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Brief vom 12. Oktober 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1060.


[266]
St Clou den 12 October 1719 (N. 28).
Hertzallerliebe Louisse, ich wolte lieber, daß mein schreiben vom 7, no 18, bey Eüch glücklich ahnkommen were, alß daß vom 17, no 21. Ich hoffe doch noch alß, daß es sich endtlich wiederfinden wirdt undt die impertinenten, so es auffhalten, sich endtlich [267] beßer besinen werden. Ihr thut Eüch selber unrecht, zu sagen, daß Ewere brieffe unartig seindt. Ich finde, daß Ihr woll schreibt, undt bin gar woll mitt Ewern lieben brieffen zufrieden, leße sie auch gern. Ich bin selber gar ernsthafft geworden, habe also keine mühe, ernsthaffte brieff zu leßen; es ist mir gar nicht lacherlich. Vergangenen montag ist der arme duc de la Trimouille, mein vetter, gestorben ahn den kinderblattern den 5ten tag von seiner kranckheit[1]. Waß mich aber noch mehr in sorgen setzt, ist mein lieber abbé de St Albin[2], so seyder 8 tagen ein solch abscheülich fieber hatt, so zwey undt 3 mahl deß tags verdobelt mitt großen lenden- undt haubtschmertzen; ist mir recht bang vor dem armen buben, den ich habe ihn hertzlich lieb, ist der beste mensch von der weldt, gar nicht pfaffisch, auch nicht impertinent, wie die junge leütte nun sein, sondern lustig undt modest dabey, hatt woll studirt undt hatt verstandt. Es würde mich von grundt der seelen betrüben, wen er sterben solte, undt, unter unß gerett, so ist er nach dem duc de Chartre der liebste von allem[3] meines sohns kindern, recht undt lincken[4]. Daß hertzt[5] klopfft mir, biß ich wider zeittung von ihm habe. Aber da kompt die großhertzogin herein, umb mir adieu zu sagen; wir haben sie 3 tag hir gehabt, sie kompt von Bourbon. Ich muß eine pausse machen, umb I. L. zu entreteniren.
Die großhertzogin ist umb 3/4 auff 11 weg; ich kan noch ein viertelstündtgen blauttern, ehe ich mich ahnziehen gehe. Lustig in ehren ist gewiß nicht zu wehren; aber es ist etwaß gar rares hir. Die ceremonie zu Chelle war sehr ordendtlich; aber alles, waß ceremonien sein, deücht mir langweillig zu sein, auffs wenigst wirdt mir die zeit gar lang dabey, undt die zwey stundt, [268] so es zu Chelle gewehrt, haben mir mehr, alß 4, gedeücht. Mein enckel hatt so viel zu thun; wen man so viel zu thun hatt, kan einem keine zeit lang fallen. Occupation ist eine gar gutte sach vor junge leütte undt macht mich hoffen, daß sie sich [nicht] gereüen wirdt, die parthie genohmen [zu haben], ein abtißin zu werden.
Donnerstag, den 12 October, umb halb 5 nachmittags.
Gleich nach dem eßen ist die printzes Victoire[6], deß printz Eugene niepce, zu mir kommen; die hab ich gleich nach dem eßen spatziren geführt, bin gegen 4 uhr wider kommen, habe viel leütte hir gefunden, so mich auffgehalten haben bißher. Da bringt man mir Ewer liebe[s] schreiben[7] vom 30 September vom no 77; bin recht froh, drauß zu ersehen, daß Ihr endtlich mein altes beren-katzen-affengesicht[8] entpfangen habt undt es nicht in frembden händen gekommen ist, wie auch daß dieße kleine St Clouer meß[9] Eüch, liebe Louisse, so ahngenehm geweßen; ich hatte schon ein anderst bestelt. Aber zukünftigen sontag, wo mir gott leben undt gesundtheit verleyhet, werde ich auff dießes letzte liebes schreiben andtworten, komme aber nun wieder auff daß, so ich heütte morgen ahngefangen habe. Aber nun gehe ich zum abendtgebett.
Donnerstag umb ein viertel auff 7 abendts.
Von unßer abtißin sagen nur[10] daß noch sagen, daß freyllich madame d’Orlean[s] hertzlich fro geweßen, daß ihre fraw dochter zur none worden. Aber ihre faulheit ist unüberwindt[lich]. Ich glaube nicht, daß, umb ein königreich zu gewinen, so mitt aller ihrer ambition sie eine stundte eher, alß ordinarie, auffstehen könte; drumb muß ich alß innerlich lachen, wen ich gedencke, daß dieß faulle weib regentin sein wolte undt daß gantz königreich regieren. Die kinderblattern, ob sie gleich nicht zeichnen, endern sie doch; ich sehe es ahn meine zwey jüngste encklen, die haben nicht das geringst[e] kinderblattermahl undt seindt doch so geendert, daß es einem recht wunder nimbt, welches mich fürchten macht, daß mademoiselle de Clermont nicht lehr davon kommen wirdt. Die arme madame de Dangeau kan ihren einigen sohn nicht vergeßen; sie jamert mich woll von grundt der seelen. Wie ich von ihr höre, glaube [269] ich nicht, daß die arme fraw ihr leben wider zu recht kompt. Solle ich Eüch die rechte warheit sagen, liebe Louise? Ich weiß nicht, waß alleodialgutter sehen[11], noch wie es mitt lehen bestelt ist. Ich kan leicht glauben, liebe Louise, daß Ihr nicht viel darnach fragt, in assambléen zu gehen; daß kan [ich] bey mir selbst uhrteillen. Wie betrübte würde ich sein, wen mich obligiren solte, mich in einer so großen geselschafft zu finden! Allerhandt flüße können in dießer jahrszeit undt bey jetzigen schlimmen wetter kommen. Vor drey tagen hatt es hir gedonnert undt geblitzt undt starck geregnet; daß hatt, gott lob, den staub gantz abgeschlagen. Meine fraw mutter s. hatten ein waßer, so geschwollene mundt undt naßen gleich courirte. Man hatt recht, nicht zu leyden wollen, daß Ihr mitt den flüßen nicht viel schreiben solt; daß ist gewiß schlim. Wir haben nichts neües hir, alß daß man alle tag von neüen kinderblattern hört undt alles nur leütt von qualitet. Madame de Beaufremont[12] hatt sie nun gantz auffs neü. Es sterben ein mengte[13] leüte dran, daß es nicht zu sagen ist. Es seindt auch kranckheitten jetzt, so man la peste des isles heist, worinen die krancken mitt einem starcken fieber all ihr bludt verliehren, hindten, fornen, auß der naß, auß den augen, auch gar auß den haaren. Dieße kranckheit solle auch gar gemein in Poln sein. Monsieur de Souffre[14] seine zwey sohn liegen dran auff den todt; wenig leütte salvirt man davon. Adieu, hertzliebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen, wünsche, daß Eüch gott vor kranckheitten undt allem übel gnädig bewahr[e]n wolle, undt versichere, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 12. Oktober 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 266–269
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1060.html
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