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Brief vom 11. Januar 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1086.


[011]
Paris den donnerstag, 11 Januari 1720.
Hertzallerliebe Louise, vorgestern abendts umb 9 habe ich Ewer liebes schreiben vom 23 December 1719, no 102, einmahl zu recht entpfangen. Es war zeit; den 2 posten hatten gefehlt. So lang ich in Franckreich bin, habe ich die posten nicht so übel gehen sehen, alß seyder ein jahr her. Ich hette meine brieffe no 45 undt 46 dattiren sollen, kan nicht begreiffen, wie ich es vergeßen; den es ist in meinem calender marquirt. Aber ich glaube, daß noch woll viel mehr fehler sich in meinen brieffen finden; den zu Paris fehlen die contretemps nicht undt alle augenblick wirdt man interompirt, daß man nicht mehr weiß, waß man sagt. Sich in den chiffern zu ihren[1], ist kein fehler, so meritirt, daß man drumb umb verzeyung bitt; den es offendirt ja nicht. Ohne daß ich weder zu warm, noch zu kalt entpfunden, hatt sich mein husten so verdoppelt, daß ich wieder die kammer hütten muß undt gar nicht außgehen [kann], nicht einmahl in die capel; kan es ahn nichts, alß ahn die Parisser lufft attribuiren, die mir allezeit schadtlich undt zuwider geweßen. Es ist kein mensch zu Paris, alt oder jung, so nicht mitt dem husten undt schnupen seyder 6 wochen her geplagt ist, undt man hört, wen man hust, so viel escho[2], daß es endtlich lacherlich wirdt. Mein enckel ist vorgestern nachts wieder bey dem verfluchten bal geweßen[3] undt der duc du Maine ist nun zu Versaille in seinem hauß, so Clagnie[4] heist. Dieße zwey stück undt daß seine gemahlin in ihrem hauß zu S[c]eau[x] ist, nachdem sie durch einen brieff meinem sohn alle ihre conspiration undt verrähterey endeckt, daß macht mich auch recht gritlich undt setzt mich in sorgen; den ich trawe dießer falschen bursch kein haar, fürchte alß, sie werden noch ein unglück ahnstehlen, wovor unß gott gnädig bewahren wolle! Ich dancke Eüch sehr, liebe Louisse, vor Ewere gutte wünsch. Aber wünsche thun nichts anderst, alß nur den gutten willen zu erweißen [012] von dem, der sie thut. Mein sohn hatt dem gutten, ehrlichen sou[s]gouverneur[5] befohlen, seinen sohn gewehren zu laßen undt nicht auff dem fuß zu folgen. So hatt monsieur de Cour[6] geantwortet: Je n’y ay donc que faire undt ist nach hauß gangen. Ich finde, daß er gar woll gethan hatt. Ihr kendt, wie ich sehe, die Frantzoßen nicht; wen man ihnen spricht von waß die seeligkeit betriefft, lachen sie einem nur auß. Hir im landt ist leyder kein glauben mehr. Apropo von glauben, ich glaube, daß der abbé d’Antrague[7] gar zum naren geworden; er hatte sich, wie ich Eüch letztmahl geschrieben, auff meine wahrnung salvirt, war schon in Flandern, konte nur nach Tournay gehen, da war er außer Franckreich undt in sicherheit. Ahnstatt dießes ort geht er 2 meill weitter, a Lisle, da hette er auch woll etliche tag außruhen könen, wen er sich nur heimblich gehalten hette; den es kante ihn kein mensch dort. Aber ahnstatt daß er sich ruig halten solte, geht er auff offendtlichen marck[t] mitt billet de banque undt schachert wie ein Jud, spricht gegen meinen sohn undt gegen die regirung, hilte … Man sagts den commandanten de Lisle; der lest ihn deßwegen gleich bey dem kopff nehmen, da kame es herrauß, daß es der abbé d’Antrague war[8]. Habt Ihr Ewer leben etwaß narischers gehört oder gesehen? Mein [sohn] hatt gethan, waß er gekönt, umb ihn zu salviren; er hatt ihm zeit gelaßen, sich zu salviren, hatt ihn nicht verfolgen laßen, da lest er sich selber fangen wie ein sot, undt ahnstatt meinem sohn danck zu wißen, daß er durch die finger sicht, deschainirt er [013] sich gegen ihm[9] in vollen marck[t] a Lisle; daß weist woll, daß man sein[em] verhengnuß nicht entgehen kan. Ich komme wider auff Ewer liebes schreiben, liebe Louise, wovon mich deß abbé d’Antrague historie ein wenig abgezogen hatte. Freylich geht mehr übels in Paris vor, alß jemahlen bey den heyden, ja gar zu Sodome undt Gomora. Die die tugendt folgen wollen undt christlich leben, helt man vor sotten undt leütte, so keinen verstandt haben. Die lasterhaffte leütte werden geliebet, die tugendtsamen gehast, welches zu erbarmen ist. Gott stehe unß bey! wir habens alle woll von nohten. Ich fürchte, daß der rhumatisme, so madame la princesse[10] im kopff hatt, endtlich ein schlim ende nehmen wirdt, welches mir hertzlich leydt sein solte; den es ist eine recht tugendtsame fürstin. Ihr vergnügen, ihre fraw dochter[11] auff freyem fuß zu wißen, gibt I. L. noch keine beßere gesundtheit. Sie ist unglücklich mitt ihren kindern undt kindtskindern; sie deügen[12] alle kein haar, [sind] voller laster undt untugendt. Nun muß ich auch eine pausse machen biß auff dießen nachmittag, da wollen wir von dem englischen hoff reden; nur daß sagen, daß man den könig in Englandt so gegen die printzes von Wallis erbittert hatt, daß er bleich auß zorn werden solle, wen man nur ihrn nahmen nendt. Die leütte müßen woll verdampt sein, so solche uneinigkeit zwischen eltern undt kindern stifften. Hir sagt man, daß der baron von Bernsdorf undt Botmar[13] ärger gegen den printzen undt die printzes von Wallis sein, alß die Englander, so sich ihre freünde declarirt haben; daß findt ich schimpfflich vor unßere gantze teütsche nation.
Ich habe, seyder ich auffgehört, zu schreiben, ein brieff von baron Görtz bekommen; der entschuldigt sich gar hoch, daß man ihm kein augenblick zeit gelaßen, mitt dem könig allein zu sprechen. Ich glaube, daß die böße teüffel haben ihn geförcht, das er etwaß guts [014] stifften möge; drumb haben sie ihm keine zeit gelaßen, mitt dem könig zu sprechen. Botman[14], wie man hir sagt, solle auch gegen die königliche kinder sein; aber die printzes von Wallis hatt mir nichts von ihm, noch von Bernstorf geschrieben. Aber waß mich glauben gemacht, daß monsieur Bottmar auch gegen sie sein, ist, daß er so kurtz auffgehört, unßere brieffe zu bestellen. Ich weiß es dem armen baron de Buquoy dank, daß hertz gehabt zu haben, dem könig in Englandt davon zu sprechen; aber ich finde die damen impertinent, die ihn haben schweygen heißen. Ich habe lieber, daß alle andere mitt dem könig davon sprechen, alß Ihr, liebe Louise! Es muß doch woll zorn bey dem könig in Englandt sein, weillen er so sehr von farb verendert, wenn er von seinen koniglichen kinder sprechen hört; waß man ihm aber von ihnen weiß gemacht, kan ich nicht erdencken. Den man kan nicht sagen, daß sie eine parthie machen wollen; den sie hettens ja woll gekönt, alß der könig abweßendt geweßen; also muß etwaß anderst dahinder stecken, so ich nicht errahten kan. Gott wolle alles zum besten wenden! Ihr habt mir großen gefahlen gethan, die copie von der wienischen sach vom graff Nimbtsch[15] zu schicken; den man hatt mir hir persuadiren wollen, daß kein wordt dran wahr seye, aber mitt dem zettel disputire … Monsieur Le Fevre ist dießen nachmittag bey mir geweßen. Monsieur Marion hatt ihn durch gantz Paris gesucht undt nicht finden können; ich habe ihn aber mitt meinen laquayen hingeschickt, valet de pied, solte ich sagen, umb woll zu sprechen; aber indem monsieur Marion zu monsieur Le Fevre gangen, ist monsieur Le Fevre herkommen. Ich habe ihn aber wider nach hauß geschickt. Er hatt gar gutte hoffnung von seinem proces undt [ist] weit davon, daß er meint, daß es ihm gelt kosten solte. Er ist persuadirt, daß die contrepartie alle quittiren werden auß forcht, die unkosten zu bezahlen; den sie gar gewiß den proces verliehren werden. Aber er wirdt Eüch woll selber berichten, wie es mitt bestelt ist, undt Ihr werdet gewiß die sach beßer verstehen, alß ich, die nichts in processen begreiffen kan. So baldt Ihr ahn dem professer werdt geschriben haben zu Franckfort ahn der Oder, der Eüch bekandt ist, wirdt Ewer brieff von monsieur Le Fevre schon [015] wider gefunden werden[16]. Mich deücht, unßere liebe s. churfürstin hatt mir von dem professer einmahl geschrieben, sagte, daß er ihr beßer gefiehl, alß der, von welchem ma tante, die printzessin von Ta[re]nte, so viel gehalten, daß Ewer freündt gantz naturlich undt ungezwungen were, aber daß der printzes von Tarante freündt gantz affectirt were, welches einen prediger gar nicht woll stehet. Der affectirte war ein Frantzos, wo mir recht ist[17]. Alle Frantzosen, wer sie auch sein mögen, haben daß, sie meinen allezeit, man müße charmirt von ihnen sein. Ich habe gekandt, so heßlich wie der teüffel wahren undt doch meinten, zu gefallen; habe offt von hertzen drüber gelacht. Es müßen Urselinen[18] sein, so ins Seckendorf hauß wohnen, so, wo mir recht ist, mylord Graffen[19] hatte hawen laßen, aber gewiß vor keine nonen. Es seindt die Urselinen, so allezeit schuldig sein, pensionnairen zu haben. Umb die rechte warheit zu sagen, so kan ich bitter übel rechnen; schicke Eüch hirhey 4 Louisdor; ist es zu wenig, so bericht michs! so werde ich den rest schicken; ist es aber zu viel, so gebt den rest den armen! Ewer liebes schreiben ist lang nach dem neüjahrstag ahngekommen, aber Ewere gutte wünsche seindt mir allezeit lieb undt ahngenehm undt dancke Eüch von hertzen. Ich komme jetzt auff waß mir noch von Ewerm lieben brieff überig ist vom 16 December, no 100. Die arme Suson, meiner amen dochter, ist wider sehr kranck ahn einem fluß auff … da were daß goltpulver nicht gutt zu. Ich habe 2 große schachteln davon, so unßere liebe s. churfürstin mir geschickt hatt; man lacht hir nicht drüber, monsieur Davaux[20] s. hatt es a la mode [016] gebracht. Ich weiß so woll, daß die erbprintzes von Darmstat ins kindtbett, daß ich mittgevattern bin. Ich bitte, erfahrt doch, wer die überigen gevattern sein! Es seindt viel weiber, wen sie eine schwangere fraw gehen sehen, können sie errahten, ob es ein bub oder medgen sein wirdt. Monsieur Dissenhaußen[21] ist ein freündt von mein sohn, meint vielleicht, mein sohn wirdt ihm actionen geben. Ich sage nichts von den millionen[22]; ich bin dießen sachen sehr müde; den man hört von nichts anderst. Gutte nacht! Ich muß schließen undt Eüch, liebe Louisse, versicher[n], daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 11. Januar 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 11–16
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1086.html
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