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Brief vom 11. Juni 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1026.


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St Clou den 11 Juni 1719, umb halb 5 abendts (N. 94).
Hertzallerliebe Louise, vor einer stundt habe ich Ewer liebes schreiben vom 30 May, no 43, entpfangen, wie ich eben in kirch habe gehen wollen, wo ich jetzt wider herkomme. Ich glaube, daß, waß ich jetzt mattigkeit entpfinde, ist nichts anderst, alß die große hitze undt mein alter; den sonsten befindte ich mich sehr woll, gott lob! Aber dießes schlapies weßen wirdt er[1] zu-, alß abnehmen. Drumb muß man nur gedult haben. Ich habe mein leben keine wunderliche[re] kranckheit gesehen, alß madame de Berry ihre. Die docktoren, deren 4 sein, so sie allezeit besuchen, begreiffen selber nichts drin. Sie haben erst gemeint, wie ihre füße undt zehen so starck geschwollen undt schmertzlich geweßen, daß es ein recht potegram seye; seyder sich aber die schmertzen vermehret undt die fußsollen voller blattern geworden, sowoll alß die zehen, so wißen sie nicht mehr, woran sie sein undt gestehen es. Unterdeßen leydt daß arme mensch so erschrecklich, daß ich es gestern nicht lenger mehr habe ahnsehen können undt bin davongeloffen. Vor [144] Ewer guttes gebett, liebe Louisse, dancke ich Eüch gar sehr. Wir haben es alle gar hoch von nöhten. Es ist gar keine aparentz, daß madame de Berry kranckheit eine waßersucht geben mögte. Es ist gar gewiß, daß caffé den gliedern nicht gesundt ist; kan nicht begreiffen, wie jemandts daß stinckende, bittere weßen lieben kan; ich habe all mein leben ein eckel undt abscheü davor gehabt[2], welches alle welt wunder niembt, den es ist le delice von allen leütten in allen lände[r]n. Jedoch so habe ich observirt, daß, seyder die frembte sachen, alß thé, chocolat, caffé undt taba[c] regieren, hört man mehr von schlein[i]gen todtsfallen, alß vorher. Es ist recht betrübt, bedinten zu verliehr[e]n, so einem woll dinnen ist[3] trew sein. Mein sohn hatt woll 3 acces vom acces vom 3tagigen fieber gehabt, aber nicht auß alteration; den der officier des mousquetaire nicht vor ihm gefallen, sondern wie er wider nach hauß[4]. Zudem so ist mein sohn lang genung im krieg geweßen, umb gewohnt zu sein, todten zu sehen; also war dieß die ursach gar nicht, aber woll mitt lebendigen zu viel gef[r]eßen zu haben. Ich will ein wenig spatzir[e]n fahr[e]n, dießen abendt aber außschreiben.
Es ist nun 3/4 auff 8 undt ich komme eben von der promenade. Der graffin Wieserin sach, darin werde ich mich in nichts mischen; daß könt Ihr der landtgräffin von Homburg von meinetwegen versichern, aber vor sie kan ich auch nicht solicittiren; den ich habe den graffen von Leiningen versprochen, gantz neuttre in dießer sach zu bleiben. Also werdet Ihr keine von Ewern beyden freündinen schaden, liebe Louisse! Ich kan nicht begreiffen, wie der proces von der landtgraffin noch dawern kan; den sie hatt ihn schon einmahl gewunen. Ihr könt woll leicht gedencken, daß ich mein leben nichts gegen den duc de Schomberg vor die freüllen von Cettern solicittiren werde. Solten sie ihre sach in Lotteringen haben, werde ich [145] gewiß unßern hertzog bitten, dem duc favorabel zu sein. Aber hatte man die ungerechten sachen, so sie im Lutzenburgischen ahngefangen, nicht hindern, noch vorkommen konnen? Unrecht gutt bringt kein glück. Die 2 freüllen von Cettern sein alte undt gar heßliche schätzger; eine hatt einen abscheülichen kropff undt eine hatt solche vapeurs, daß sie wie närisch ist. Sie seindt immer bey madame la princesse, aber zu mir komm[en] sie mir nicht mehr, seyder ich ihnen den kopff geweschen, alß sie den baron Willig so gegen dem duc de Schomberg auffgewickelt hatt[en], dem ich so braff sein protzes habe verliehren machen[5]. Dieße freülien gleichen in heßlich[keit] der Hinderson[6]. Ich weiß nicht, ob Ihr Eüch ihrer noch erinert. Ich weiß nicht, ob dieße freüllen noch zu Paris [sind]; den, wie schon gesagt, so kommen sie nicht mehr zu mir. Aber sobaldt ich madame la princesse wider sehen werde, will ich I. L. die proposition thun undt Eüch die andtwort wider berichten, liebe Louisse! Wen Ihr die affairen so sehr haßete[t,] alß ich, würde es Eüch durchauß ohnmoglich sein, dieße sachen zu führen können; stünde mein leben drauff, so konte ich es nicht thun. Ich habe mich sehr bey Churpfaltz entschuldigt, daß ich nichts in affairen verstehe. Ich hatt dem churfürsten gar einen ehrlichen man vorgeschlagen, so viel verstandt hatt, alle minister hir woll kent undt alle sachen auff ein endt versteht; aber der churfürst hatt ihn nicht brauchen wollen. Die fraw von Zachman kent ihn woll. Ich habe sie alß mitt ihm vexirt; den mich deücht, daß er verliebt von ihr geworden, aber sie nicht von ihn[7]. Er hatt beßere minen, alß ihr klein mängen gehabt habt[8]; den es ist ein großer, ahnsehenlicher man, er heist herr Fesch[9]. Wen Ihr die fraw Zachman secht, so spr[e]cht ihr vom herrn Fesch! Waß gilts? sie wirdt lachen. Ich vexier ihn auch offt mitt ihr; er verstehet raillerie undt ist ein artlicher [mann.] Aber nun bin ich just ahn der helffte von Ewerem lieben brieff, muß halt auffhören; den ich habe noch dießen abendt ahn mein dochter zu schreiben undt es ist schon über 9 uhr. Mein sohn ist hir ahnkommen undt ist[10] mitt seinen gutten freünden zu nacht; aber er wirdt, gott lob, hir schlaffen, also nicht nachts [146] herumb spatziren, welches mich allezeit sehr ängstiget. Er hatt unß die zeittung gebracht, daß monsieur le prince de Veaudemont[11], so gestern noch bey ihm war, heütte auff den todt liegt. Ich schicke Eüch hirbey, waß auff der arabischen müntz steheht, undt versichere Eüch, hertzliebe Louise, daß ich Eüch biß ahn mein endt von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 11. Juni 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 143–146
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1026.html
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