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Brief vom 6. August 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1041.


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St Clou den 6 Augusti 1719 (N. 9).
Hertzallerliebe Louise, ich bin kranck wie ein armer hundt, ob ich mich zwar sehr schonne undt weder im staub, noch in die son gehe, auch nicht auß St Clou bin, seyder ich den wüsten husten [habe], so just heütte 10 tag ist, daß er mir ahnkommen. Wie ich Eüch schon bericht verwichenen donnerstag, liebe Louisse, so hatt er so abscheülich zugenohmen, daß ich weder nacht, noch tag ruhe davor habe. In den 10 tagen habe ich keine nacht 4 stundt nach einander geschlaffen, kan auch nicht woll eßen, den eßen undt drincken ist mir bitter im mundt wie lautter galle. Aber hiemitt genung von meinem wüsten husten gesprochen, so mich gestern zwey mahl schir erstickt hette, konte kein ahtem schöpffen, wurde violet. Deßwegen will monsieur Teray, daß ich morgen den grünen safft nehmen solle; den er sagt, daß, wo ich die galle, so mir alles so bitter im mundt macht, nicht weg treibe, wirdt sie mir daß fieber undt eine inflamation in der brust verursachen undt mich in lebensgefahr setzen. Ich hatte ein wenig mühe, mich zu resolviren, bey der abscheülichen hitze zu purgiren undt in den hundtstagen; allein weillen es monsieur Teray vor so sehr nöhtig helt, muß ich es woll thun, damitt man mich nicht auch beschuldiget, mich selber umbs leben gebracht zu haben. Waß weyder drauß werden wirdt, soll die zeit lehren. So mir gott daß leben biß donnerstag verleyet, werde ich Eüch berichten, wie es abgeloffen; komme aber nun auff Ewer liebes schreiben vom 22 Julli, no 58, so ich noch zu beantwortten habe. Ich habe Eüch schon letzte post gesagt, wie wenig es zu bewundern ist, daß ich mich gantz vor Eüch, liebe Louisse, interessire undt Eüch in mein gebett schließe. Wolte nur gott, daß es gutt genung were, von dem allmächtigen erhört zu können werden! Bin fro, daß Eüch die versicherung meiner tendren freündtschafft vor Eüch Euch so touchirt undt recht ahngenehm geweßen. Wozu solte ich gutt sein, wen ich kein guttes hertz undt gemühte hette? Ich piquire mich[1], nicht wie andere fürstliche personen zu sein. Ich bin persuadirt, daß das groste vergnügen dießer [198] [welt] in wahrer, ehrlicher freündtschafft bestehet undt daß, wer nicht capabel ist, die seinige zu lieben, kein recht vergnügen in der welt haben kan. Ich habe keinen ergeitz, will nichts regieren, würde auch keinen lust drin finden. Daß ist der frantzoschen weiber einige sache[2]; keine küchenmagt hir glaubt, daß sie nicht verstandt genung habe, daß gantze königreich zu regier[e]n, undt daß man ihr daß gröste unrecht von der welt thut, sie nicht zu raht zu ziehen. Daß hatt mich alle ambition gantz verleydt; den ich finde ein solch abscheülich ridicul hirin, daß mir davor graust. Auß[er] madame de Chasteautier[3] sonsten [weiß ich] keinen menschen hir im landt, so nicht interessirt ist; drumb wollen sie alle regieren, umb reich zu werden. Ob ich zwar nach meinem standt arm bin, wolte ich mir doch keine mühe geben, umb mehr zu haben. Madame de Berry, so noch einmahl so viel einkommen hatte, alß ich, lest, außer waß man von ihrem gelt bezahlen kan, meinem sohn noch 400/m. livres schulden; daß wirdt man, ob gott will, bey mir nach meinem todt nicht finden. Es muß ein boßer ahnstalt bey dem feüer zu Franckfort geweßen sein; den hette man gleich heüßer abgebrochen undt, waß gebrendt, außbrenen laßen, were nicht so viel unglück geschehen. Ihr habt woll recht, liebe Louise, wen ein unglück sein soll, muß sich alles dazu schicken. Ich habe die storchen recht lieb, haben mich manche stunden ahn meinem fenster zu Heydelberg amussirt[4]; man könte gantze bücher schreiben von waß man dießen verständigen vögeln thun sicht. Die affairen wegen der religion in der Pfaltz seindt woll recht pfaffenwerck. Man will sehr glauben machen, daß man eine große freyheit der religion in der Pfaltz lest. Daß breytten die Wießer auß undt der vicecantzler Franc; ich habe es aber sehr widerstritten wegen deß amportements, so man gegen dem heydelbergischen [katechismus] gehabt hatt[5]. Die pfaffen sein freche schlüngel, die sich nicht viel bekümern, ob sie ihres herrn befehl übergehen oder nicht. Es ist nicht zu beschreiben, welche eine unaußsprechliche hitze man seyder 14 tagen hir außstehet; daß macht auch viel krancken undt sterben. Die kinderblattern regieren abscheülich zu Paris; daß macht mich bang vor [199] meinem sohn, so sie nie gehabt hatt, undt auch vor dem könig. In dießem augenblick lest mir mein sohn sagen, daß die statt von St Sebastien über ist, aber daß schloß noch nicht[6]; also, wie mans Eüch gesagt, war eine prophezeyung; den Ihr secht woll, daß es noch nicht über hatt sein können, weillen es jetzt erst übergangen. Ich muß nun meine pausse machen; den es wirdt spät. Dießen nachmittag werde ich außschreiben, bin just ahn die helfft von der andtwort.
St Clou, sontag, den 6 Aug., umb halb 6 abendts.
Gleich nach dem eßen habe ich der armen fraw von Rathsamshaussen droben eine vissitte geben; den seyder vergangen donnerstag hatt sie sich sehr übel befunden, man hatt ihr heütte zur ader gelaßen. Daß fieber ist ihr, gottlob, gantz vergangen. Ich bin zimblich lang bey ihr geblieben. Wie ich wieder herein, bin ich gleich entschlaffen, bin nur wacker worden, wie man in kirch geleütt, habe aber, wie ich in kirch gangen, mehr brieff entpfangen, alß ich in beyden handen hette halten können, ein groß paquet von meinem secretaire des commandemant mitt brieffen, so ich ihm zu schreiben befohlen, ein groß paquet von der verwitibten königin in Spanien, Ewer liebes schreiben vom 25 Julli, no 59, ein groß paquet von Strasburg, ein groß paquet von I. L. der printzes von Wallis, eines von der gräffin von Bückeburg, eines von mademoiselle de Malause undt noch zwey ander[e]. Da secht Ihr woll, liebe Louisse, daß ich nicht müßig geblieben. Ewer liebes schreiben ist vor heütte nicht zu beantwortten. Ich dancke Eüch vor daß kupfferstück von Franckfort; ich sehe recht gern so sachen. Ich will nur auff Ew[e]r liebes schreiben vom no 58 andtwortten, wie ich heütte morgen gesagt, aber ich werde noch eine pausse machen; den die hitze ist so erschrecklich, daß ich woll ein wenig frische lufft schöpffen [muß], umb dieße nacht nicht gar zu ersticken. Aber da schlegt es 6 undt meine calesch kömpt ahn; ich werde gleich nach der promenade Eüch ferner entreteniren. [200]
Sontag, umb halb 8 abendts.
In dem augenblick komme ich von dem spatzir[e]n-fahren. Ich hab mein sohn im vorhoff begegnet; der ist zu mir in die calesch geseßen, wirdt hir schlaffen. Er hatt unß nichts neües gebracht, alß daß der könig in Spanien[7] geschwindt nach Pampelune gereist, weillen der printz des Asturies[8], sein elster sohn, gar kranck ahn einem hitzigen fieber dort ist. Ich meinte, liebe Louise, daß, wen man nicht gar jung mehr ist, so were daß baden ungesundt mitt sauerbrunen-waßer. Muß es den waß anderst sein, alß sonst warm waßer? Es ist mir leydt, liebe Louise, aber ich muß Eüch doch sagen, daß es eine schlimme sache ist, knie-wehe zu haben; den sie kommen nie wider zu recht; ich weiß es durch experientz. Gott gebe, daß ich mich betriegen mag undt daß Ihr frisch undt gesundt wieder auß dem Schlangenbaadt kommen möget! Ich finde Eüch glücklich, zu reißen können undt dörffen; nichts liebers thäte ich, aber da ist nicht ahn zu gedencken, den es ist durchauß ohnmöglich. Ich bin fro, daß Ewere reiße unßer commerse nicht interompiren wirdt. Wie könt Ihr, liebe Louisse, noch in zweyffel stehen, daß Ewer schwager nicht todt, da es mir der graff von Degenfelt doch so possitivement geschrieben hatt? Wehren Ewere kinder catholisch, so würden sie ohne difficultet erben; aber weillen sie reformirt, muß es eine verneüerte gnade sein. In Teütschlandt seindt die 3 christliche religionen frey, aber in Franckreich wist Ihr woll, daß es nicht so ist; drumb habe ich Coubert fordern müßen. Ihr werdet auß einen meiner schreiben ersehen haben, wie ich die sach außgemacht, ehe ich graff Degenfelts brieff entpfangen hatte. Habe keine zeit versaumbt; den hir findt man leütte, so gutten apetit haben undt auff alles paßen, umb es auffzuschnapen. Drumb hab ich gleich ahn mein sohn geschrieben undt die sach erhalten. Wie ich aber nicht gewust, daß sie schon d’accort vou der sach wehren, habe ich es vor die zwey dochter gefordert; sie mogen sich hernach mitt einander vergleichen, undt ihm fall Coubert dem graff Degenfelt nicht gefallen solte undt er es nicht behalten [mag,] will ich ihm einen kauffman schaffen, wen er will. Ich weiß leütte, so lust dazu haben undt mich schon zu deß duc de Schonburg leben gebetten hatten, bey Eüch zu sondiren, ob er es nicht verkauffen [201] wolte. Schreibt, waß ich drauff andtwortten solle! Adieu, hertzliebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen, undt so lang mich mein verfluchter husten nicht erstickt, werde ich Eüch allezeit recht lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 6. August 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 197–201
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1041.html
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