Seitenbanner

Brief vom 8. April 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1008.


[081]
Paris den 8 April 1719 (N. 75).
Hertzallerliebe Louise, ich will heütte ahnfangen, auff Ewer liebes schreiben vom 25 Mertz, no 24, zu andtwortten; den morgen ist es ostertag, da wir wieder gar lang in den kirchen sein werden. Gott seye danck, daß der fürstin von Ussingen ihre sach gantz zum [082] endt ist, wie ichs ihr vorgestern geschrieben habe! werde also weyder nichts mehr davon sagen, noch von den porte-lettre, alß daß ich fro bin, daß sie Eüch gefahlen, werde sie offt verneüern. Die alten könt Ihr ahn Ewern Matheis[1] geben, seine brieffe, so Ihr i[h]m gebt, auff die post zu tragen, so werden sie sauber bleiben. Die großen leütte erfrewen sich eben so sehr mitt den talckbildern, alß die kinder hir. Madame de Chasteautier[2] divertirt sich mitt die talckbilder mehr, alß andere damen; den sie liebt les plaisir inocent. Es seindt aber viel, so es machen, alß wie die letztverstorbene duchesse de Longueville[3], die so devot gestorben, aber in ihrer jugendt sehr coquet undt gallant geweßen. Ihr man war gouverneur von Normandie, sie muste mitt ihm hin undt es war ihr gar leydt, den hoff zu verlaßen; den sie hatte leütte dort gelaßen, so ihr lieber wahren, alß ihr herr, jemandts so sehr, daß ihr die zeit so lang … Viel sagten zu ihr: D’où vient, madame, que vous vous laisses enuyer, comme vous faittes? que ne joues vous? Je n’aime pas le jeu, andtworte sie. Er sagt: Si vous voullies chasser, je trouverois des chien. Non, sagt sie, je n’aime pas la chasse. Vousderies-vous des ouvrages? Non, je ne travaillie point. Vouderies-vous vous promener? Il y a des belle promenades icy. Non, sagte sie, je n’aime pas la promenade. O, sagte man zu ihr, qu’aimes-vous donc? Sie andtwortte: Que voulles-vous que je vous disse? Je n’aime point les plaisir inocent. Aber so gehts madame de Chasteautier nicht; sie liebt nichts, alß plaisir inocent. Dieße duchesse de Longueville war deß großen prince de Condé schwester, hatt ein doll leben geführt; hernach aber hatt es ihr gereüet, hatt buß gethan undt nichts mehr gethan, alß fasten undt betten. Daß hatt sie so geendert, daß man nicht mehr sehen konte, daß sie schön geweßen war; die taille ist ihr allein hübsch geblieben. Aber dieß seindt alte geschichten. Madame de Chasteautier ist eine gar estimable dame, voller tugendten, ohne façon, lacht undt plauttert gern, spilt die precieusse gantz undt gar nicht. Ich hab ein brieff vom armen baron Goertz entpfangen. Er schreibt mir selber seines neveus todt[4]. Es jammert [083] [mich]. Ich wolte, daß ich ihn nicht gesehen hette. Mein vetter, der erbprintz, ist woll zu verzeyen, dießem baron nicht favorable geweßen zu sein, da er allezeit gegen ihm geweßen. Ich wolte, daß die englische minister ihre straff auch schon bekommen hetten, vatter undt sohn[5] so gegen einander zu reitzen. Baron Goertz hatt eine fraw undt 3 kinder hinderlaßen; es seindt Teütsche hir, so sie kenen undt gesehen haben. Er war nicht viel nutz. Wenig große spieller deügen waß, fangen ahn, dupe zu sein, undt endigen mitt, betrieger zu werden. Aber nun muß ich meine pausse machen. Die damen, so man nicht in den gazetten genent, seindt die marquisen de Nesle undt Poliniac[6], zwey hübsche, aber wenig tugendtsame damen.
Sambstag, umb halb 8 abendts.
Gleich nach dem eßen bin ich in die kirch, wo wir nur eine stundt geblieben; hernach bin ich zu madame de Berry, welche sich wider gelegt, weillen sie gestern noch ein wenig fieber gehabt. Heütte aber ist sie gantz woll, hatt gar kein fieber mehr. Biß mitwog wirdt sie nach Meudon. Ich werde noch nicht so baldt nach St Clou; den es ist noch zu arbeytten dort. Von madame de Berry bin ich zu madame la princesse, welche auch gar nicht woll ist; sie hatt ein wenig fieber undt starck halßwehe. Ich bin umb ein viertel auff 7 wieder kommen. Daß[7] ist der gutte alte bischoff von Troye[8] kommen, der hatt mitt mir wegen einer sach zu reden gehabt. Gleich drauff ist mein sohn kommen, mitt welchem ich eine gutte halbe stundt [mich] entretenirt. So baldt er nach seinen geschäfften gangen, habe ich ein groß paquet von Eüch bekommen, liebe, wovor ich Eüch sehr dancke, mitt dem plan von Schwetzingen. In dießem plan ken ich es beßer. Man hatt die mühl zurückgestehlt auff derselben seyde, wo sie war; ich habe auch meine cammer wieder gefunden in den plan, habe mich nun gantz orientirt. Aber dießer ort ist woll erschrecklich geendert; die mühle ist nun, wo der weg nach Manheim war. Zukünfftige post hoffe ich auff daß schreiben zu andtwortten, heütte ist es [084] ohnmöglich. Da schlegt es 9; ich muß morgen frühe auffstehen, kan Eüch also hiemitt nur eine glückseelige gutte nacht wünschen.
Den h. ostertag, umb halb 9 morgendts.
Ich habe noch eine stundt in meiner cammer zu sein, ehe ich mich ahnziehe, alßo kan ich noch ein wenig auff Ewer liebes schreiben andtwortten. Wir werden erst umb 11 uhr in die pfarrkirch in die große meß, in ceremonien mitt alle leibquart undt Schweitzer, trumellen undt pfeyffen; dazu gebe ich heütte daß gesegnete brodt, so 12 große art von kuchen, von 12 Schweytzer in der liberey getragen. Vorherr gehen trumellen, trompetten, chalmayen; die kuchen stecken voller banderollen mitt meinen wappen undt 6 lichter jedes. Hinter geht der maistre d’hostel de quartier mitt dem stab, der ausmonier in surplis[9], der controlleur general de la maison undt begleitten es biß in die kirch. Daß macht ein geraß in der kirch, daß man sein eygen wordt nicht [hört.] Man zerscheneydt daß gesegnete brodt undt ich schicke es ahn dem konig, madame de Berry undt daß gantze königliche hauß mitt dem maistre d’hostel. Da seindt auch noch ceremonien bey, so die prince du sang nicht haben; ich frag aber so wenig darnach, daß ich nicht mehr weiß, waß es ist. Es ist woll eine albere undt nerische sach in allem; dießer brauch ist allein in Franckreich[10]. Aber hiemitt genung von dem albern pain-bénit; nur daß noch sagen, daß ichs alle 3 jahr dieße ceremonien muß thun laßen, der könig aber alle jahr undt noch öffter. Aber ich komme wieder ahn Ewer liebes schreiben. Ich war gestern geblieben, wo Ihr von den damen sprecht, so sie[11] umb den prince de Soubisse[12] geschlagen haben. Alles ist nicht so hart hergangen, alß man gemeint; wie sie zu einander kommen, hatt ahnstatt schlagerey mitt lachen geendet. Die invantion von der dame, ihr kindt loß zu …, ist artlich, aber noch artiger, das die schelmen, die soldatten, so stehlen gewolt, so braff ertapt sein worden. Die mitt dem rohten bandt solt man ins narenhauß setzen. Der oberst wirdt eine große kranckheit außstehen, weill er schon fabelt. Ich glaube nicht, daß die florentinische printzen ihr böße kranckheitten bey damen hollen. Der verstandt verstandt verhindert die mäner nicht, zu desbeauchiren; den die [085] verständigsten fallen in dießen unglücklichen fehler, welches mir hertzlich leydt ist. Man sagt viel guts von der margräffin von Baaden, aber von ihrer fraw schwester, daß sie nichts fürstlich ahn sich hatt, sondern wie eine beschließerin von einer landtedelfraw ist[13]. Ihr thut woll, liebe Louise, nicht zu antworten auff waß nur andtwortten von Eweren briffen sein, sonsten würden wir ewig daßselbige sagen. Ich glaube nicht, daß wir leyder einmahl hören werden, daß die englische sach geschlicht mag sein; es ist auff dießer sach beßer zu wartten, alß zu fasten. Aber es wirdt spät, ich muß mich eyllen. Kinder seindt allezeit sehr kranck ahn den zänger[14]; viel sterben, es kommen aber auch noch viel darvon, mehr metger, alß buben. Eine reiße nach Englandt zu thun, insonderheit in itzigen zeitten, wolte ich Eüch gar nicht rahten, liebe Louisse! Den ich glaube nicht, daß Ihr von dem humor seydt, wie jenne nonen, von[15] denen man von soldatten sprach, von alles übel, so im krieg geschieht. Ein junge none hörte von violiren sagen, sagte etliche zeit hernach zur abtißinn: Ma reverente mere, quand viollerateraton[16] donc? Aber mein kutschen seindt da, ich werde zu madame de Berry undt von dar ins closter fahren, dießen abendt außschreiben.
Ostertag, umb ein viertel auff 6.
Da komme ich eben auff Ewer liebes schreiben; den ich komme jetzt eben wieder auß dem closter, liebe Louise! Daß habe ich woll offt verspürdt, liebe Louise, daß man nur hertzenleydt hatt, von waß man aparentlich lautter freüden haben solte. Es ist woll schon lange jahre, daß Salomon gefunden, daß alles in der welt eyttel ist. Ihr secht, liebe Louise, daß Ihr Eüch nicht betrogen habt, wen Ihr gemeindt, daß ich Eüch durch leyder nur gar zu großer experientz beyfahl geben würde. Ich dancke Eüch gar sehr, liebe Louise, vor Ewere gutte wünsche, aber leyder bin ich weit davon, insonderheit heütte, da bin ich so grittlich wie eine wandtlauß. Aber durch die post kan ich nichts mehrers sagen. Adieu, hertzliebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch von hertzen lieb.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 8. April 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 81–85
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1008.html
Änderungsstand:
Tintenfass