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Brief vom 27. Juli 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1038.


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St Clou den 27 Julli 1719 (N. 6).
Hertzallerliebe Louise, vor zwey tagen habe ich Ewer liebes schreiben vom 11 Julli zu recht entpfangen. Wo mir recht ist, so war es vergangenen sontag abendts. Ich glaube, ich habe Eüch selbigen tag einen dollen brieff geschrieben; den ich selber schir nicht gewust, waß ich sage, indem ich alle augenblick bin interompirt worden, undt werde noch alle tag accablirt von leütten. Die betrübtnuß hatt mir die galle undt miltz gantz auffrührisch gemacht; bin heütte schon 4 mahl gangen undt habe bitter übel geschlaffen. Ich weiß nicht, ob ich Eüch gesagt habe, liebe Louisse, daß der könig mir vergangen sontag die ehre gethan, mich hir zu besuchen undt compliment zu machen. Biß sambstag werde ich I. M. in grand habit dancken gehen; er hatt mir aber erlaubt, ohne voile zu I. M. zu gehen. Biß sontag, wo mir gott leben undt gesundtheit verleyet, werde ich Eüch berichten, wie es abgangen. Ich habe einen rechten trost entpfunden, zu vernehmen, daß Ihr, liebe Louise, [189] wieder woll seydt. Gott erhalte Eüch lange jahren bey gutter gesundtheit! Die Rhein- undt Manheimer-schnacken seindt gifftiger, alß die hießigen. Ich habe einmahl Carllutz s. die augen gantz zu davon gesehen. Cousinieren[1] habe ich auch von gaze, aber seyder mein ahtem kurtz geworden, kan ichs nicht mehr vertragen, erstickt mich. Wen herr Max jemandts einschlaffen sahe, so macht er ihm die schnacken-musiq; aber mitt dem grünen von einer zwiebel machte er auch gar perfect daß gesang von den nachtigallen. Der cantzeller Frieß ist es der, welcher zu Heydelberg in I. G. deß churfürsten, unßers herr vatter, dinsten geweßen undt eine Frantzössin von Metz genohmen hatte, eine alte madame Ehm ihr dochter? Die ist vielleicht gestorben undt der herr von Friesen kan herr Max frawen schwester bekommen haben. Der herr Fries müste aber nun gar alt sein; den er wahr gar gewiß viel alter, alß ich. Nun Ewer schwager gestorben, werdt Ihr woll baldt Ewere kinder, wie Ihr sie heist, bey Eüch bekommen. Ich mache Eüch auch mein compliment über den verlust Eweres schwagers. Man hatt, wie die printzes von Wallis mir schreibt, ihn todt undt gantz steiff undt strack auff seinem kaakstuhl gefunden, nachdem er woll zu mittag geßen hatt. Der graff Degenfelt hatt mir seinen todt bericht; ich habe ihm gleich wider geantwort. Vergangenen dinstag 2 stundt zuvor, alß ich seinen brieff entpfangen, kam madame Charton[2] undt sagte mir den todt von duc de Chonberg. Ich schriebe gleich ahn mein sohn undt schickt[e] ihm einen exampt von meiner garde, umb ihn zu verhindern, jemandts anderst Coubert, undt waß er hir in Franckreich hatt, zu geben, alß seinen (ich will sagen deß duc de Schonberg) dochtern zu geben, den[3] es mir mein sohn auch accordirt hatt; also ist davor in keinen sorgen zu sein, den daß ist sicher. Graff Degenfelt sagt, sein schwiger her vatter hette alle die frantzösche gütter seiner gemahlin vermacht. Ich habe ihm geschrieben, daß er sehen mögte, wie sie sich mitt einander in dem stück vergleichen wolten, daß ich gethan, waß bey mir gestandten.
Wie ich heütte morgen ahn dießen wordt gestandten war, ist man mir sagen kommen, daß es zeit were, mich ahnzuziehen. Sobaldt ich ahngethan, hab ich in kirch gemüst, nach der kirch ahn [190] taffel; nach [dem] eßen habe ich mich gesetzt, umb zu schreiben[4]; den in 4 nachten habe ich nur eine geschlaffen, dieße nacht gar wenig; also kein wunder, daß ich gleich entschlaffen bin. Wie ich erwacht, hatt man mir den Jessuitte hergeführt, so die fasten in Lotteringen gepredigt. Es ist gar ein bekanter man, der marechalle de la Ferté ihr sohn, deß letzt verstorbenen ducs bruder; es ist ein man von großen verstandt undt, wie die gantze famille, recht poßirlich. Er hatt mir den gantzen brandt von Luneville[5] verzehlt; daß hatt gewehrt, biß man ins gebett geleütt. Nach dem gebett bin ich spatzir[e]n gefahren biß jetzt, da es schon 8 geschlagen hatt; werde also heütte nicht viel mehr schreiben können. Mein gott, wie sehr bin ich Ewerer meinung, daß viel leütte zu sehen, mehr beschwehrlich, alß zeitverdreiblich ist! Den man erfahrt mehr sachen, so einem mehr verdrießen, alß gefahlen. Man hatt gar viel exempel, daß krancke leütte im fabeln undt sterben prophezeyt haben. Mein bruder s. solle im sterben daß gantze unglück von der Pfaltz in lateinische[n] versen recitirt haben. Ihr habt die Wilder woll gekent undt wist woll, liebe Louisse, daß der elste sohn sein jüngstes brüdergen unglücklicher weiß erschoßen hatt. Eine von den schwestern bekam ein hitzig fieber undt rieff alß: Last bruder Carlgen nicht zu bruder Wilm! er wirdt ihn erschießen, welches etlich tag hernach geschehen. Wen Ihr weg geht nach Geisenheim, so last wenig sachen zu Franckfort in allem fall! Den vielleicht gibt Eüch gott der allmachtige eine warnung. Nun, hoffe ich, werdet Ihr Eüch nicht mehr mitt den schonburgischen sachen plagen undt den graff Degenfelt gewehr[e]n laßen. Mich wundert, daß Ihr Ewer schwagers todt noch nicht gewust; er jammert mich. Ich meinte, daß geschlegt were nicht außgestorben undt noch Schonburgische vorhanden wehren. Jedes landt hatt seine rechten undt maniren, hir ist es sehr different von Teütschlandt. Die pfaltzische sachen seindt un fait a part[6], so nicht in die andern sagen[7] gehören; insonderheit seyder der papst daß urtheil gegen unß gesprochen, seyderdem hatt mein sohn nichts mehr mitt allen pfaltzischen sachen zu thun. Ich will durch einen advocatten die sach auffsetzen [laßen], damitt Ihrs beßer begreiffen möget; ich kans nicht so woll expliciren. Ich [191] schicke Eüch der fürstin von Ussingen brieff wider, weillen ich, wie ich Eüch schon gesagt, den ersten wider gefunden undt meim sohn geben hab. Hirbey schicke ich auch ein schreiben for sie von madame Dangeau. Es ist mitt der armen duchesse de Berry gangen, wie in dem lutherischen liedt stehet:
Vor dem todt kein kraut gewaxsen ist[8],
Mein lieber Christ!
Alles, waß lebet, sterblich ist.
Alle leütte, insonderheit die jungen, meinen, daß ihnen nicht[s] schaden kan, bringen sich selber umb leben, wie dieße leyder gethan, undt ich zittere vor meinem sohn, daß er es auch so machen wirdt. Es mortificirt[9] mich erschrecklich, nicht mehr zu nacht zu eßen dörffen; allein es ist doch noch beßer, nicht zu nacht zu eßen, alß kranck zu sein undt viel zu brauchen müßen. Mein ey ist gar nicht astringent; Ihr müsts nicht recht gemacht haben. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwort undt ich schwitze so erschrecklich, daß ich wie in einem baadt bin. Adieu, liebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt verbleibe, so lang ich lebe, die person von der welt, so Eüch ahm liebsten hatt.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 27. Juli 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 188–191
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1038.html
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