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Brief vom 13. August 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1043.


[205]
St Clou den 13 Augusti 1719 (N. 11).
Hertzallerliebe Louisse, ich sehe gar gern, daß unßer commers nun so richtig geht. Gott gebe, daß es dawern mag! Ich habe Eüch schon vergangen donnerstag bericht, liebe Louise, daß ich Ewer liebes schreiben vom 29 Julli, no 60, zu recht entpfangen. Darauff werde ich nun andtworten. Freyllich hatt es daß[1] trawerige leben, so ich 14 tag bey madame de Berry geführt, undt daß abscheüliche spectacle, so ich dort gesehen, ahn meiner gesundtheit geschadt; aber monsieur Terray hatt mich mitt seinem grünen kreütter-safft wieder courirt; bin nun zwar wider gantz gesundt, aber mitt ursach recht gridlich. Aber waß mich plagt undt unlustig macht, seindt keine materien, der so gar unsichern post zu trawen[2]; [will] also von waß anderst reden. Ihr werdet auß meinen schreiben ersehen haben, daß ich nur gar zu woll von madame de Berry kranckheit geurtheilt habe. Man [kann] nicht mitt größerer gelaßenheit, sänffter, noch ruhiger sterben, alß sie gestorben ist; hatt nicht den geringsten abscheü vor den todt gehabt, ist eben gestorben, wie man einschläfft. Sie hatte viel verstandt undt eine naturliche eloquent[3]; sprach woll, wen sie wolte. Mein sohn befindt sich, gott lob, noch woll; aber er hatt sich vergangenen mitwog einen fuß so abscheülich verrengt, daß er nicht drauff tretten kan. Mein sohn ist sehr touchirt geweßen; madame de Berry war sein lieb[s]tes kindt undt waß er in der welt ahm liebsten hatte. Vor alle gutte wünsche, so Ihr, liebe Louise, meinem sohn thut, dancke ich sehr. Freylich muß man woll alles von gottes handt ahnnehmen, dem man alles auch ergeben muß; aber unßer herrgott erlaubt doch, daß man entpfindtlich vor die seinigen ist undt sie lieb hatt; undt man kan sie nicht lieb haben undt, ohne das[4] es einem schmertzt, sterben sehen; daß ist ohnmöglich. Aber man muß die schmertzen gott auffopffern undt, so baldt möglich, sich in seinen willen ergeben. Aber daß verhindert nicht, daß geist undt leib dabey sehr leyden; aber man muß gedencken, wie in dem lutterischen liedt gesungen wirdt:
[206] Soll[5] ja so sein,
Daß straff undt pein
Auff sünden folgen müßen,
So fahre fort[6]
Undt schonne dort
Undt laß mich hir woll büßen![7]
Ihr werdet auß meinen schreiben ersehen haben, wie daß ich eher, alß Ihr, den todt von dem armen duc de Schonburg erfahren. Ihr habt dießen todt gar spat erfahren; alle menschen wustens überall; fürcht also vor die lehen. Aber, liebe Louise, alß Ihr zu Schwetzingen wahret, hettet Ihr nicht vor die lehen vorbawen können, wie Ihr zu Schwetzingen bey Churpfaltz wahret? Den der duc de Schonburg war doch alt undt kräncklich genung, umb zu glauben können, daß er es nicht weit mehr bringen würde. Die hitze wehret noch undt wir haben keinen tropffen regen seyder nahe bey 4 wochen gesehen; jedoch so muß irgendts ein wetter geweßen sein; den daß wetter ist morgendts undt abendts abgekühlt, aber den gantzen tag von 10 morgendts biß 6 abendts ist die hitze unaußsprechlich. Es seindt überall erschrecklich viel krancken, insonderheit zu Paris. Man hatt alleweill monsieur Teray vor den comte d’Evreux abgeholt, deß duc de Bouillons[8] zweytter sohn. Betrübtnuß ist allezeit ungesundt; wundert mich also nicht, daß die gräffin von Degenfelt die colique nach ihres herrn vatters todt bekommen. Mademoiselle de Malausse schreibt, daß die elste auch kranck auß betrübtnuß geworden ist. Überall hört man nichts mehr, alß unglück undt betrübtnuß. Gott stehe unß bey! Der alte marschalck, deß duc de Schonburg herr vatter, hatt es weitter gebracht, alß der sohn; den er war, glaube ich, über die 80, wie er gestorben ist. Ach, liebe Louise, Ihr wist ja woll, daß jedem seine zeit undt stundt gesetzt ist, worüber man nicht schreitten kan. Aber ich bin doch persuadirt, daß man die kranckheitt[e]n, so nicht zum todt sein, vorkommen kan; also bitte ich Euch, liebe Louisse, schont Eüch doch ein wenig in dießer hitze undt greifft alles nicht zu hefftig ahn in dießer hitze, so gar ungesundt ist! Wir habe[n] nun gantz undt gar nichts neues hir undt Ewer [207] liebes schreiben ist vollig beantwortet. Entpfange ich dießen nachmittag ein schreiben von Eüch, oder erfahre etwaß neües, werde ich es noch hir zusetzen, hiemitt aber nicht mehr sagen, alß wie ich Eüch, liebe Louise, allezeit von hertzen lieb behalte undt gott bitte, Eüch beyzustehen undt woll zu conserviren.
Sontag, umb 5 uhr nachmittags.
Wie ich von taffel kommen, hab ich Ewer liebes schreiben vom 1 Augusti, no 61, entpfangen; aber, wie ich Eüch schon gesagt, so werde ich es heütte nicht beantworten. Da rufft man mich, den embassadeur von Sicillien zu sehen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 13. August 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 205–207
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1043.html
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