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Brief vom 1. Juni 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1023.


[131]
St Clou den 1 Juni 1719 (N. 90).
Hertzallerliebe Louise, heütte hoffe ich auff zwey von Ewern lieben schreiben zu antworten. Ich glaube, daß ich Eüch schon gesagt habe vergangen sontag, wie daß ich Ewer liebes schreiben vom 16 May, no 39, zu recht entpfangen habe. Mich deücht auch, ich habe schon, wo mir recht ist, vor die arabische medaille gedanckt; hette ichs aber vergeßen, thue ich es hiemitt. Die aderläß, so man mir gethan, ist die geringste undt kleinste, so man gethan, seyder ich aderlaße; den die andern wahren ordinarie über 16 ontzen undt dieße war nur von 10 ontzen; hatt mich doch sehr abgematt undt desto mehr, daß man mir 6 tag von dem grünen safft geben, so mich sehr abgematt, den es hatt mich starck purgirt. Nun lest man mich, gott lob, in ruhe; bin, gott sey danck, woll, nur aber die stärckste nicht, den gestern wolte ich zu fuß im bois de Boulogne spatziren, ging kaum ein stündtgen, da wurde ich so müdt, daß ich wider in kutsch sitzen muste. Daß kompt mir gantz betrübt vor; den vor dießem ging ich 5 stundt, ohne zu sitzen undt ohne mühde zu werden. Ewere gutte wünsche, wovor ich sehr dancke, seindt just auff meinem geburtstag ahnkommen. Aber, liebe Louisse, ich fürchte ein groß alter mehr, alß ich es wünsche; den man wirdt gar zu ellendt, wen man gar alt wirdt. Ich habe es [132] ahn ma tante von Maubuisson[1] gesehen. In gesundtheit kan man ohnmoglich ein großes alter ereichen undt unpaßlichkeytten verlaytten daß leben. Mich verlangt sehr, wider zeittung von Eüch zu haben, umb zu hören, ob Eüch die aderläßen so woll bekommen mögen sein, alß ich es wünschen. Ich habe teütsche calender, darinen stehen, welche tag gutt oder böß aderlaßen ist. Ich habe nachgesucht, welchen tag Ihr ader gelaßen; stehet drinen: Gar gutt. Ihr hettet mir aber dießen tag weniger schreiben sollen; den in der zeit zu schreiben, sagt man, sch[w]ache daß hirn undt die augen, undt die habt Ihr ohne daß schwach undt delicat. Waß ist daß vor eine rasserey, daß man zu Heydelberg jetzt gegen den cathechismus hatt[2]? Da steckt waß pfäffisch unter gar, wolte woll nicht davor schwehren, daß es die Jessuwitter nicht ahngestelt hetten; den sie seindt unbarmhertzig gegen andere religionen. Ich habe kein regullirt commerce mitt der fraw von Zachman, hatt mir also kein wordt davon geschrieben. Aber aller zanck undt streydt ist mir allezeit unleydtlich; aber umb frieden zu haben, solte man die 80 frag[3] außlaßen; umb die warheit zu bekenen, so ist es auch zu hart gesetzt, hette woll außgelaßen können werden. Den es [133] weist nur annimossitet ohne probe undt man solte nicht so hart reden gegen etwaß, so doch daß gedächtnuß deß leyden undt sterben Christi ist; den zanck undt verbitterung, so dießes ahnstelt, ist ärger, alß die sach selber. Der könig in Preussen solte cathechismus drucken laßen ohne dieße 80 frag; so würde man woll einem jeden seinen cathechismus wider geben, wie ich allezeit meine, oder man konte die frage undt andtwort setzen ohne die abscheülichen invectiven, so drin stehen, undt die vermalledeytte abgotterey außlaßen, welche auch gar nicht nöhtig zu sagen ist undt macht nur widerwillen, undt es were nöhtiger, daß man mittel suchte, die christlichen religionen zu vereinigen, alß gegen einander zu hetzen. Aber die geistlichen in allen 3 religionen haben nichts liebers, alß zanck; den sie glauben, das sie dieß regieren macht, undt das ist auch war. Erster tagen werde ich mir expliciren laßen, waß auff die turckische medaille oder müntz stehet; werde es Eüch hernach berichten. Die fraw von Rotzenhaussen hatt mir medaillen von der seeschlagt geben; zwey schwedische, zwey schweytzerische undt eines von turquischen frieden habt Ihr mir geschickt, liebe Louisse! Hiemitt ist Ewer letztes liebes schreiben vollig beantwortet; nun muß ich eine pausse machen undt mich ahnziehen. Dießen nachmittag werde ich auff Ewer erste schreiben andtwortten.
Donnerstag, den 1 Juni, umb drey viertel auff 4 nachmittags.
Nachdem ich von taffel bin, habe ich schulden bezahlt, liebe Louisse! Daß hatt mich bißher aufgehalten. Nun will ich, wie heütt morgen gesagt, auff Ewer liebes schreiben vom 13 May, no 38, andtwortten. Wie ich ahn taffel war, hatt man mir Ewer liebes schreiben vom 20, no 40, gebracht, worauff ich aber heütte nichts anderst darauff sagen kan noch werde, alß daß ich von hertzen fro bin, daß Ihr, liebe Louisse, wider gantz woll seydt. Gott erhalte Eüch lang dabey! Letzt verwichen sontag habe ich den brieff undt pargement[4] von der naturalitet ahn die fürstin von Ussingen geschickt, aber nicht in Ewer paquet; den daß paquet undt grüne siegel war so schwer, daß ich gefürcht, daß es Eüch zu viel auff der post kosten wirdt. Sobaldt Ihr aber wißen werdet, daß sie es entpfangen, bitte ich Eüch, mir solches wißen zu laßen. Ich habe etwaß wunderliches erfahren von Ewerm schwager. Man sagt, daß, [134] ob er zwar seine döchter undt dochtermäner im hauß hatt, so dörffen sie ihn doch nicht alle tag sehen, sondern sie müßen wartten, daß er sie hohlen lest, undt daß es offt viel tag ahnstehet, biß sie ihn sehen, daß auch keiner von seinen bedinten zu ihm darff, daß er schwach auff den beinen ist undt braff felt undt mühe hatt, wider auffzustehen. Daß ist doch ein wunderlicher einfall. Graff Degenfelt, wie ich schon vergangene post gesagt, hatt woll gethan, auß London zu gehen; er were zu schanden gangen in derselben lufft. Es ist eine hübsche sach, jung zu sein; man kompt auß viellen kranckheitten mitt. Ich hatte gehofft, Eüch dießen nachmitt[ag] viel zu schreiben; allein ich bin allezeit interompirt worden. Erstlich leütte, den[en] ich schuldig bin, seindt gekommen, gelt zu hollen; daß geschicht allezeit den 1 tag im mont; hernach bin ich ins gebett, nach dem gebett seindt wir spatziren gefahren; da komme ich eben her. Ich hatt[e] gehofft, biß umb 9 zu schreiben können; allein da kompt madame d’Orléans in den hoff gefahren. Sie wirdt biribi spillen wollen, muß also wieder willen auffhören undt vor dießmahl nichts mehr sagen, alß wie daß ich Eüch von hertzen lieb habe, liebe Louisse, undt alle mein leben behalten werde.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. Juni 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 131–134
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1023.html
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