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Brief vom 15. Juni 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1027.


[146]
St Clou den 15 Juni 1719 (N. 94).
Hertzallerliebe Louise, gestern bin ich zu Paris geweßen, undt wie ich umb 9 uhr eben auß der commedie kam undt in kutsch stieg, umb wieder herzufahr[e]n, brachte man mir Ewer liebes schreiben vom 3 dießes monts, no 44, worauff ich hiemitt gleich andtworten werde. Bleibt mir nach der promenade noch etwaß zeit überig, werde ich noch waß dazu setzen undt auff daß, waß mir noch überig von 30 May ist, andtwortten. Ihr habt recht, liebe Louise, brieffe, worinen man gezwungen schreiben muß, seindt woll mitt recht steiffe brieff. Wen man die leütte, woran man schreibt, kent, gibt es eben keine große mühe, so weiß man, wie man seine brieffe threhen soll; aber wen man die leütte nicht kent, geht es au hazard, undt daß ist widerlich. Es war mir leichter, ahn dem letztverstorbenen churfürsten zu schreiben, alß ahn dießem; den ich hatte ihn hir gesehen undt kente I. L. Man muß die warheit bekenen, wo Jessuwitter regieren, kompt selten waß guts herauß. In particullier findt man wackere undt ehrliche leütte, aber in general seindt es gar gefahrliche leütte. Ich meinte dießen churfürsten zu schlaw, sich durch münchen undt pfaffen zu regiren laßen; aber ich hoffe, daß, wen der churfürst sehen wirdt, daß dieße plagen ihn von seinen unterthanen wirdt verhast konnen machen, wirdt er sich zu etwaß beßers versehen undt solche schlime rähte nicht mehr folgen. Von viellen habe ich gehört, daß die printzes von Sultzbach sich blessirt, weillen I. L. im carneval zu sehr gedantzt [147] haben undt sich gar nicht geschondt; aber mitt schaden werden junge leütte weiß. Wer es die erste schwangerschafft, so were es gar gefahrlich, aber die zweytte; daß kan nichts schaden. Sie wirdt baldt wider schwanger werden; den so[1] solle große vivacitet haben. Die hitze ist nicht mehr so starck, alß sie geweßen. Wir haben raue nordtwindt; aber waß nun gar unleydtlich ist, daß ist der staub, so einem ersticken macht. Die große hitze mat sehr ab. Es ist abscheüllich, wie viel krancken nun sein, undt die kinderblattern fangen arger ahn zu rahßen[2], alß nie. Were ich nicht, bin ich gewiß, daß Lenor ihr Teütsch lengst vergeßen hette. Sie spricht kein gutt Frantzösch, daß ist war; allein sie hatt sich eine eygene sprach gemacht, die jederman verstehet undt doch weder Teütsch, noch gutt Frantzösch ist, undt alle menschen verstehen sie doch. Man hatt Eüch, liebe Louisse, nicht recht bericht; die fraw von Rotzenhaussen scheindt gar gewiß junger, alß [ich]; den ihr zähn seindt noch schon undt hatt sie alle; aber mir fehlen 3 undt die überigen seindt überzwerg undt sehr verschließen undt gelb; zum andern so ist sie lustiger, alß ich, lacht offter, daß macht auch noch junger außsehen. Daß kopffschütteln ist nur eine muthwill; den sie kans laßen, wen sie will, hatt sich dran gewent, einen kerl nachzumachen. Die fürstin Ussingen wirdt nun wißen, wie ihr naturallisirt brieff gestelt ist; den ich habe es ihr den Pfingsttag geschickt; bin froh, daß dieße fürstin so woll mitt mir zufrieden ist. Der herr von Gemingen ist wider hir weg. Er hatt sich gar gar woll gehalten, er weiß woll zu leben, er hatt zuletzt mehr, alß im ahnfang, gesprochen; er gewindt darbey, den er spricht gar nicht übel. Ob ich ihm zwar gesagt, mir seine brieffe zu geben, allein er hatt nicht gewolt. Er ist schon vor 14 tagen weg, sagt, er gehe nach Ittallien. Die fraw von Gemingen kan mir nur vor den gutten willen dancken; aber in der that habe ich weder ihr, noch ihrem sohn dinst geleist. Die den könig von Englandt so gegen seine kinder hetzen, haben eine schwere verantworttung vor gott. Der Kilmansegge[3] ist ein unglück geschickt; sie hatt ihr jüngstes döchtergen auff ein schiff gethan, so deß königs von Englandts esquipage führen solte; daß schiff ist verlohren gangen; es weiß kein mensch, wo es hinkommen ist[4]. Aber es schlegt 10, ich muß schließen, [148] sonst wirdt monsieur Teray mich zürnen; nur noch sagen, daß ich fürchte, daß ich Ewere sündt bey dem könig in Englandt bin undt daß er mehr von Eüch halten würdet[5], wen Ihr mir nicht so nahe weret. Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch recht lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 15. Juni 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 146–148
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1027.html
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