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Brief vom 24. Dezember 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1081.


[359]
Paris den 24 December 1719.
Hertzallerliebe Louisse, durch die post habe ich kein schreiben von Eüch entpfangen; aber monsieur Marion hatt mir gestern morgendts Ewer lieben brieff vom 9 dießes monts gebracht; ist nicht gar geschwindt kommen, den Ewer liebes schreiben ist just 15 tag alt worden. Er auch[1] mir auch daß buch vom todten-gespräch überlieffert. Ich habe es gleich ahn meinem buchbinder geschickt, dancke Eüch sehr davor. Es kan nicht mittelmäßig sein, es muß entweder gar artig, oder gar alber sein; wen aber die sachen auch gar zu alber sein, machen sie auch lachen. Eines hatt mich schon lachen gemacht, nehmblich daß dialogue von monsieur de Turene[2] undt madame de la Valliere. Ich glaube nicht, daß sie ihr leben mitt einander gesprochen haben; sie hatten gar kein commerse mitt [360] einander. Hette man ahnstatt madame de la Valliere madame de Coaquin[3] gesetzt, so hette man darin den gantzen tractat erfahren können von der alliance, so feu Madame zwischen dem könig[4], ihrem herrn bruder, undt dem hießigen könig, ihrem herrn schwager, tractirt hatt. Madame consultirte dem vicomte de Turaine[5] in dießer sach, umb jemandts zu haben, heimblich zum könig zu schicken können; den die sach solte heimblich vor Monsieur gehalten werden. Der alte Turaine würde[6] sterbens-verliebt von einer jungen madame de Coaquin, so immer bey Madame war undt sehr in ihre gnaden, ob sie es zwar gar nicht würdig war, wie Ihr hören werdet; den sie verliebte sich in den chevallier de Loraine[7], so Madame ihr argster feindt war. Dießer, umb Madame ihre secretten zu erfahren, erlaubte seiner maistressen, ihren alten liebhaber zu flattiren, umb daß secret von dem tractat heraußzulocken, so sie nicht auß Madame hatte ziehen können. Turene aber war gar zu verliebt, umb fest zu halten; er vertrawete der verahterischen Coaquin[8] den gantzen tractat[9]. Die, nicht faul, verzehlte alles dem chevallier de Loraine; der sagte alles ahn Monsieur; der wurde bitter böß auff seiner gemahlin, ja auch gar auff den könig undt amport[irt]e sich gegen beyde. Madame sagte dem könig, daß der chevallier de Loraine sie mitt ihrem herrn brouillirt hette; der wurde zwar drüber weggejagt, die arme Madame aber bezahlte es mitt dem leben. Sie wolten aber Monsieur nicht mitt in ihr secret nehmen, sagten: Il ne sauroit rien taire au roy, si nous luy avouons que nous voullons empoissoner Madame, ou il ne le souffrira pas, ou bien il nous denoncera au roy et nous fera tout pendre. Also haben die Monsieur s. woll groß unrecht gethan, so I. L. beschuldigt, daß er seine gemahlin hette vergifften laßen; da war er incapable zu. Umb sich [361] zu entschuldigen undt die sach zu verhehlen, daß es von ihnen kompt, haben sie Monsieur weiß gemacht, Madame were von den Hollandern vergifft worden. Dießes ist eine alte, aber gar wahre historie, ob es zwar wie ein roman lautt[10]. Aber umb auff meinen vorigen text zu kommen, so segt Ihr woll, liebe Louisse, daß, wen man ahnstatt madame de la Valliere madame de Coaquin gesetzt hette, man waß artiges undt curieusses schreiben können. Aber wenig leütte wißen alle particullariteten; ich weiß alles d’original, den ich weiß es von dem könig undt meinem herrn selber, außer Madame todt, daß weiß ich von andern. Wo Ewer liebes schreiben durch die post hin kommen, mag gott wißen; vielleicht wirdt es noch dießen nachmittag kommen. Kompt es noch, werde ichs Eüch berichten, wo nicht, so vergnügt[11] Eüch nur mitt der versicheru[ng], daß ich bin undt allezeit verbleibe, wie ich vor Eüch geweß[en] undt Eüch von hertzen lieb behalte, hertzallerliebe Louisse!
Sontag, umb 5 uhr nachmittags.
Da entpfange ich 2 von Ewern liebe[n] schreiben auff einmahl, vom 9, no 95, undt daß vom 12, no 98. Ich will noch auff daß frischte andtwortten, bin schon 3 mahl interompirt worden durch [362] unßern abbé de St Albin, so mich gebetten, meinen sohn vor etwaß, so ihm ahngeht, zu sprechen. Mein sohn ist drauff kommen mitt welchem ich lang zu sprechen gehabt. Jetzundt kompt madame d’Orleans mitt allen ihren kindern herrein. Gott weiß, wen ich werde außschreiben können; will es doch versuchen. Kein courier kan ahnkommen, den viel flüße seindt überloffen; daß hindert auch den courir, mitt der dispense vor mademoiselle[12] heüraht ahnzukommen. Alle wegen sollen auch abscheülich sein. Meine reiße hieher, wie Ihr auß meinen brieffen ersehen werdet, ist mir nicht zum besten gelungen; den es ist nun 14 tag heütte, daß ich so kranck bin, daß ich nicht auß meiner cammer gekönt undt morgen nicht in die pfarkirch fahren werde, noch zum h. abendtmahl gehen; werde es vor ein ander mahl sparen, wen ich wider gesundt werde sein, wilß gott. Mein docktor ist gantz verwundert, daß mi[c]h daß fieber nicht ahngestoßen; so übel bin ich geweßen, bin noch nicht courirt. Ich weiß, waß der diable au contretemps vermag, wen man die resolution nimbt, im vorauß zu schreiben; es geht mir auch gar offt so. Die fürstin von Ussingen jammert mich; sie wirdt baldt eine große betrübtnuß bekomen, den ihr bruder, der printz von Murbach, ligt auff den todt[13]. Die gräffin von Nassau Sarbrücken solle ihre döchter gar woll erzogen haben. Wo mir recht, so seindt die zwey mittelste graffinen von Nassau geheüraht, die erste undt jüngste aber noch ledig; aber die werden auch woll mäner bekommen, insonderheit da sie so woll verschwägert sein. Ihr schickt mir, liebe Louisse, woll noch 4 schraubthaller, aber ich habe nun genung. Ihr hattet mir versprochen, mir zu berichten, waß sie kosten, wie auch daß buch; bitte, vergest es nicht mitt [363] erster post! Glückseelige gutte nacht, hertzallerliebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 24. Dezember 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 359–363
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1081.html
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