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Brief vom 30. Juli 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1039.


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St Clou den 30 Julli 1719 (N. 7).
Hertzallerliebe Louise, ich weiß nicht, ob ich Eüch heütte eine gar exacte andtwort auff Ewer liebes schreiben werde thun können; den ich bin ein wenig kranck. Ich hette gestern nach Paris gesolt, aber vorgestern ist mir auff einmahl ein solcher starcker husten ahn[kommen], daß ich von 2 biß 4 ohne auffhören gehust, alß wen ich ersticken solte; drumb habe ich meine Parisser reiße abgestelt. Dieße nacht habe ich zwar viel gehust, aber kein ersticken gehabt, noch so erschreckliche hitz, so eine frantzosche dame la fievre heißen solte; aber bey mir muß es frost undt hitze gelten, umb daß ichs fieber heiße. Waß ich habe, kompt mir nur von der betrübtnuß, angsten undt schrecken, so ich 14 tag lang bey madame de Berry in ihrem[1] letzten tagen außgestandten habe in der [192] [un]außsprechlichen hitze, so wir nun hir haben, so überall kranckheitten verursachet. Gantz Paris ist nun voller kinderblattern, rodtlen undt hitzige fieber. Daß angstet mich recht vor meinem sohn; den sein stediges arbeytten in dießer hitze sambt sein[e]r erschrecklich[en] betrübtnuß über den verlust seines liebstes kindt matt ihn abscheülich ab undt kan auff die lenge kein gutt thun undt daß ängstet mich recht. Gott stehe unß bey! wir habens hoch von nohten. Will von waß anderst reden, diß ist gar zu trawerig; komme auff Ewer liebes schreiben vom 15, no 56, so ich vergangen donnerstag entpfangen. Mich deücht, unßere comerse geht nun gar richtig. Es ist wahr, liebe Louise, ich bin, alß in[2] den brand von Franckforth erfahren, in rechten sorgen vor Eüch geweßen, biß ich erfahren, wie es abgangen. Gott seye ewig danck, daß es so woll abgeloffen undt Ewer hauß nicht auch im brandt gerahten, wie leicht geschehen hette können, undt behütte Eüch ferner, liebe Louise, vor allem unglück! Unßere briff gehen langsam, aber doch richtig. Wo mir recht ist, so heist der kauffman Platz; ich weiß doch nicht recht, aber Ihr werdt ihn baldt sehen; den ich habe ihm ein gruß vor Eüch, liebe Louisse, ahnbefohlen. Schonbornischen undt Schonburgische, da kan man gar leicht eines vor daß ander nehmen; wundert mich also nicht, daß man es in liste gesetzt hatt. Solte der brandt offen[3], solte es keine lust geben, zu Franckfort zu bawen. In dem callender, den man le Lieg[e]ois[4] heist, traut[5] man viel von incendie, wie schon diß jahr geschehen ahn viellen ortten. Ewere teütsche kinder können nun kommen, wen sie wollen; nichts stehet ihnen ja mehr im weg, nun der duc de Schonburg todt. Ihr werdet [193] durch meine andtwort sehen, daß mir keines von Ewern lieben schreiben fehlt. Ich solte leicht glauben, daß mortbrener in der statt Franckfort sein; den es ist gar zu arg. Aber wer solte es befohlen haben? Daß were ja eine abscheüliche boßheit. Wer seindt den der Franckforter feindt? Solte man von denen mortbrener ertapt haben, merittirten sie woll eine große straff. Man kan nicht genung in dießen zeitten auff feüer undt licht achtung geben. Es ist gewiß, es ist etwaß in dem gestirn, so zum feüer neigt. Waß hatte der graff von Solms den bößen kerl gethan, so ihm sein dorff in brandt gesteckt? Daß zeichen ahm himmel haben wir hir im Aprill gesehen, ehe ich von Paris weg; ich glaub, ich habe es Eüch damahl geschrieben[6]. Waß wir zu Paris gesehen, war in der nacht wie ein heller sonnenschein, hatt kein vatter-unßers-lang gethawert; ahn andern ortten in dießem landt hatt man es alß eine feüerige kugel gesehen. Von dem armen duc de Schonburg sage ich nichts mehr; den Ihr werdet durch mein letztes schreiben ersehen haben, daß ich weiß, wie er geendet hatt. Man meint, daß es ein groß [glück] vor seine dochter ist, daß er so plötzlich gestorben; den man sagt, daß sein intention geweßen, seine metres vor seine fraw zu erklären, seine dochter zu enterben undt seinen bastart, so er mitt der metres hatt, vor seinen erben zu erklären. Daß were abscheülich geweßen undt ein falsch stück, nachdem er seiner dochter undt graff Degenfelt so viel amitié erwießen; aber es ist woll abgangen. Ich hoffe, daß Ihr nun beßere ruhe haben werdet undt graff Degenfelt seine affairen selber führen laßen. Arbeytten wehr[e] meine sache ebensowenig, alß in affairen zu führen[7]. Könte ich mahlen oder woll reißen[8], were es woll meine sache. Hirbey kompt 40 sols vor den Virgillius[9]; es ist aber leyder der nicht, so in ungereimbten versen war undt mir Carllutz gelehnt hatte; ist woll schadt, daß er nicht mehr zu bekommen ist. Mein bruder s. sagte, er hette sein leben nichts beßers übersetzt gesehen. Von den todten undt lebendichen hoffmeisterin von Berlin werde ich nichts mehr sagen, alß daß die königin von Preüssen woll gethan, jemandts bekandts zu nehmen undt so ihren dinst schon gewohnt ist. Hiemitt [194] ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet undt ich weiß nichts neües, aber woll waß altes, nehmblich das ich Eüch, liebe Louisse, von hertzen lieb habe undt allezeit behalten werde.
P. S.
Ich entpfange alleweill Ewer schreiben, liebe Louise, vom 18, no 57, werde es aber vor donnerstag sparen, wo mir gott leben undt gesundtheit verleyet.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. Juli 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 191–194
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1039.html
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