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St Clou den 15 Juni 1719 (N. 94).
Hertzallerliebe Louise, gestern bin ich zu Paris geweßen, undt
wie ich umb 9 uhr eben auß der commedie kam undt in kutsch
stieg, umb wieder herzufahr[e]n, brachte man mir Ewer liebes
schreiben vom 3 dießes monts, no 44, worauff ich hiemitt gleich
andtworten werde. Bleibt mir nach der promenade noch etwaß zeit
überig, werde ich noch waß dazu setzen undt auff daß, waß mir
noch überig von 30 May ist, andtwortten. Ihr habt recht, liebe
Louise, brieffe, worinen man gezwungen schreiben muß, seindt woll
mitt recht steiffe brieff. Wen man die leütte, woran man schreibt,
kent, gibt es eben keine große mühe, so weiß man, wie man seine
brieffe threhen soll; aber wen man die leütte nicht kent, geht es
au hazard, undt daß ist widerlich. Es war mir leichter, ahn dem
letztverstorbenen churfürsten zu schreiben, alß ahn dießem; den ich
hatte ihn hir gesehen undt kente I. L. Man muß die warheit
bekenen, wo Jessuwitter regieren, kompt selten waß guts herauß. In
particullier findt man wackere undt ehrliche leütte, aber in general
seindt es gar gefahrliche leütte. Ich meinte dießen churfürsten zu
schlaw, sich durch münchen undt pfaffen zu regiren laßen; aber ich
hoffe, daß, wen der churfürst sehen wirdt, daß dieße plagen ihn
von seinen unterthanen wirdt verhast konnen machen, wirdt er
sich zu etwaß beßers versehen undt solche schlime rähte nicht
mehr folgen. Von viellen habe ich gehört, daß die printzes von
Sultzbach sich blessirt, weillen I. L. im carneval zu sehr gedantzt
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haben undt sich gar nicht geschondt; aber mitt schaden werden
junge leütte weiß. Wer es die erste schwangerschafft, so were es
gar gefahrlich, aber die zweytte; daß kan nichts schaden. Sie wirdt
baldt wider schwanger werden; den so
[1] solle große vivacitet haben.
Die hitze ist nicht mehr so starck, alß sie geweßen. Wir haben
raue nordtwindt; aber waß nun gar unleydtlich ist, daß ist der
staub, so einem ersticken macht. Die große hitze mat sehr ab.
Es ist abscheüllich, wie viel krancken nun sein, undt die
kinderblattern fangen arger ahn zu rahßen
[2], alß nie. Were ich nicht,
bin ich gewiß, daß Lenor ihr Teütsch lengst vergeßen hette. Sie
spricht kein gutt Frantzösch, daß ist war; allein sie hatt sich eine
eygene sprach gemacht, die jederman verstehet undt doch weder
Teütsch, noch gutt Frantzösch ist, undt alle menschen verstehen sie
doch. Man hatt Eüch, liebe Louisse, nicht recht bericht; die fraw
von Rotzenhaussen scheindt gar gewiß junger, alß [ich]; den ihr
zähn seindt noch schon undt hatt sie alle; aber mir fehlen 3 undt
die überigen seindt überzwerg undt sehr verschließen undt gelb;
zum andern so ist sie lustiger, alß ich, lacht offter, daß macht auch
noch junger außsehen. Daß kopffschütteln ist nur eine muthwill;
den sie kans laßen, wen sie will, hatt sich dran gewent, einen kerl
nachzumachen. Die fürstin Ussingen wirdt nun wißen, wie ihr
naturallisirt brieff gestelt ist; den ich habe es ihr den Pfingsttag
geschickt; bin froh, daß dieße fürstin so woll mitt mir zufrieden ist.
Der herr von Gemingen ist wider hir weg. Er hatt sich gar gar
woll gehalten, er weiß woll zu leben, er hatt zuletzt mehr, alß im
ahnfang, gesprochen; er gewindt darbey, den er spricht gar nicht
übel. Ob ich ihm zwar gesagt, mir seine brieffe zu geben, allein er hatt
nicht gewolt. Er ist schon vor 14 tagen weg, sagt, er gehe nach
Ittallien. Die fraw von Gemingen kan mir nur vor den gutten
willen dancken; aber in der that habe ich weder ihr, noch ihrem
sohn dinst geleist. Die den könig von Englandt so gegen seine
kinder hetzen, haben eine schwere verantworttung vor gott. Der
Kilmansegge
[3] ist ein unglück geschickt; sie hatt ihr jüngstes
döchtergen auff ein schiff gethan, so deß königs von Englandts esquipage
führen solte; daß schiff ist verlohren gangen; es weiß kein mensch,
wo es hinkommen ist
[4]. Aber es schlegt 10, ich muß schließen,
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sonst wirdt monsieur Teray mich zürnen; nur noch sagen, daß ich
fürchte, daß ich Ewere sündt bey dem könig in Englandt bin undt
daß er mehr von Eüch halten würdet
[5], wen Ihr mir nicht so nahe
weret. Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch
recht lieb.