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A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckforth.
St Clou den 28 September 1719, umb ein viertel auff 9 morgendts (N. 24).
Hertzallerliebe Louise, mein brieff wirdt heütte gar kurtz sein;
den seyder vergangenen sontag habe ich nichts von Eüch entpfangen
undt seyder dem ist gar nichts neües hir vorgangen. In 3
viertelstundt muß ich mich ahnziehen, betten gehen undt von dar in kutsch
nach Paris zur duchesse du Lude, so mir alle jahr einmahl eine
mahlzeit gibt, wie Ihr schon etlichmahl auß meinen brieffen werdt
ersehen [haben]. Sie hatt gar gutte köche, so alles wohl undt sauber
zurichten. Von dar werde ich ins Palais-Royal, madame d’Orléans
zu besuchen, so in großer betrübtnuß steckt, weillen ihr herr
bruder, der duc du Maine, kranck ist. Weillen ich aber nicht gar zu
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betrübt drüber bin, alß sie, wirdt es mich nicht hindern, in die
comedie zu gehen
[2]; von dar werde ich wider her. Biß sontag, wo
mir gott leben undt gesundtheit verleyet, werde ich Eüch, liebe
Louisse, berichten, wie unßer[e] kleine reiße abgangen. Ich fürchte,
ich werde die Rotzenheüsserin nicht mitt mir nehmen können; den
sie ist kranck, hatt einen durchlauff. Wen nur die ruhr nicht drauß
wirdt, die jetzt abscheülich hir regirt undt zu Paris auch! Es
sterben unerhört viel leütte sowoll ahn dießer kranckheit, alß ahn den
kinderblattern, röhtlen undt hitzige fieber. Ich hoffe, heütte zu Paris
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von Ewern schreiben zu entpfangen undt zu vernehmen, daß Ihr,
liebe Louisse, mein beren-katzen-affengesicht
[3] werdet entpfangen
haben, so ich Eüch den 7ten geschickt. In dießem augenblick kompt
monsieur Le Roy
[4], mein advocat, herrein mitt monsieur Le Phevre
[5].
Wie ich die affairen nicht verstehe, noch woll nachsagen kan, so
schicke ich Eüch hirbey ein billiet von monsieur Le Phevre
[6]. Unßere
sachen gehen woll, er justificirt sehr monsieur undt madame
Chardon, ist woll zufrieden mitt ihnen, welches mir kein wunder nimbt;
den ich habe sie allezeit vor ehrliche leütte gehalten. Adieu,
hertzliebe Louise! Ich muß enden, meine reiße macht mich eyllen undt
vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch allezeit von
hertzen lieb behalte.