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Brief vom 13. April 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1009.


[086]
Paris den 13 April 1719, umb 9 abendts (N. 76).
Hertzallerliebe Louise, gestern habe ich Ewer liebes [schreiben] vom 1 April, no 26, zu recht entpfangen, worauff ich heütte andtwortten werde, weillen es daß kürtzte ist; den ich habe heütte wenig zeit. Ich habe eine kleine reiße heütte morgen gethan nach Chelle zu meiner enckellin. Ich bin umb 9 hir weggefahren, umb 11 ahnkommen, umb 12 haben wir zu mittag geßen; ich bin noch ein par stundt bey ihr geblieben, umb 3 weg, umb 5 wider hir ahnkommen, habe gleich ahn die gutte königin von Preüssen geantwortet, [bin] aber hundertmahl interompirt worden. Ich habe so doll geschriben, daß ich fürchte, daß die königin in Preussen meinen wirdt, ich sey zum naren geworden. Mich deücht, unßere brieffe gehen nun zimblich richtig. Es ist mir von hertzen leydt, daß Ihr den chagrin habt, eine kleine niepce verlohren zu haben. Mein gott, liebe Louise, der weibsleütte standt ist so unglücklich, daß man sich geschwindt trösten solle, wen ein klein medgen stirbt; den es were doch nur eine unglückliche creatur drauß geworden. Ich bin heütte, undt daß mitt recht, grittlicher undt von schlimmern humor, alß nie; es lest sich aber nicht schreiben. Mich wundert, daß gantz Franckreich nicht untergeht, wie Sodom undt Gomora; den solche boßheiten, alß man hir erlebt, seindt nicht außzusinen. Man solle bey kindern mehr experimentirte weiber gewehren laßen, alß docktoren; sie verstehen beßer, mitt kindern umbzugehen. Haußcreütz fehlen nie; die weldt ist unleydtlich. Gott stehe jederman bey! Wolte gott, Ewere niepce konte gedencken, wie ich! so were sie baldt getröst. Mein gott, zicht lieber Ewere niepce auß Englandt in unßere gutte teütsche lufft! [diese] wirdt sie schon couriren. Es ist die lufft von Londen, so sie kranck macht. Ihr wist, wie schadtlich Eüch Englandt ist. Wolt Ihr Eüch wider dort neinstecken? Daß were nicht prudent. Weillen daß leben kurtz ist undt so baldt vergeht, muß man sich auffs best schönnen[1]. Gott wolle Eüch sambt die betrübten eltern trösten! Der pretendent[2] ist zu Madrit, aber der duc Dormont[3] auff der see, wo man meint daß er nicht viel außrichten wirdt. Daß ist woll gewiß, daß Alberoni [087] alle unruhe ahnstehlt. Ich dancke Eüch, mir geschickt zu haben, waß auff den unglücklich[en] baron Göertz gemacht worden. Waß mir die printzes von Wallis von ihm verzehlt, hatt mir die threnen in den augen kommen machen, sich so vom hertzog von Holstein veracht undt verlaßen zu sehen. Waß war den daß vor eine quint[4] von einen Juden, gespenster zu agiren? Meritirte straff, wen man ihn ertapen solte. Adieu, liebe Louisse! Ich hab doch vollig auff Ewer liebes schreiben geantwortet, bleibt mir nichts mehr überig, alß zu versichern, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 13. April 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 86–87
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1009.html
Änderungsstand:
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