen medaille von der englischen undt spanischen seeschlagt, wofür ich Eüch von hertzen dancke. Die printzes von Wallis hatt mir keins geschickt, ist mir also gantz neü. Freylich lieb ich auch die modern medaillen; ich habe schon 2 kistger voll davon gesamblet; also werdet Ihr mir einen großen gefahlen thun, mehr zu schicken. Es were nicht billig, daß es auff Ewern unkosten geschehe; derowegen schreibt mir nur, waß sie kosten! werde ich es mitt danck bezahlen. Ich hoffe, mit erster post zu vernehmen, daß Ihr meine bezahlung vor die talckbilder werdet entpfangen haben; den es solle mitt mein schreiben vom no 62 ahnkommen von 11 dießes monts. Weitter werde ich nichts auff Ewern liebes schreiben vom 18, no 22, sagen undt heütte nur auff daß vom 14, no 21, andtwortten, welches ich letzte post nicht habe beantwortten können. Ich hoffe, daß der schnupen, so Ihr nun habt, Eüch daß … so reinigen wirdt, daß Ihr keine flüße mehr auff den augen bekommen werdet; auffs wenigst wünsche ich es von hertzen. Vor die rohte in den augen, wen bludt drin geschoßen, ist ein gar leicht mittel gar gutt; ich habe es probirt, nehmblich die augen mitt weiß roßenwaßer, worinen ein wenig weiß zuckercandie verschmoltzen, undt ein wenig waßer zu waschen undt einen tropffen ins aug zu tropffen laßen; es beist ein wenig, heilt aber gar gewiß. Ich habe dieß remedium von jungfer Colb, meiner geweßen hoffmeisterin, welche so lange mit unßer tante, printzes Elisabeth, die abtißin von Herfort, zu Berlin geweßen. Da war damahlen ein gar berümbter docktor. Printzes Elisabeth bekam erschrecklich augenwehe, der docktor gab ihr ein waßer, daß courirte sie. Wie sie wieder von Berlin verreißen solte, batt sie den docktor, ihr daß recept von dießem kostlichen waßer zu geben; da fandt es sich, daß es nichts anderst war, alß waß ich obgemelt. So balt mir röhte in den augen kam, machte [074] mich jungfer Colb mitt dem waßer die augen waschen offtmahl deß tag; in 24 stundten war ich courirt. Wünsche, liebe Louise, daß es Eüch so woll, alß mir, bekommen mag. Daß Nürnberger pflaster muß seinen effect noch nicht gethan haben, weillen ich in Ewern letzten schreiben gesehen, daß Ihr noch nicht woll seydt. Seyder die gantze woche frirt es mitt einem so scharpffen nordtwindt, daß man fürcht, daß alles obst dahin ist. Die aber gar gern gar kalt trinckt[1], erfrewen sich sehr über dieß wetter; den man hofft, die eyßgruben zu füllen. Ich vor mein theil hette lieber pfirsing geßen, alß so kalt gedrunken. Aber man muß woll alleß ahnnehmen, wie es gott schickt. Es ist gar gewiß, daß meine sorgen undt inquietuden mich offt ahm schlaff verhindern. Wen ich 3 oder 4 nachte geweßen, ohne woll zu schlaffen, schlaff ich 2 oder 3 wieder woll. Es ist kein wunder, daß ich in sorgen bin; den alle tag erfahrt man neüe verrahterey. Vorgestern geht der duc de Richelieu zu marquis de Biron, so mein sohns gutter freündt ist, thut hundert protestation von sein attachement ahn meinem sohn, pressirt, daß man ihn abfertigen solle, zu seinem regiement zu reißen. In eben selbiger zeit intercepirt[2] mein sohn ein schreiben vom Alberonie ahn dießen impertinenten duc, worinen seine verrahterey sonnenclar ist. Also hatt ihn mein sohn ihn gestern im bett aufffischen laßen, nur die zeit zugeben, sich ahnzuthun, undt ihn in die Bastillen geführt, wie auch den marquis de Sailliant, so deß gouverneurs von Metz neuveu ist, so auch in den brieff genent ist[3]. Dießer hatt die schlimbste reputation auff alle weiß, ein spieller, so immer betrigt, ein gar unehrlicher man, ohne hertz, so in der armee davon geloffen, in einem wordt ein nichtswürdiger mensch. Der duc de Richelieu wirdt viel threnen in Paris kosten, den alle damen seindt in ihm verliebt. [075] Ich kans nicht begreiffen; den es ist ein klein krötgen so ich gar nicht artig finde, hatt keine minen, noch weniger courage, ist impertinent, untrew, indiscret, redt übel von allen seinen metressen. Jedoch ist eine printzes vom königlichen geblüdt so verliebt von ihm, daß, wie seine fraw starb, wolte sie ihn mitt aller gewalt heürahten; aber ihre fraw mutter, groß fraw mutter, noch bruder habens nicht zugeben wollen, haben woll groß recht, den außer, daß die qualitet nicht gleich ist, so were sie all ihr leben mitt dießem dollen menschen unglücklich geweßen, so gar nichts deücht. Ich heyße ihn allezeit Hintzelman[4]; den er gleicht dießem boldergeist, wie zwey tropffen waßer. Aber hiemitt genung von dem unwürdigen menschen gesprochen! Ich komme wider auff Ewer liebes schreiben; aber da kompt man mir sagen, daß man meinem sohn zur ader gelaß[en], muß ein wenig nüber, zu sehen, wie er sich befindt.
Donn[e]rstag, umb 9 morgendts.
Da komme ich wider. Man hatt meinem sohn eine abscheüliche aderläß gethan, drey große paletten undt 3 theller voll gelaßen. Ich fürcht, es sey zu starck vor einen menschen, so nacht undt tag arbeydt, wie er thut. Aber die docktoren andtwortten, es muß so sein, umb den lebensgeistern platz zu geben. Dem seye, wie ihm wolle, so ist die sach geschehen. Da kompt wider eine interuption, deß konigs leibdocktor; diß hatt mich wieder eine halbe stundt auffgehalten, kan Eüch doch noch ein par stundt entreteniren, wen mir gott sonst keine verhindernuß schickt. Den monsieur Teray will mir heütte nicht erlauben, in die predig zu gehen, sagt, es were zu kalt in der kirch (den es friert noch gar starck heütte) undt ich mogte husten undt schnupen bekommen, so mir allezeit sehr schädtlich ist, den ich habe montag undt dinstag den grünen safft genohmen. Ich kene auch viel leütte, so sein, wie die, wovon Ihr sprecht, die sagen, daß sie alle ihre sorgen unter daß kopffenküßen[5] stecken undt woll schlaffen. Aber die dieße kunst können, fühlen wenig. Daß gott alles allein beschützen kan undt daß man ihn allein drumb ahnruffen muß, daß ist gar war; aber [da] wir gottes willen nicht wißen, auch alle so sündtliche menschen sein, [076] daß wir mehr straff zu fürchten, alß erhörung zu hoffen haben, kan man daß sorgen nicht laßen, insonderheit wen so viel aparentz zum übel ist, alß wir leyder hir haben. Gott woll unß beystehen! Ich habe der fürstin von Ussingen brieff nicht übel gefunden, aber nicht drauff andtwortten können, biß ich die andtwort eygendtlich erfahren. Ich bin recht in sorgen wegen ihre fraw schwester, madame Dangeau; daß fieber hatt sie seyder sontag nicht verlaßen, ob man ihr zwar schon 2 mahl zur ader gelaßen. Sie hatt einen schlimmen husten undt speyt ein wenig bludt, ist schwach undt von natur sehr delicat. Es were mir recht von hertzen leydt, wen sie sterben solte. Ewere erinerungen haben mich nicht geplagt. Ewer geisterhistorien haben mich recht divertirt undt alle die, so ich es verzehlt. Aber ich glaube, daß die dame von Darmstat eine fourberey[6] ist; den der herr von Walbrun, so deß printzen von Durlachs hoffmeister ist, hatt mir vor zwey tagen gesagt, daß daß steinwerffen endeckt seye undt daß es ein küchenbub mitt schleüdern auß der küchen herauß geworffen hette; diß wirdt auch woll so etwaß sein. Einer geheürahten jungen frawen, so einen jungen man hatt, zu prophezeyen, daß sie baldt ein kindt bekomen wirdt, deücht mir keine gar große kunst zu sein; da gehört kein hexenwerck zu, kan gar naturlich zugehen. Ich glaube, daß Ihr baldt gutte zeittung von Ewern petitte niepce haben werdet; metger[7] seindt ein unkraudt, so sich nicht leicht außtilget, undt mich deücht, man findt allezeit 10 weibsleütte gegen einem mansbildt. Nichts aber ist naturlicher, alß seine kinder zu lieben undt in sorgen vor ihnen zu sein, wen sie kranck sein; also die eltern doch zu beklagen sein. Ich habe ja lang undt offt genung zu Schwetzingen herumbspatzirt, umb es nicht zu vergeßen. Schwetzingen ist gar nicht kenbar mehr; nun die offenen gallerien zugebaut sein, kan sich keine cammer mehr gleichen. Es stehet ja nur bey Churpfaltz, daß schloß zu Heydelberg wider in ehren zu setzen undt zu verhindern, daß es keinen gefangnuß gleicht. Er laße es wider zu recht machen! Daß were ja beßer, alß weytter zu Schwetzingen [zu bauen], undt mehr grandeur, vor daß stamhaus zu sorgen, alß vor ein jagthauß. Hiemitt ist Ewer erstes liebes schreiben exact beandtwort, daß andere verspare ich vor die sontagspost. Hiemitt aber werde [077] ich nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte, liebe Louise!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. März 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 73–77
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1005.html
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