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Brief vom 17. Dezember 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1079.


[352]
Paris den 17 December 1719, umb halb 7 morgendts.
Hertzallerliebe Louisse, wenn man mich heütte hette wecken … den ich habe die lange nacht durch gehust. Einen solchen husten, wie mir Paris dießmahl geben, erinere ich mich nicht mein leben gehabt zu haben. Daß wirdt mich aber nicht verhindern, auff Ewer lieb[e]s schreiben, so ich vergangenen freytag entpfangen, zu andtwortten. Mich deücht, unßer commerce geht nun zimblich richtig. Solte ich morgendts nicht bey dem licht schreiben, konte ich keinen brieff in dießen kurtzen tagen verfertigen; den der tag ist nun erst umb 8 morgendts hell genung, umb zu schreiben, undt nachmittags habe ich zu viel interuptionen, da man unmöglich weiß, waß man sagt. Seyder ich auffgestanden undt dar in meinem stuhl sitze, habe ich ein halb stündtgen geschlaffen; den ich fall vor schlaff auff mein papir. Aber so baldt ich entschlaffen, weckt mich der verfluchte husten wieder. Ich bin, alß wen man mich geprügelt hette; so wehe thun mir die lenden undt unten der grundt vom magen. Es ist aber auch woll einmahl zeit, daß ich dießen so gar langweilligen discours ende undt auff Ewer liebes schreiben komme; den ich wolte es gern dießen morgen verfertigen auß oben gemelte ursachen. Ich werde nicht lang mehr bey dem licht schreiben; den seyder ich entschlaffen, ist es tag worden, werde gleich meine lichter weg thun laßen. Da schreibe ich nun beym tag, kan aber nicht sagen bey dem hellen tag; den ich glaube, daß ein nebel kommen wirdt; es sicht darnach auß. Wen ich nur frühe zu bett gehe, ist mein dochter[1] zufrieden. Gestern lag ich umb 3/4 auff 10 schon im bett, hatt mir aber wenig geholffen, indem ich alle stunden gezehlt habe. Daß wetter ist bißher zimblich schön; seyder vorgestern frirt es eyß undt man sagt, daß die brunen im gartten schon gantz zugefrohren sein, zum großen trost deren, so gern kalt drincken undt in der hoffnung leben, daß ihre eyßgruben gefült werden, so vergangen jahr nicht hatt geschehen können; den es hatte nicht genung dazu gefrohren. Ich kan weder warm, noch gar kalt drincken; [353] waß ich drincke sommer undt winter, muß nur frisch sein, wie frisch brunenwaßer; ist es eyßkalt, thut es mir in der stirn wehe. Der könig in Englandt ist ahngelangt, ehe der sturm kommen; der hatt aber der duchesse de Candel[2], geweßene Schullenburg, niepcen schiff ertapt undt sie biß nach Denemarck geführt. Der könig in Englandt, man muß die gründtliche warheit bekennen, der könig in Englandt geht graußam mitt seinen kindern [um]. Aber ich glaube, liebe Louisse, daß ich es Eüch schon vergangen donnerstag verzehlt[3]. Der printz von Wallis undt die printzes jammern mich von hertzen, hattens so gutt gemeint, einen kamerjunckern mitt brieff ahn den könig zu seiner glücklichen ahnkunfft zu erfreüen. Wen sachen woll undt … gemeint sein, daß kan mich jammern, daß mir die threnen drüber in den augen kommen. Die werden eine hartte verandtworttung vor gott dem allmächtigen haben, die den könig in Englandt so sehr gegen seine königliche kinder erbittern. Ich bin so boß auff sie, daß ich sie ohne erbarmung könte hencken sehen. Die printzessin von Wallis hatte mir schon der graffin von Holdernesse unglück bericht. Es war ein alter duc de Bellegarde hir vor dießem, der sagte alß: Je n’ay que les peurs que l’honneur permet. Aber der schrecken, so Ewere elste niepce gehabt, ist gar gewiß von denen; den es schaudert einem, dran zu gedencken; 3 kerl durch ein fenster einzusteygen sehen, ist etwaß abscheüliches[4]; wundert mich gar nicht, daß dießer schrecken ihr ein böß kindtbett zuwegen gebracht hatt. Man ist allezeit krancker ahn boßen kin[d]betten, alß ahn gutten. Man sagt, ein gutt kindtbett ersetzt ein boßes undt daß es gutt ist, gleich wider schwanger auff ein böß kindtbett. Aber in meinem sinn deücht daß beste nicht viel von dießem handtwerck. Sicht man die leütte den nur, liebe Louisse, umb ihre schonheit? Man sicht sie gern, wen sie einem nahe sein, weillen man sie lieb hatt undt sie sich so verhalten, daß man sie estimiren kan. Meindt Ihr den, liebe Louise, daß ich wenigere runtzel habe, alß Ihr? Warumb solte man sich [354] schemen, waß daß alter mitt sich bringt undt unvermeydtlich ist? Ich frag kein haar darnach, runtzlich geworden zu sein; bin die erste, so drüber lacht. Aber waß die beste ursach sein kan, ist, daß die reiße zu weit undt lang ist. Ich habe die Colb gar zu lange jahren gesehen, umb nicht zu behalten haben können, waß ihr gesprech war[5]. Monsieur Laws ist eine recht geplagte sehl so woll alß mein sohn; waß die zwey leütte arbeytten, ist nicht zu begreiffen, von morgen biß in die nacht. Umb actionen zu haben, müßen die weiber ja ahn monsieur Law sagen, was von soumissionen sie bringen; den ohne gelt undt soumissionen bekompt man keine actionen. Monsieur Law spricht nicht ahn alle leütte. Auff erbarkeit befleißen sich die damen nicht ahm meisten zu Paris. Umb woll mitt mir zu stehen, liebe Louise, gehört weder list noch finesse, nur erlich sein undt auffrichtig, wie Ihr, liebe Louisse, seydt; so kan ich mitt warheit sagen undt versichern, daß ich Eüch, liebe Louise, all mein leben von hertzen lieb behalte.
Sontag, den 17 December, umb 5 abendts.
In dießem augenblick entpfange ich Ewer liebes schreiben vom 5 dießes monts, no 96, kan aber heütte nicht drauff andtwortten. Ich will Eüch doch noch ein wenig zeyttung von meinem husten sagen. Ich habe dießen nachmittag ein wenig geschlaffen; daß ist mir zimblich woll bekommen, hatt mich wieder gestärckt; den die gantz nacht ohne schlaff gewest zu sein, undt die vorige nacht hatte ich nur 4 stundt geschlaffen, also in 3 tag zeit habe ich nur die 4 stundt in 4 tagen geschlaffen; daß ist nicht zu viel; es matt greülich ab. So mir gott daß leben biß donn[e]rstag verleyet, werde ich auff Ewer liebes schreiben andtwortten, nun aber nur eine gutte nacht wünschen undt ahn mein dochter schreiben, von welcher ich einen großen brieff alleweill entpfangen habe.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 17. Dezember 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 352–354
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1079.html
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