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Brief vom 28. September 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1056.


[250]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckforth.

St Clou den 28 September 1719, umb ein viertel auff 9 morgendts (N. 24).
Hertzallerliebe Louise, mein brieff wirdt heütte gar kurtz sein; den seyder vergangenen sontag habe ich nichts von Eüch entpfangen undt seyder dem ist gar nichts neües hir vorgangen. In 3 viertelstundt muß ich mich ahnziehen, betten gehen undt von dar in kutsch nach Paris zur duchesse du Lude, so mir alle jahr einmahl eine mahlzeit gibt, wie Ihr schon etlichmahl auß meinen brieffen werdt ersehen [haben]. Sie hatt gar gutte köche, so alles wohl undt sauber zurichten. Von dar werde ich ins Palais-Royal, madame d’Orléans zu besuchen, so in großer betrübtnuß steckt, weillen ihr herr bruder, der duc du Maine, kranck ist. Weillen ich aber nicht gar zu[1] betrübt drüber bin, alß sie, wirdt es mich nicht hindern, in die comedie zu gehen[2]; von dar werde ich wider her. Biß sontag, wo mir gott leben undt gesundtheit verleyet, werde ich Eüch, liebe Louisse, berichten, wie unßer[e] kleine reiße abgangen. Ich fürchte, ich werde die Rotzenheüsserin nicht mitt mir nehmen können; den sie ist kranck, hatt einen durchlauff. Wen nur die ruhr nicht drauß wirdt, die jetzt abscheülich hir regirt undt zu Paris auch! Es sterben unerhört viel leütte sowoll ahn dießer kranckheit, alß ahn den kinderblattern, röhtlen undt hitzige fieber. Ich hoffe, heütte zu Paris [251] von Ewern schreiben zu entpfangen undt zu vernehmen, daß Ihr, liebe Louisse, mein beren-katzen-affengesicht[3] werdet entpfangen haben, so ich Eüch den 7ten geschickt. In dießem augenblick kompt monsieur Le Roy[4], mein advocat, herrein mitt monsieur Le Phevre[5]. Wie ich die affairen nicht verstehe, noch woll nachsagen kan, so schicke ich Eüch hirbey ein billiet von monsieur Le Phevre[6]. Unßere sachen gehen woll, er justificirt sehr monsieur undt madame Chardon, ist woll zufrieden mitt ihnen, welches mir kein wunder nimbt; den ich habe sie allezeit vor ehrliche leütte gehalten. Adieu, hertzliebe Louise! Ich muß enden, meine reiße macht mich eyllen undt vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 28. September 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 250–251
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1056.html
Änderungsstand:
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