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Brief vom 18. Mai 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1019.


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St Clou den 18 May 1719, umb drey virtel auff 7 morgendts (N. 86).
Hertzallerliebe Louise, ich bin heütte bey drey viertelstundt spätter auffgestanden, alß ordinarie, ob ich zwar gestern gar frühe bin schlaffen gangen; den es war ein halb viertel weniger, alß halb 10, wie ich ins bett bin. Waß mich so nach bett hatt eyllen machen, war, daß ich mich so matt befunden, daß ich kaum einen fuß vor den andern habe stellen können. Man hatte mir morgens umb 7 von dem grünen safft zu schlucken geben, den der himmel war gantz überzogen undt man meinte, daß es regnen würde; nachmittags aber kamme eine abscheüliche hitze. Ich würde 7 mahl gar starck purgirt. Ich fuhr doch abendts umb 5 zu madame de Berry, so sich noch gar nicht woll befindt; hatt etwaß, davon ich mein leben nicht gehort habe, nehmblich sie kan auff keinen fuß tretten undt die fußsollen seindt ihr, wie sie sagt, alß wen man ihr sigelwacks drauff brente, daß sie vor schmertzen schreyen muß; wen ihr nur daß bettuch dran rührt, kan sie nicht dawern. Von solcher kranckheit hab ich mein leben nicht gehört. Sie ist dabey matt undt hatt gantz den apetit verlohren. Ich förchte, daß sie noch lang dran zu kränckeln wirdt haben; den ich finde sie gar nicht nach meinem sin. Meinem sohn hatt, gott lob, daß fieber verlaßen. Vergangen montag fuhr ich nach Paris. Ich hatte morgendts einen pagen hingeschickt, umb mir entgegenzukommen undt zeittung von meinem sohn zu bringen. Der kam undt brachte mir die gutte zeittung, daß meinem sohn daß fieber umb 9 abendts verlaßen, daß es nicht wider kommen wehre. Damitt ging ich umb 11 zum könig, ging mitt I. M. in die kirch. Nach der meß hilten I. M. mitt mir daß kindt vom marquis d’Harpajon[1]; es ist sein zweytes söhngen, ein schön kint, man hatt es Ludwig Carl geheißen. Nach dießer tauff fuhr ich ins Palais-Royal undt ging gleich zu meinem sohn; der war aber drunten bey seiner gemahlin, kam aber gleich wider herauff, war matt, sahe übel auß, hatte medecin genohmen, [121] so ihn starck purgirt; drumb war er so matt, war doch gar lustig, aß mitt mir, meinen damen undt 4 von seinen kindern zu mittag. Gleich nach dem eßen ging ich in mein apartement, hatte die particullire audientz vom neüen ambassadeur von Sicillien[2]. Hernach hatte ich eine abschiedts publique audientz von dem, so wider weg geht. Hernach hab ich ahn die königin von Sicill[i]en geschrieben, ein großen cercle von damen gehabt, die duchesse de Spforce[3] undt ihre niepce, die duchesse de Nevers, die marechalle duchesse de Bouffler[4] undt die duchesse de Sully, die princesse de Talmont[5] undt duchesse de Roquelaure. Hernach kam mein sohn undt wir gingen mitt einander undt sein sohn undt 2 dochter in die ittalliensche commedie. Meine gröste freüde aber bestundt, meinen sohn so von hertzen lachen zu sehen. Nach der commedie fuhr ich wider her, kam umb 9 ahn, nahm gleich mein dranck undt ging nach bett. Seyder dem ist nichts neües vorgangen. Komme jetz[t] auff Ewer liebes schreiben vom 2 May, no 35, welch[e]s daß eintzige ist, so ich noch von Eüch, liebe Louise, zu beantwortten habe. Ich glaube aber, daß ich heütte waß von Eüch entpfangen werde, welches ich aber vor andere post sparen werde. Unßere brieffe gehen nun gar richtig. Gott gebe, daß es dawern mag! Wens Eüch, liebe Louise, divertirt, zu hören, oder, umb beßer zu sagen, zu leßen, waß ich alle woche thue, so werde ichs Eüch gar ordendtlich berichten. Ihr werdet aber wenig zeitverdreibliches drinen finden; den es geht alles, wie meine Hinderson, die marquise de Foix[6], alß pflegt zu sagen, alles gar schlapies her. Von den ortern, wo ich zu gast gangen, sage ich nichts mehr; das ist schon lang vorbey. Ahn keinem ort, wo ich auch hingehen mag, stehe ich gefahr [aus], mir will man nichts thun. Undt wie es resolvirt war, meinen sohn zu ermorden, lebendig oder todt zu bringen, solte man mir nichts thun. Wolte gott, daß mein sohn in so großer sicherheit wehre, alß ich bin! Vor Ewere gutte wünsche vor unßer hirsein, hießige wohnung dancke ich Eüch von hertzen, liebe Louisse! Man heist hir auch une gallante feete, wie die war, so unß madame la duchesse d’Orléans zu Bangnolet[7] geben. Mein enckel hatt nicht allein die abtey ahngenohmen, sondern sie hatt sie auch ahn ihrem [122] vatter begehrt; den sie konte deß Villars schwester hoffart nicht mehr außstehen, so abtißin dort war. Ich finde nicht, daß solche abtißin[8] sehr zu beklagen ist. Man gibt ihr 18/m. livre pension deß jahrs undt die erste abtey von ihrem ordre, so vacant wirdt werden, soll sie bekommen. Jedoch so schreydt sie undt ihr bruder, alß wen mein sohn ihr daß groste unrecht von der welt hir [gethan], alß [wenn] mein enckel undt sie gantz gleich wehren[9]. Die leütte seindt gar zu insolent hir in Franckreich, insonderheit die ducs et pair; sie meinen, sie seyen dem könig gantz gleich, [123] undt dießes Villars großvatter war ein procurator in einem dorff. Es seindt noch mehr, so eben so wenig sein undt doch so hoch hinauß wollen. Unßer junge abtißin deücht mir sehr content zu sehr[10], verlangt aber sehr wider nach ihrem closter. Wen man so früh auffstehet, wie ich thue, findt man zeit, zu leßen. Die zwey gebettbücher, so mir Amelise geschickt, auff alle capittel, habe ich noch. Aber die gebetter seindt nicht alle gleich, eines viel schönner, alß daß andere. Ich mage[11] gern meine gebetter selber; alle gefallen mir nicht. Ich will sie wieder suchen undt Eüch marquiren, welche [ge]better mir nicht gefallen haben; aber ich glaube, daß ich sie zu Paris gelaßen habe; werde sie biß sontag suchen undt mitt mir herbringen, werde es Eüch, wo mir gott daß leben verleydt[12], über 8 tag sagen können. Predigen höre ich gar nicht gern undt werden mir leicht zu lang. Man sagt einem ja nichts, alß waß man schon lang weiß, undt schlaffe gleich drüber ein[13]. Zu Manheim habe ich es mitt meinen augen gesehen, daß ein schwenckkeßel mitt gläßer dastundt, undt man schenckte ein wie in einem wirdtshauß, welches mich erschrecklich geargert hatt; habe derowegen nie mehr in der frantzöschen kirch zum h. abendtmahl gehen wollen. Zu Manheim hilten sie in der frantzöschen kirch gar keine vorbereytung[14]. Ich habe nicht anderst den grünen donnerstag comunicirt, alß ich zu thun gewohnt. Man hatt es nur in den gazetten gesetzt, umb mich verhast zu machen; aber viel leütte meinen, daß ich mitt brodt undt wein comunicire, weillen in [meinem] rang daß privillege ist, einen kelch durch deß pri[e]sters henden mitt wein zu nehmen, nachdem er die ostien dargereicht hatt. Dieße gewohnheit kompt noch von [der] ersten communion her, da man unter den zwey espessen[15] commu[n]icirt hatt; daß geht nicht weitter, alß ahn die enfans de France. Man hatt bludt-salbere devotionen bey den Catholischen in Teütschlandt. Ich weiß, wie ich Eüch schon geschrieben, daß offecir vom konig, so mir gesagt, daß sie nach Franckfort würden … also laß[e] ich keine weg, so mir diß sagen, ohne ihnen einen gruß ahn Eüch mittzugeben. Ich meinte, ihre tapetten wehren nicht feil, sondern vor Chur-Coln gemacht. Alle Frantzoßen kleyden sich woll. Aber es ist nun zeit, daß ich meine pausse machen; den es fengt ahn, erschrecklich heiß zu werden. Man hatt mir umb sieben wider [124] grunen safft geben, so mich schon 4 mahl starck purgirt. Daß matt mich ab; werde Eüch nur dießen nachmittag wider entreteniren in meinem kühlen cabinet.
Donnerstag, den 18 May, umb ein virtel auff 9 abendts.
Gleich nach dem eßen, hertzliebe Louise, hab ich mich so abscheülich matt gefunden, daß ich unmöglich habe schreiben können. Es kame ein zimblich starck donnerwetter, so auch in einem dorff hirbey eingeschlagen hatt, so Garsch heist, daß, wie Ihr, liebe Louisse, woll gedencken kont, mich nicht gesterckt hatt, habe auch hernach in die kirch gemüst, weillen es heütte himmelsfahrttag ist. Heütte ist es 56 jahr, daß ich zu Clef[16] war; da war ich frischer undt stärcker, alß heütte. Aber alles hatt seine zeit, wie der konig Salomon sagt[17]. Heütte ist es mir gar nicht woll; man versichert aber, daß ich mich in etlichen tagen beßer befinden werde. Die zeit wirdts lehren. Aber ich bitte Eüch, macht doch meine entschuldigung ahn die fürstin von Ussingen! kan ihr ohnmoglich heütte [auf ihr] schreiben andtwortten; ich werde aber ihren zettel ahn abbé Dubois schicken. Ich habe, wie ich ahn taffel gangen, Ewer liebes schreiben von 6ten, no 36, entpfangen. Aber, hertzliebe Louise, ich bin zu matt, Eüch mehr zu sagen, alß daß ich biß ahn mein endt Eüch von hertzen lieb behalten werde.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. Mai 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 120–124
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1019.html
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