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Brief vom 18. Dezember 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


2976.


[368] [1]
Paris den 18 December 1718, umb 3 viertel auff 7 morgendts (N. 38).
Hertzallerliebe Louise, gestern abendts, alß ich auß der ittalliensche commedie kam, fandt ich Ewer paquet undt liebes schreiben vom 6ten, no 96, auff meiner taffel, worauff ich nur auff ein article andtwortten, weillen ich noch ein kleines zu beantworten habe, nehmblich auff die lügen, so man in den gazetten gesetzt. Daß der chevallier de St George[2] mir geschrieben hette, daß ist kein wort war. Daß mich aber der arme herr nicht jammern solle, daß kan ich nicht leügnen; den er ist der beste herr von der welt, höfflich undt polis, undt meritirt nicht, so unglücklich zu sein, alß er in der that ist. Komme jetzt auff Ewer liebes schreiben vom 3 dieß monts, no 95. Ich bin verwundert, zu sehen, daß Ihr so nahe bey weinachten zum h. abendtmahl geht. Zu Heydelberg, deücht mir, geht man nur den 1 September zum h. abendtmahl undt hernach erst auff weinnacht; aber den 4 December da hab ich nie von gehört, ist etwaß neües. Ich wuste auch nicht, daß die Reformirten eine kirch zu Franckfort haben; ich meinte, es wehrn lautter lutherische kirchen undt eine sinagogue vor die Juden in ihrer gaße. Von meinem husten werde ich nichts mehr sagen, der ist, gott seye danck, schon lang vorbey; ist mir nur leydt, daß er Eüch threnen gekost hatt; daß war der mühe nicht wehrt. Ich bin nun wider in der unruhe undt schlaffe wenig wegen der verfluchten conspiration, wie Ihr auß meinen vorigen schreiben werdt ersehen haben, liebe Louisse! Den dieße leütte seindt so boß undt verflucht, daß man alles übels von ihnen erwartten kan, assassinat, vergifftung undt alles böß; undt mein sohn will sich so gar nicht in acht [369] nehmen, meint, es were ihm schimpfflich, undt daß angstet mich; den ich fürchte, daß dieße verblendung ein böß zeichen seye. Gott stehe unß bey! wir habens warlich hoch von nöhten. Solche boßheit, alß man hir sicht, ist, glaube ich, noch nicht erlebt worden. Aber es beweist woll daß alte teütsche sprichwort, so sagt: Wo der teüffel nicht hinkommen kan, da schickt er ein alt weib hin. Den alles übel kompt unß von der alten Maintenon, so 84 jahr alt ist, undt die printzes des Ursin, so 77 alt ist. Die zwey alte hexsen, wie die großhertzogin alß sagt, haben meines sohns untergang verschwohren; die erste, weillen sie ihre aufferzucht, den duc du Maine, gern wolt auff den thron sehen; die zweytte aber hatt keine andere ursach, meinen sohn zu haßen, alß weillen er gefunden, daß sie zu alt ist, umb noch gallant zu sein; sonsten hatt er ihr sein leben nichts zu leydt gethan. Sie, die alte mitt ihrer zucht, verfolgen meinen sohn abscheülich; undt so lang dieße zwey weiber leben werden, muß sich mein sohn alles übels von der welt versehen, undt sie befinden sich beyde noch über die maßen woll, werden zu unßerm unglück noch lang leben. Gott stehe unß bey! wir habens hoch von nöhten. So lang mein husten gar starck geweßen, bin ich zu St Clou nicht auß dem hauß gangen; aber wie es beßer wurdt, wolt mein docktor, daß ich nach Paris solte, weillen die cammern hir viel warmer sein, alß zu [St] Clou. Daß herfahren ist mir woll bekommen; es war der schonste tag von der welt. Lufft ist mir allezeit gesundt, wen der windt nicht zu starck ist; habe mich all mein leben woll dabey befunden, der nortwindt aber ist mein feindt. Drumb habe ich auch nicht wieder in daß apartement ziehen wollen, so zwar größer undt schönner ist, alß dießes, wo die reine mere in gewohnt. Ich bin auch lenger, alß 10 jahr, drin [gewesen], aber [habe mich] allezeit übel drin befunden; [es] ist gantz gegen norden; dießen[3] aber just daß gegenspiel, den es ist just gegen mittag, hab sonnenauffgang zur lincken undt niedergang zur rechten, welches mir beßer; aber im sommer ist es ohnmöglich hir [auszuhalten], den man hatt die son von morgendt[s] umb 5 biß abendts umb 7. Es ist kein baadtstub [so warm]; in einem augenblick ist man gantz im schweiß, auch so, daß man von weißzeüg endern muß. Aber ich komme auch wieder auff Ewer liebes schreiben. Waß Ihr Ewerer [370] jüngsten niepce, der graffin von Degenfelt, geschickt, war woll der mühe nicht wehrt, sich drüber zu frewen. Kan sie gutt Frantzösch? Die Engländer sprechen ordinairie bitter übel Frantzösch. Hatt sie kein Teütsch gelehrnt? Ich glaube nicht, daß graff Degenfelt viel Englisch kan, undt halte ihn vor geschickter, Engländer undt Engländrinen zu machen, alß die sprach zu reden, so mir greülich schwer vorkompt; den sie halten die zahn zu im schprechen. Ewere niepce schreibt nicht gar corect Frantzösch; ahnstatt daß sie sagt: Je ne sais, si S. A. R. le prendra bien, sagt man hir: le trouvera bon, qu’il soit entres mes mains. Daß ander versteht sich woll, ist aber nicht im brauch undt ussage, welches viel zu sprachen thut. Ich bin aber Ewerer niepce sehr verobligirt, liebe Louisse, waß von mir kompt, in veneration zu haben wollen. Doch soltet Ihr woll waß schönnes von meinetwegen auß sagen, liebe Louisse! Auff complimenten bin ich gar nicht woll stilisirt, wünsche ihr eine glückliche niederkumfft undt jungen gesundten sohn; es muß nun geschehen sein. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet, muß schließen, umb ein par wort ahn mein dochter zu schreiben. Es ist schon ein 1/4 auff 10 undt umb 3/4 auff 11 muß ich mich ahnziehen, umb umb 12 nach hoff zu fahren zum könig. Hernach werde ich zu madame d’Orlean, welche daß fieber verlaßen undt alle tag beßer wirdt. Darnach werde ich ahn taffel; gleich nach dem eßen au[x] Carmelitten, dort salut hör[e]n. Hernach, wen ich wider kommen werde sein, werde ich mademoiselle de Valois ins opera führen; den ihre fraw mutter will nicht, daß sie ohne sie oder mich nein [gehe], undt junge leütte jammern mich, ist ihnen eine große freüde; werde also hin. Ich frage gar nichts mehr darnach, habe trawerige sachen im kopff alß mussiq. Adieu den vor dießmahl, liebe Louisse! Ich werde Eüch nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. Dezember 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 368–370
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b2976.html
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