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Brief vom 19. Oktober 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1062.


[272]
St Clou den 19 October 1719 (N. 30).
Hertzallerliebe Louisse, ich habe Eüch vergangen sontag bericht, wie daß ich Ewer liebes schreiben vom 3, no 78, woll entpfangen habe. Wie solte ich nicht Ewertwegen in sorgen gewest sein, liebe Louisse, 4 posten zu sehen, ohne nichts von Eüch zu bekommen, da Ihr doch so gar regullirt in allem seydt undt Eüch keine mühe last sauer werden, auch mich lieb genung habt, umb mir alle posten zu schreiben? War also in rechten sorgen, daß Eüch waß übels [273] begegnet sein muste, undt habe ich Eüch zu lieb, umb nicht in sorgen deßwegen gewest zu sein. Ey, liebe Louise, wir seindt einander ja nahe genung, umb einander recht lieb zu haben. Nun muß ich eine pausse machen. Ich habe schon 2 brieff geschrieben undt habe Eüch, wie man hir sagt, pour la bonne bouche behalten. Gleich nach dem eßen werde ich nach Madrit, vor nacht wider kommen undt Eüch den gantzen abendt entreteniren.
Donnerstag, den 19 October, umb halb 7 abendts.
Es ist anderthalb stundt, daß ich von Madrit kommen bin. Ich habe meinen enckel, den duc de Chartre, hir gefunden, darnach bin ich ins abendtsgebett; da komme ich jetzt eben her undt hab ein klein brieffgen ahn jemandts geschriben, einen valet de pied weggeschickt. Nun komme ich wider ahn Ewer liebes schreiben, wo ich heütte morgen geblieben war. Ich werde gewiß nicht auffhören, zu schreiben, biß Ewer lieber brieff beantwortet sein wirdt. Von dem ihrgang[1] von meinen undt Ewern brieffen will ich nichts mehr sagen; den allgemach finden sie sich doch wieder; es fehlt mir aber noch eines von den Ewerigen auß dem Schlangenbaadt. Damitt Ihr Eüch nicht in der zahl von Eweren lieben brieffen betriegt, so machts wie ich! Ich betriege mich jetzunder gantz undt gar nicht mehr. Ich habe schreibcallender auff meiner taffel[2]; wen[n] ich Ewer lieben brieff bekomme, setze ich gleich auff einer seydt den tag, so ich Ewer liebes schreiben entpfangen undt von welchem datum es ist undt daß schiffer undt gegenüber setze ich meinen brieffdatum undt so kan man sich sein [leben] nie mehr betriegen, undt einen schreibcallender verliehrt man nicht so leicht, alß ein klein register auff ein fligentes papir. Es ist mir recht lieb, daß es deß postmeisters schuldt nicht ist; den were es seine schuldt geweßen, hette er unß noch offt gezercht. Mein gott, waß [hätten] die leütte mitt meinem contrefait machen wollen? Daß konte ja ahn niemandts nutz sein, alß ahn Eüch, im gantzen Franckforth. Umb zu wißen, ob mein contrefait woll gleicht, so fragt ahn jemandts, so mich hir gesehen, wer daß contrefait ist! so werdt Ihr es gleich sehen, waß man Eüch sagen wirdt. Ich bin nun viel alter undt noch verruntzelter, alß daß [274] contrefait ist; den es ist schon 6 jahr, daß es gemahlt ist, ich will sagen, daß originall; den es ist zu Marly gemahlt worden 2 jahr vor deß königs todt undt es ist nun schon 4 jahr leyder, das der könig todt ist; man sicht doch noch woll, daß ich es bin. Findt man mein alter schön, kan man sagen, wie unßere s. liebe churfürstin alß pflegt zu sagen: On peut voir une belle vielle, mais jamais une vielle belle. Es were doch etwaß gar rares, wen ich im alter schön werden solte, da ichs nie geweßen, da ich 15 undt 20 jahr alt ware. Mein grüner safft, so ich 3 tag nach einander genohmen, hatt mich in 2mahl 24 stundt 16mahl purgirt. Ich muß gestehen, daß ich ein wenig abgematt davon bin; gestern konte ich nicht eßen, heütte aber schmeckte mir daß eßen ein wenig beßer, bin doch noch ein wenig in lang[u]eur[3] undt vapeurs, den ich muß immer gäh[n]en; aber man versichert mich doch, das es baldt wider beßer werden [werde]. Unter unß gerett, es ist galle von allerhandt von mir gangen, grün, gelb, schwartz undt in gar großer menge undt scharff wie etzwaßer; deücht mir also, daß ichs dießmahl woll von nöhten hatte, purgirt zu werden. Es freüet mich recht, liebe Louise, daß mein einfall, Eüch mein contrefait zur kirbe zu schicken, so woll reussirt hatt. Es ist war, daß Penels stück beßer gemahlt ist, alß daß, so ich vor 20 jahren geschickt; daß hatte nur ein medgen gemahlt, so seyder dem verheüraht worden undt meinen goltschmidt genohmen. Die Penels wahren gutte meister, vatter undt sohn haben woll gemahlt; der vatter aber ist nun lengst todt. Der sohn mahlt je lenger, je beßer; er hatt meinen sohn, den ich im sack trage, auch gar woll gemahlt. Warumb habt Ihr Eüch nicht vermuht, daß ich Eüch waß schicken [werde]? Habe ich Eüch doch versprochen, alle jahr eine kirbe zu schicken! undt der ist ein schelm, der sein wordt nicht helt. Auff Ewere wurst[4] habe ich schon letzte post geantwortet, sage also nichts mehr davon. Mein beren-katzen-affengesicht[5] ist so viel danckens nicht wehrt, liebe Louise, undt waß ich vor Ewere niepcen vom Schomburg gethan, ist ja nur meine schuldigkeit. Ich glaube, sie werden verwundert sein, eine million zu theillen [zu] finden. Monsieur le Roy, mein advocat, hatt monsieur le Fevre nicht geschadt, aber monsieur le Fevre hatt sich durch sein ehrlich verfahren ein ewiges lob hir erworben. [275] Ich habe ein prefett[6] außgebetten, damitt Ewer niepcen ihr lebenlang keine unruhe in ihrem verkauffen finden mögen. Kauffleütte haben sie genung gefunden. Die Chardons seindt ehrliche leütte; monsieur le Fevre ist gar woll mitt ihnen zufriden. Es scheindt, alß wen die printzes von Wallis Ewere niepce von Holdernesse recht lieb hatt. Unter famillen findt man alß leütte, sie[7] lust nehmen, die famillen gegen einander zu hetzen; daß wirdt woll in Englandt auch nicht fehlen. Aber ich bin froh, daß alles so woll abgegangen. Waß graff Degenfelt vor Eüch gethan, finde ich schön undt erkandtlich. Da bin ich nicht in sorgen vor, daß Ihr gar gewiß graff Degenfelt wider bezahlen werdt. Aber es ist schon 10 uhr; ich muß meine mattigkeit ein wenig ins bett führen; ein ander mahl werde ich es beßer machen, nun aber nur sagen, daß ich Eüch, hertzliebe Louisse, eine glückseelige nacht wünsche undt versichere, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 19. Oktober 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 272–275
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1062.html
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