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Paris den gründonnerstag 1719, umb 11 uhr morgendts (N. 74).
Hertzallerliebe Louise, ich komme jetzt eben von der
pfarrkirch, wo ich, gott lob, zum h. abendtmahl gangen bin.
Seyderdem habe ich waß zu thun gehabt. Nun will ich Eüch biß zum
eßen entreteniren. Ich habe gestern abendts, wie ich auß der
kirch kommen, habe ich umb 7 Ewer paquet hir gefunden (ich
bedriege mich, es war eine stundt hernach) vom 25 Mertz, no 24,
sambt den 8 schraubthaller. Ihr habt aber vergeßen, dabey zu
setzen, waß sie kosten, kan es also dieße post noch nicht bezahlen.
Bericht michs dan, sobaldt Ihr kont, waß es Eüch könt
[1], damitt
ichs mitt danck bezahle! Ich habe sie noch nicht besehen, sie
divertiren mich, wie die kinder. Heütte werde ich nicht auff dießes
letzte schreiben andtwortten, sondern auff daß von vergangene post
vom 21 Mertz, no 23. Es ist mir lieb, daß unßere brieff nun so
richtig gehen undt meine bezahlung nicht verlohren worden. Ich
bin auch fro, daß daß porte-lettre Eüch gefahlen hatt. Wen sie Euch
ahngenehmen, werde ich Eüch deren nicht manquiren laßen; den
ich bekomme deß jahrs eine große menge von allerhandt gattung.
Also will ich Eüch alle jahr schicken, wo mir gott daß leben lest.
Ich werde meinem sohn heütte fragen, waß ich der fürstin von
Ussingen andtwortten solle, undt montagspost werde ich ihr
andtwortten. Heütte ist es ohnmöglich, weillen ich gleich zur taffel werde
undt nach dem eßen zu madame de Berry, so außer gefahr ist undt
hatt heütte medecin genohmen. Hernach werde ich in kirch bey
unßern Carmelitten. Die Tenebre
[2] dawern gar lang; es wirdt über 7
sein, wen ich wider kome. Da rufft man mich zur taffel.
Gründonnerstag, den 6 April, umb ein viertel auff 3 nachmittags.
Es ist eine gutte stundt, daß ich ahn taffel gangen; nun komme
ich eben wieder davon. Waß mich auffgehalten, ist ein alter bouffon
von der königin s., den ich lang nicht gesehen. Die königin liebte
solche art leütte, ich nicht. Aber man sicht jetzt so wenig leütte
von der zeit, daß es einem doch nicht verdrießlich ist, jemandts
zu sehen von der zeit. Aber nun komme ich wider auff Euer liebes
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schreiben, biß meine kutschen werden kommen sein. Ich habe
meinen sohn heütte noch nicht gesehen, noch sprechen können, den
er hatt abscheülich viel zu thun nun, sowoll waß innerlich, alß
außenwerdts von königreich ist. Der kleine verrähter, der duc de
Richelieu, hatt alles gestanden. Waß weitter drauß werden wirdt,
soll die zeit lehren. Ich glaube aber, da bringt man mir zu eßen
dießen abendt.
Gründonnerstag, umb ein viertel auff 8 abendts.
Es ist noch keine halbe stundt, daß ich auß dem closter bin, undt
nun kompt mein sohn herrein undt sagt, er habe dem abbé Dubois
schon ordre ertheilt, die lettre de neutralité
[3] zu machen undt der
fürstin gleich zu schicken. Ich habe desto mehr dran getrieben,
alß ich gesehen, daß es madame de Dangeau nicht schaden kan.
Sie ist, gott lob, nun außer gefahr, welches mich von hertzen
erfrewet. Aber mein porte-lettre meritirt keine dancksagung, liebe
Louise! Daß seindt ja nur nonen-arbeydt undt bloße bagattellen,
die kein dancken wehrt sein. Ihr könt, wen Ihr wolt, die
schraubtaffel
[4] mitt dem gelt bezahlen, so ich zu viel geschickt. Bleibt
waß überig, so gebts ahn arme Pfaltzer! Es ist nahe bey 10 uhr
undt monsieur Teray kompt undt treibt mich nach bett, kan also
nichts mehr sagen, alß daß ich die historie von dem diebstall artig
gefunden. Nichts ist gemeiner, alß huren, mitt verloff, so ihre
kinder umbringen. Ich kan nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch
von hertzen liebe habe undt allezeit behalte, hertzallerliebe Louise!