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Brief vom 7. September 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1050.


[232]
St Clou, den 7 September 1719 (N. 18).
Hertzallerliebe Louisse, ich habe vergangen sontag Ewer liebes schreiben vom 23 Aug., no 67, zu recht entpfangen. Es ist heütte daß fest von St Clou undt kirmeß im dorff, drumb schicke ich Eüch hierbey, liebe Louise, ein beer[e]n-, katzen-, affengesicht[1], wie I. G. der churfürst, unßer herr vatter, alß pflegt zu sagen, welches ich mich flattire Eüch doch eben so ahngenehm wirdt sein, alß ein schachtelgen, das ich alle jahr zu schicken pflege. Ich werde hinfüro welche mehr schicken können; den mein sohn hatt mir mein einkommen von 50/m. frantzösche thaller vermehret, daß macht 160/m. francken[2]; also bin ich nun reich, wie Ihr segt, liebe Louise, undt kan ohne scrupel spendiren. Aber genung hirvon! Ich komme auff Ewer liebes schreiben vom 23 Aug., no 67; bin froh, daß Ihr gefunden, liebe Louise, daß ich nicht gefehlt, zu schreiben. Aber es ist mir leydt, daß Eüch daß brieff-auffhalten in so großen sorgen vor mich gesetzt hatt; den inquietuden seindt ungesundt; hoffe, daß das Schlangenbaadt alles abwaschen wirdt. Matheys[3] undt Ewer cammermägdtgen haben doch recht gehabt, zu sagen, daß der brieff muß liegen geblieben sein. Man ist zimblich negligent auff den posten. Ihr habt aber recht gehabt, Eüch selber zu flitzen, daß Ihr Eüch so ohnnohtige sorgen gemacht habt; aber daß ist doch gantz naturlich, daß man in großen sorgen ist, wen man die brieffe nicht entpfangt von seinen freündt undt verwanten, so man hette haben sollen. Man hatt nicht desto weniger vertrawen zu unßern herrgott; der verbiedt nicht, die seinigen lieb zu haben undt in sorgen [für sie zu sein]. Man hatt desto mehr ursach, gott zu dancken, wen man sicht, daß nichts übels geschehen; also nimbt es doch ein gutt endt. Das ist kein großer possen, Eüch meine brieffe 24 stundt auffzuhalten, wen der herr postmeister nichts [233] schlimers erdenckt. Mein gott, wie muß alles in dem armen Teütschlandt geendert [sein! Zu meiner] zeit hette man einen postmeyster woll außgelacht, wen er ahn graffliche lehen pretendirt hette. Mich deücht, nun gehet alles drunter undt drüber ohne distinction; daß kan mich verdrießen. Pfaffen gönne ichs auch nicht woll. Ich wolte, daß es der graff Degenfelt hette; dem gönte ichs von hertzen. Ist es möglich, daß der itzige keyßer so wenig wercks von leütte von gutten heüßern macht? Daß ist nicht schön noch löblich ahm keyßer, noch ahn Churpfaltz. Daß ist ein schlim zeichen vor dem keyßer, daß er woll meinente raht übel auffnimbt. Mau kan woll nicht einen raht folgen, so einem nicht gefehlt; allein man muß doch den[en] danck wißen, die es gutt meinen, undt keinen haß auff sie werffen; daß ist meine meinung allezeit. Aber der duc de Schönburg hette auch woll ein wenig gemacher reden können undt dencken, mitt wem er rett. Churpfaltz mag dem herrn von Sickingen versprochen haben, waß er will; so baldt dießer vor dem duc gestorben[4], kan ja die versprechung nichts gelten. Ihr sagt alß, daß Churpfaltz ein gnädiger herr ist, aber ahn Eüch erweist ers nicht; den bißherr hatt er Eüch doch nicht die geringste gnaden nicht allein nicht erwießen, sondern auch man schafft Eüch keine gerechtigkeit; daß ist noch schlimmer. Man hatt mir heütte nachmittag Ewer liebes schreiben vom 29 Aug., no 68, gebracht, worauff ich biß sontag, wo mir gott leben undt gesundtheit verleyet, andtwortten werde. Wirdt daß keine jalousie bey der comtesse d’Holdernesse verursachen, daß der duc de Schonberg ihrer schwester sein silbergeschir apart geben? Daß turckisch esquipage, fürchte ich, wirdt in nichts anderst bestehen, alß eine alte zelten undt pferdtsgeschir undt vielleicht einigen sebel, mitt a[l]ten turquoissen besetzt. Die printzess von Wallis hatt mir groß lob von der comtesse de Holdernesse humor geschrieben undt von ihrem verstandt. Es scheindt, daß sie sie recht [liebt]. Daß meritirt sie auch, wie ich sehe, indem sie so woll mitt ihrem schwager undt schwester lebt. Gütte gemühter seindt rar itziger zeitten, desto mehr zu estimiren, wo man sie findt. Ihr segt woll, liebe Louise, durch meine exacte andtwortt, daß ich Ewer liebes schreiben gar woll geleßen habe. Daß ist die weldt, liebe Louise! man muß allezeit waß haben, so einem mißfelt. Da muß man sich zu resolviren; so lang man in [234] der welt ist, muß man alß waß haben, daß einem mühe undt sorgen [macht] undt offt so einem verdrist. In meinen alter muß man keine freüde mehr erwartten, nur gott dancken, wen ein tag vorbeygeht, ohne daß man waß neües verdrießliches hatt. Zu Heydelberg hatt man auch gar offt in den kirchen lutherische lieder gesungen, aber zu Hannover sunge ich sie alle tag. Wen papir durchschlegt, scheindt es ärger, wen es noch naß ist, alß wen es wider trucken geworden. Wolte gott, liebe Louisse, Ihr kontet Ewere gesundtheit jetzt nach der meinigen richten, die, gott lob, nun, wie ich schon heütte morgen gesagt, gar perfect ist! Es braucht kein compliment, liebe Louisse, daß Ihr mich mitt Ewere englische kinder vergleicht. Wen man naturlich spricht, seindt die sachen glaublicher. Vor etlich undt 20 jahr[e]n habe ich Eüch auch eines von meinen contrefaitten geschickt, daß damahl gliche[5]; hirauß werdet Ihr sehen können, wie ich seyder dem geendert bin, kan sagen wie Pickelharing in der commedie: Daß macht daß liebe alter[6]. Wir haben nun gantz undt gar nichts nettes hir undt Ewer liebes schreiben ist vollig beantwortet, bleibt mir alßo nichts mehr überig, zu sagen, alß daß ich Eüch, hertzallerliebe Louise, von hertzen lieb behalte. [7]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. September 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 232–234
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1050.html
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