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Brief vom 25. Juni 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1030.


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St Clou den 25 Juni 1719, umb halb 9 morgendts (N. 97).
Hertzallerliebe Louisse, heütte werde ich exact auff Ewer liebes schreiben vom 10, no 46, andtwortten, so ich donn[e]rstag deßwegen verspart. Ich glaube, ich habe Eüch vergangen donnerstag bericht, wie einen schonnen burtzelbaum ich über einen kirschen[kern] gethan, undt weillen ich persuadirt bin, liebe Louise, daß Eüch dießes vielleicht in sorgen wirdt gesetzt haben, derowegen will ich hirmitt ahnfangen undt Eüch sagen, daß, außer daß ich ein wenig violet ahn, met verlöff, met verlöff (wie die alte fraw von Woltzogen alß pflegt zu sagen), hinterbacken habe, befindt ich mich im überigen gar woll davon undt hatt mir, gott lob, gar nichts geschadt. Gestern morgen spatzirt ich ein halb stündtgen in der Carmelitten closter, im gartten, will ich sagen, ohne die geringste incomoditet ahn dem schenckel zu verspüren. Es ist gewiß, daß gehen mir gar gesundt ist. Wen ichs nur beßer könt! aber es geht leyder klein her, wie der wolff sprach, so schnacken fraß[1]. Dieß ist ein sprichwordt von Lenor. Matante, die fraw abtißin von Maub[u]isson, wardt so ellendt von einem schlagfluß, nach welchem sie noch 2 jahr gelebt; sie bekame es, wie I. L. 85 jahr alt wahren. Daß solte mir eher geschehen können, alß ahn I. L. s., indem sie so dur[2] war wie ein scheydt holtz, ich aber dick undt fett. Man weiß keine andere ursach, warumb sie den schlag bekommen, alß weillen sie sehr sujet [159] ahn die migraine war, undt daß hörte auff einmahl auff; in selben jahr bekamme sie den schlag. Die große mode nun hir im landt ist taub-sein; ich bins, gott sey danck, noch nicht, aber schir alle meine leütte seins; die fraw von Rotzenhaussen, mitt der muß man nun auch gar lautt reden, wen sie einem hören solle. Ach, liebe Louise, nichts ist gemeiner, alß mein verstandt; außer le sens commun[3] kan ich mich nichts rühmen. Kein groß alter ambissionire ich; bin schon müde, so lang alt geweßen zu sein, wo gar keine lust bey ist. Erstlich wens die incommodit[e]ten nicht wehren, so daß alter mitt sich bringt, so hatt man doch daß, das man wie allein in der welt bleibt undt alle freündt undt bekandten sterben sicht, wovon ich gar nichts halte. In hohen alter macht man keine neüe freüden, man regretirt nur die, so man verlohren, [hat] nur ein einsames, ellendtes undt betrübtes leben zu schleppen, dadurch [man] andern undt sich selber eine last wirdt; daß ist warlich nicht zu wünschen, noch zu begehren. Ich halte die observationen in den calendern [für] eine pure bagatelle, aber umb mich zu amussiren, sehe ich darnach. Bin gar fro, daß Eüch Ewere aderläß woll bekommen. Gott erhalte Eüch lang bey volkommener gesundtheit! Aber heist Ihr, liebe Louise, eine aderläß woll, wen man recht kranck drauff wirdt? Von juleb-drincken werde ich gewiß woll nie kranck werden, ein juleb eckelt mich, wen ich nur dran gedencke. Kein eyß eße ich auch nicht. Confection de hiacinthe ist auch etwaß abscheüliches in meinem [sin], ju[s] aber ist gutt vor den magen undt gar nicht degouttant, bin auch persuadirt, daß ist, waß Eüch den magen wider zurecht gebracht hatt. Es were nicht nöhtig, daß mich die fürstin von Ussingen selber wider danckt, noch mein sohn; durch Eüch zu dancken, were schon genung. Ihr bruder ist noch nicht zu Paris. Vor dießem machte man ein so großes weßen vom 7ten sohn, daß die könige hir im landt eine pension drauff gesetzt hatten. Daß ist gantz abkommen; den man endtlich woll gesehen, daß es ein bloßer aberglauben war. Man meinte hir auch, daß der 7bente sohn die ecruellen[4] durch ahnrühren [heilen] könte; ich glaube aber, daß es eben so viel krafft hatt, alß der könige in Franckreich ahnrühren[5]. Wen man meinen raht folgen solte, so solten alle [160] potentatten befehl außgeben, daß man in allen christlichen religionen alle scheltwort abthun solte undt ein jedes glauben undt leben laßen, wie er es verstehet, undt die hart zu straffen, so uneinigkeit zwischen Christen ahnstellen wollen. Den daß ist, waß gott ahm meisten mißfehlt; den ahn fiellen orten deß neüen Testaments sagt unßer herr Christus, daß gott lieben von gantzem hertzen, von gantzer seelen undt allen kräfften undt seinen negsten alß sich selbst, darin bestehet daß gesetz undt die prophetten[6], worinen die gantz christliche charitet begrieffen. Aber eines den andern vor verdampt zu halten, ist geraht gegen dieße charitet; den daß macht den negsten haßen, ahnstatt ihn zu lieben. Also solte daß hoch verbotten werden; aber ich fürchte, man wirdt meinen raht weder nehmen, noch folgen. Der caissier zu Heydelberg hatt vielleicht waß vor Churpfaltz erspart, den hertzog von Württenberg zu entpfangen: drumb hatt man Eüch nichts geben können. Des königs in Preüssen raht können einen starcken nachdruck haben; den er hatt eine starcke armee auff den fuß gestelt; eine armée, so mitt großen gestücken sprechen kan, wirdt sehr persuasif[7]; also hoff ich sehr, daß des könig in Preussen brieff ahn Churpfaltz den armen Pfältzern dinlich sein wirdt. Gott gebe segen dazu! Ihr habt woll gethan, mir daß genealogie-buch ungebunden zu schicken; den mein buchbinder bindt beßer ein, alß man in Teütschlandt thut. Sobaldt ich es werde entpfangen … Es were aber beßer geweßen, liebe Louisse, den armen mehr zu geben haben undt mir nur geschrieben zu haben, waß die bücher kosten; die hette ich, ohne mich zu ruiniren, bezahlen können. Man hatt errahten, daß die müntz abschlagen würde: auff jede louisdor hatt man 20 sols abgeschlagen, gilten also nun ein livre weniger undt 35 livre[8]. Also umb weder Eüch, noch niemandts [161] zu betriegen, so bericht mich, liebe Louise, waß ich noch dran noch schultig bin! Ihr betriegt Eüch sehr, wen Ihr meint, daß es mir mühe gibt, Ewere lange brieff zu leßen; contrarie, Ihr thut mir einen rechten gefahlen dran, lange brieff zu schreiben, liebe Louise, undt mir zu berichten, waß vorgeht. Ich habe nichts auffs consile de Trente[9], den da weiß ich kein wort von, halte es auch nicht vor nöhtig zu leßen. Ich haße undt meyde alles, waß zänckisch ist in religion-sachen, undt bin persuadirt, daß solches der heyllige geist nicht dictirt hatt; den er ist ein geist der lieb undt deß friedens, kan also ohnmöglich zanck undt hader ahnrichten. Ich habe hiemitt, wie Ihr segt, Ewer liebes schreiben exact beantwortet undt Ewere 21 seytten in 6 beantwort. Also segt Ihr woll, liebe Louise, daß Ewere lange brieff mir kar keine ungelegenheit bringen, könt sie also so lang machen, alß es Eüch selber keine ungelegenheit bringt. Wir haben nun gantz undt gar nichts neües hir, werde also vor dießmahl nichts mehr sagen, [als] daß ich Eüch bitte, Ewer bogen zu schiffriren[10], wie ich thue; den Eweren bogen wahren so verlegt, liebe Louise, daß ich mühe gehabt habe, sie auß einander zu bringen, den sie wahren gantz verlegt; bin doch endtlich zu recht gekommen. Adieu, hertzlieb Louise! Seydt versichert, daß ich Eüch allezeit von hertz[en] lieb behalte!
P. S.
Wie ich eben von taffel kommen, habe ich Ewer paquet entpfangen sambt der fürstin von Ussingen ihren entpfangen, Ewer liebes schreiben vom 13 Juni, no 47; aber ich werde, wie schon gesagt, erst zukünfftige post drauff andtwortten. Die fürstin von Ussingen hatt gemeint, sie hette mir ein brieff vor meinem sohn geschickt; ich habe ihn aber nicht in ihr paquet gefunden. Bitte, sagts ihr doch von meinetwegen undt daß ich fro bin, daß sie mitt mir zufrieden ist! Adieu! ich muß ahn mein dochter schreiben, sage alßo nichts mehr, alß daß ich heütte nicht auff Ewer liebes schreiben andtwortten werde, auch nicht spatziren fahren, den es regnet, daß es plätzt[11]. Es ist kein schön, aber ein gutt wetter, [162] den die erde hatte es woll hoch von [nöthen]. Adieu noch einmahl, liebe Louisse! Ich ambrassire Euch von hertzen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 25. Juni 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 158–162
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1030.html
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