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Brief vom 6. Juli 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1032.


[164]
St Clou den 6 Julli 1719 (N. 100).
Hertzallerliebe Louise, gestern war ich zu Paris, da bracht man mir Ewer liebes schreiben vom 24 Juni, no 50. Ich machte es in großer eyll auff in hoffnung, zeittung von Eüch zu erfahren undt ob Eüch der schrecken nichts geschadt, auch ob Ihr außer daß schonburgische hauß sonsten waß durch den abscheülichen brandt verlohren habt. Den ein augenblick vorher, ehe ich Ewer [165] liebes schreiben bekamme, bracht mir die fraw von Rotzenhaussen ein schreiben, so man von Franckfort auß ahn einen von ihren gutten freünden, einen kauffman, geschrieben, so zu Paris ist, vom 29 Juni, daß durch einem bierbrawer der brandt ahngangen, so selbigen tag noch nicht gelescht war, ob zwar schon, wie er schreibt, 550 heüßer eingeaschert wehren, undt unter andern nent er den schonburgischen hoff, worüber ich woll hertzlich erschrocken bin undt desto mehr, daß Ewer liebes schreiben nur vom 24 Juni ist, alßo fünff tag vorher, undt ich also noch lang zu wartten habe, ehe ich erfahren, wie es mitt Eüch [steht.] Es schaudert mir, wen ich nur dran gedencke; den es ist etwaß gar abscheüliches. Gott wolle Eüch beistehen! Es verlangt mich unerhört, zeittung von Eüch zu bekommen. Wie kompts aber, daß der kauffleütte brieffe 5 tag frischer sein, alß die Ewerigen? Sie müßen ja doch durch dießelbe post ahnkommen, liebe Louise! Aber waß ich auch dazu sagen mag, wirdt es doch nicht endern, will derowegen auff Ewer liebes schreiben vom 20 Juni andtwortten. Die hitze matt mich ordinarie nicht ab undt schwitzen ist mir ordinari[e] nicht ungesundt. Ich fange heütte spät ahn, zu schreiben; den weillen es gestern mein tag war, 9 capittel in der Bibel zu leßen, welches ich nicht habe thun können, weillen ich nach Paris gemust, also habe ich es heütte gethan, hernach auff einen brieff von der königin in Preüssen geantwort, welche sehr betrübt über ihre hoffmeisterin ist, madame de Sacetot[1]. War sie nicht eine von den Lamotten dochter, endtwetter von deren, so bey meiner fraw mutter s. geweßen, oder die, so freüllen bey ma tante s., unßere liebe churfürstin, war? Madame de Berry ist zwar ein wenig beßer, kan aber noch auff keinen fuß tretten, wirdt mager undt sich[t] ellendt auß. Ich fürcht, ich fürcht, es werdt ihr weder in dießer, noch jener welt nutzen. Sie jam[e]rt mich. Es ist gewiß, daß, seyder sich die junge leütte ahn die frembt sachen undt vielle freßen undt sauffen gewohnt haben, seindt sie nicht mehr so frisch, starck undt gesundt, alß vorher. Unßer herrgott hatt einem jeden landt außgetheilt, waß den einwohnern gutt ist; dabey solten sie sich halten. Mein gott, wie kan so waß bitters undt stinckentes erfrewen, wie daß caffé ist! Wir hatten vor dießem einen rohtkopffigten ertzbischoff von Paris, der roch auß [166] dem maul eben wie der caffe[2]; daß gibt mir so einen großen eckel davor. Mein fraw mutter s. liebte alle mode, undt waß frantzösch war, fundt sie admirabel; ich bin aber gar ahn keine mode attachirt. Ihr hattet mir noch Ewer leben nicht verzehlt, wie Ihr mitt meiner fraw mutter s. thé undt caffé getruncken habt, alß nun, liebe Louisse! Ich fürchte, Ihr [werdet] dem armen duc de Schonburg nicht mehr viel zu wißen thun; den unßer liebe printzes von Wallis schreibt mir, daß er gar kranck ist, sie sagt aber nicht, waß vor eine kranckheit er hatt. Ihr werdt Eüch in dem zu getrösten haben. Ich hatte Eüch geschrieben, wie baron Willig hir war, wie ich meine meinung ahn die freüllen von Coedern braff gesagt; Ihr mögts aber woll vergeßen haben. Daß war auch nicht der mühe wehrt zu behalten; hettet Ihr mich nicht dran erinert, wüste ich es auch nicht. Aber ich habe nicht außgeschrieben, waß ich habe sagen wollen, nemblich daß Ihr Eüch werdt über Ewers schwagers todt werdt zu getrösten [wißen], indem daß es Eüch den graff undt die gräffin von Degenfelt wirdt zuführen. Aber ich muß nun eine pausse machen; dießen nachmittag werde ich dießen brieff außschreiben, mich aber nun ahnziehen, betten gehen, hernach zum eßen undt nach dem eßen wider herrein.
Donnerstag, den 6 Julli, umb 4 uhr nachmittags.
Nach dem eßen bin ich herrein, hab gemeint, gleich wieder zu schreiben können, aber, meins[3] gott, es kompt alß ein diable de contretemps, so einem ein streich drin thut. Erstlich so habe ich waß suchen müßen; daß hatt mich so abgematt, daß, so baldt ich mich gesetzt, bin ich entschlaffen, undt nun, da ich wider wacker bin, sagt man mir, daß der cardinal mich zu sprechen verlangt, muß also wider eine pausse machen.
Donn[e]rstag, umb halb 8 abendts.
Ich bin gleich, wie der cardinal weg, ins gebett, von dar a la promenade. Da komme ich jetzt her, liebe Louisse, will Eüch ferner entreteniren. Ich war heütte morgen ahn Eweren neveu undt niepce geblieben; die, hoffe ich, werden Eüch vollig über alle die [167] gehabte verdrießlichkeit trösten. Meine angst ist, daß Eüch der schrecken wirdt kranck machen; den so sachen seindt abscheülicher im ersten schlaff; die fewersbrunst solle umb mitternacht ahngangen sein. Es graust mir recht, wen ich dran gedencke, kan nicht recht ruhig sein, biß ich weiß, liebe Louise, wie es mitt Eüch abgeloffen ist; den die sach ist gar zu abscheülich; ich dencke seyder gestern abendts immer dran. Hatt den Ewer schwager keine ambtleütte, so die affairen verstehen? Undt sein raht, der ein gelehrter ist, soll der die affairen nicht so woll verstehen, liebe Louise, alß Ihr? Wo teüffel habt Ihr den die affairen gelehrnt? Daß lehrnt man ja zu Heydelberg nicht, liebe Louise! Da habe ich ja mein leben von keine affairen reden hören. Ich habe noch nicht mitt madame la princes[se] wegen Ewer[e]r sach sprechen können; den letztmahl, alß ich zu I. L. ging, hatten wir so viel von I. L. niepce, die duchesse Doursch[4], zu disputtiren gehabt, daß man von nichts anderst habe[5] reden können. Die printzes Christine von Salm, so eine falsches[6], böße person, aber ahngenehm von person undt hatt viel verstandt, die hatt ihre niepce so abscheülich bey madame la princesse eingehauen, daß sie sie nicht allein nicht sehen will, sondern auch ihren kinder verbotten, sie zu sehen undt zu sprechen. Daß betrübt daß arme muschelgen so erschrecklich, daß sie mich recht gejammert hatt; ich tröste sie, so gutt ich kan. Herr Fesch ist ein witwer, hatt einen sohn undt bejammert noch alle tag seine verstorbene fraw. Ich glaube aber, daß, wen die fraw von Zachman gewohlt hette, würde sie ihn woll getröst haben. Ich finde, daß er recht hatt; den man kan kein artiger weibgen sehen, alß sie ist, sowoll von figur, alß maniren. Der herr Fesch ist ein Schweitzer, so viel verstandt [hat.] Er ist raht bey dem margraffen von Durlach, ein rechter wacker, ehrlicher man[7]. Er ist hir bey hoff wegen den affairen von den Schweytzern. Er ist reformirt. In meinen sin hatt die margraffin von Baaden Baden eine unnöhtige, albere reiße gethan. Alle menschen, die Catholische selber hir, lachen sie mitt auß. Hatt sie es aber ihrem herrn auff dem todtbett versprochen, so hatt sie daß unrecht nicht, sondern ihr herr. Ich hette mein leben nicht gedacht, die princes Sobiesqui solle mitt 2 fregatten vom papst ihren herrn auff der see suchen, aber seine [168] spanisch[en] troupen sollen in Schottlandt braff gebutzt sein worden. Ich habe ich[8] schon letzte post vor den Virgill[i]us undt genealogiebuch gedanckt, dabey gebetten, zu sagen, waß Eüch der Virgillius kost. Hirmitt ist Ewer liebes schreiben vom 20 vollig beantwortet, werde den vom 24 vor sontag sparen, wo wir[9] gott leben undt gesundtheit verleydt. Adieu, hertzliebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch allezeit lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 6. Juli 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 164–168
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1032.html
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