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Brief vom 25. Mai 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1021.


[127]
St Clou den 25 May 1719, umb halb 9 a[be]ndts (N. 88).
Hertzallerliebe Louise, ich habe heütte morgen eine mühsame arbeydt gehabt, drumb schreib ich Eüch so spät. Ich hab ahn Churpfaltz undt die printzes von Sultzbach geantwort undt Churpfaltz brieff abgeschrieben. Daß gibt mir mehr mühe, alß wen ich ein halb dutzendt brieff ahn jemandts bekandtes schriebe. Die printzes von Wallis ist die eintzige unbekante person, so mir gantz keine mühe zu schreiben gibt; den sie spricht mir allezeit so von bekanten sachen undt leütten, daß es mir ist, alß wen ich sie all mein leben gekant hette. Daß hatt mich den gantzen morgen occupirt. Dießen nachmittag ist madame la duchesse mitt die zwey ledige döchter [gekommen], seindt gar lang hir geblieben; darnach seindt noch viel personnen kommen, hernach habe ich 4 seytten ahn monsieur Harling geschrieben. Ich habe heütte Ewer liebes schreiben vom 13, no 38, entpfangen sambt noch 2 silberne medaillen, so mir gar woll gefahlen; dancke Eüch von hertzen davor. Ich glaube aber, Ihr seydt eine heyllige undt macht miracle undt mein gelt vermehrt in Ewern handen, wie daß öhl in der witwen handen zu zeitten deß prophetten Elias[1]; den es ist nicht möglich, daß es noch von demselben gelt sein kan, so ich Eüch geschickt. Aber auff dießen frischen brieff kan ich heütte nicht andtwortten. Erstlich so habe ich keine zeit, undt zum andern so habe ich noch [auf] daß von 9, no 37, zu andtwortten. Vor alle gutte wünsche, so Ihr mir vor unßere reiße hirher gethan, dancke ich Eüch von hertzen. Es ist gewiß, daß wenig schönnere örter, alß Sein Clou[2], [128] sein; ich bin auch recht königlich hir logirt, habe gutte lufflt, gutt waßer undt die schönste außsicht von der welt. Meine aderlaß undt grüner safft hatt mich so abgematt, daß ich vor schwachheit nicht mehr habe gehen können; hab den safft quittiren müßen. Wir haben seyder dem kalten wetter gar große hitze außgestanden. Ich weiß noch alle Sprichwörter, so ich mein leben in der Pfaltz gewust habe. Solche lapereyen behält man eher, alß waß rechts. Ich weiß noch mehr undt beßer Teütsch, alß Lenor. Wen ich nicht immer Teütsch mitt ihr spreche, wolte ich mein kopff verwetten, daß sie in einem jahr kein wort mehr wißen, noch verstehen würde. Ich habe Eüch mein leben kein böß teütsch wort schreiben sehen, alß daß vom frost[3]. Die gräffin Wieserin hatte mir schon daß unglückliche kindtbett von der pfaltzgräffin von Sultzbach verzehlt. Vor den printzen, der gestorben, ist es kein unglück, aber woll vor seine eltern. Die printzes hatt unrecht; man solle nicht dantzen, wen man schwanger ist. Es ist beßer, daß, weillen daß unglück hatt geschehen sollen, daß es bey der zweytten, alß ersten, schwangerschafft gesch[eh]en. Ich glaube, Ihr werdet Eüch leicht getrösten, daß die große geselschafft wider weg ist. Es ist beßer, in ein alt hauß zu wohnen, so gemachlich ist, alß in ein neü, ungemachlich hauß, so ungemächlich undt nur schönne aperentz hatt. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwort. Gutte nacht! ich gehe gleich nach bett; den es hatt schon 10 geschlagen. Ich gehe mich außziehen undt nach bett, nachdem ich Eüch werde versichert haben, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 25. Mai 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 127–128
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1021.html
Änderungsstand:
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