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Brief vom 14. März 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1104.


[076]
Paris den 14 Mertz 1720 (N. 72).
Hertzallerliebe, ich habe so ein abscheülich schlim gedächtnuß, daß ich mich nicht erinern kan, ob ich Eüch vergangenen sontag bericht habe, daß ich zwey von Ewern lieben schreiben zugleich entpfangen habe, vom 24 Februari, no 16, undt daß vom 27 Februari, no 17. Wo mirs möglich ist, werde ich heütte auff beyde antwortten. Ich sage, wo es mir möglich ist; den es kommen alß abscheülich viel intreuptionen[1]. Zudem ist es heütte mein [077] tag, daß ich zu der großhertzogin muß; sie hatt mir dieße taxe auffgelegt, sie alle donnerstag zu besuchen, welches ich zwar gern thue, weillen ich die großhertzogin lieb habe, aber es benimbt mir doch viel zeit. Gestern besuchte ich madame la princesse, welche noch sehr incomodirt ist ahn ihrem rhumatisme ahn kopff. Ich nahm ihr enckellin, mademoiselle de Clermon[t] mitt mir her; ich hatte auch rendevous ahn ihre baß, madame de la Rochesurion[2], umb mitt mir in die commedie [zu gehen]. In 3 wochen wirdt man keine spülen; den biß sontag fangen die heyllige wochen ahn, so biß montag über 3 wochen dauern werden. Man spilte Ariane[3] undt La serenade ridicule[4]. Es ist aber auch einmahl zeit, daß ich auff Ewer liebes schreiben komme; muß doch noch vorher sagen, daß ich hoffe, daß ich nichts mehr von der verfluchten constitution hören werde, so leyder unßern lieben könig daß leben gekost hatt. Mein sohn hatt es gestern zum ende geführt undt die bischoffe von beyden partheyen unterschreiben machen[5], welches ihn so erschrecklich fatiguirt, daß ich fürchte, daß er auch kranck drüber werden wirdt. Apropo von krancken, daß fieber ist vor 3 tagen mademoiselle de Beaujolois ahnkommen; man fürcht, daß es auch die röttlen geben wirdt[6], wie ihr geschwister gehabt haben, die elste. Die pr[incesse] von Moden[7] ist vergangenen montag verreist; sie hatt so bitterlich geweint, daß sie mich auch hatt weinen machen; sie konte kein wordt articulliren. Ich sagte zu ihr: Mon enfant, [078] je vous souhaitte tout bonheur et contentement et ce qui vous sera bon pour ce monde et pour l’auttre; vous n’aures jamais tant de bonheur que je vous desire. Il n’arive que ce que le bon Dieu nous a ordonnes de tout temps, mais il faut, que nous merittions d’estre heureux. Vous aves de l’esprit; employes le a vous rendre la plus heureusse, que vous poures l’estre, et de maniere que le bon Dieu vous assiste! Adieu! habe sie drauff ambrassirt undt fortgeschickt. Ihr herr vatter hatt sie biß inß erste tagreiß begleydt[8], wo er seine chaisse de poste hinkommen laß[en], ist umb 9 abendts wider herkommen. Dinstag hatt sie zu Fontainebleau geschlaffen, gestern sejour dort gehalten; heütte wirdt sie zu Nemour[s] schlaffen undt morgen zu Montargis undt den ferner ihre reiße biß nach Lion[9] fortsetzen; von dar wirdt sie nach Marseille, von Marseille nach Antiben[10], wo sie sich auff den galleren ambarquiren [wird] mitt ihrem lincken bruder[11], der general von den galleren ist. Von Antibe werden sie nach Genua, wo die recht hochzeit ahngehen wirdt; den da wirdt sich der breutigam mitt alle der printzessen bedinten finden. Die hoffmeisterin undt freüllen, alle frantzosche damen, so sie bey sich hatt, werden sie dort quittiren, welcher[12] woll wider neü betrübtnuß verursachen wirdt. Solte ich jung undt schön werden können, wie sie ist, wolte ich doch wahrlich nicht ahn ihrem platz jetz[t] sein. Dießes[13] printzes abreiß ist gar nicht schuldt, daß Ihr, liebe Louise, kein schreiben von mir entpfangen habt. Ich habe kein eintzige post ahn Eüch verseümbt, ich weiß auch nicht, wie Ihr Ewer[14] die zeittung von dem verlauff vom beylager eher durch die hollandische zeittung, alß durch meine schreiben, erfahren habt. Die magnificence war geringer, alß kein beylager hir jemahlen geweßen; den es war weder festin, noch feste, noch ball[15]. Deß königs pressent ist gar schön, daß ist wahr. Der armen printzes schönheit ist ein wenig geendert, sie ist abscheülich mager von den rottlen geworden undt die hautt braun[e]r, alß sie geweßen, wozu die Mertzen-son nichts gutts außrichten wirdt. Wen meine kleine enckeln in einem alter sein werden, geheüraht zu sein, wirdt [079] man mich lengst nach St Denis geführt haben. Unßer[e] braudt hatt gar gewiß ihr rougeole bo[u]ttonnee bey ihrer fraw schwester, die abtißin von Chelle[s], geholt. Ich hatte es vorher gesagt undt sehr gebetten, sie solte nicht hinfahren; aber man ist nicht gewondt, meine wahrnungen zu folgen. Vor[iges] jahr hatt dieße abtißin nicht die rottlen, sondern die kinderblattern gehabt; nun ist sie, gott lob, gantz wider gesundt, hatt mir gestern geschriben undt gebetten, ehe ich nach St Clou werde, sie [zu] besuchen, welches ich auch, wo mir gott leben undt gesundtheit verleyet, gewiß thun werde. Hir zu Paris regieren die heßlich ahnsteckenden kranckheitten ärger, alß nie. [Zu] Paris ist gar eine schlimme lufft, habe es allezeit so gefunden. Ich weiß nicht, waß Ihr, liebe Louise, die goltene zeit hir heist, aber mein leben, auffs wenigst seyden[16] 38 jahren, daß ich hir bin, habe ich keine langweilligere noch alberer zeit erlebt; man hört undt sicht nichts, alß unglück undt lamantationen, keine zufriedene gesichter, lautter klagen, undt ich habe allezeit vor meinen sohn in sorgen zu sein. Gott stehe unß bey! Es seindt ebenso boße leütte in Franckreich, alß Alberonie immer sein mag. Ich habe gefürcht, daß sein gefengnuß nur ein spilgefecht[17] zwischen ihm undt dem papst seye; aber waß ich seyderdem erfahren, erweist doch, daß es ernst ist[18]. Wie er in Spanien war, hatt ihm der papst papiren von consequants[19] vertrawet; die hatt er ihm, seyder Alberonie auß Spanien ist, wieder gefordert. Die hatt das feine burschgen nicht wider geben wollen; daß hatt den papst verdroßen, hatt ihn deßwegen gefangen nach Rom hollen laßen, wo er woll vor alle seine boßheit übel belohnt mag werden. Wen der windt contrarie ist, kan man sich nicht über die englische [080] post beschwehren. Es ist eine widerliche sache umb die see; vor aller weldt gutt wolte ich nicht drauff fahren. Ich bitte Eüch, informirt Eüch unter der handt, liebe Louise, ob der erbprintz von Darmstat meinen eygenhendigen brieff entpfangen hatt! Es ist jetzt ein wenig spät, auff deß herrn landtgraffen schreiben zu andtwortten. Ich schreibe von hertzen gern ahn bekante leütte, aber die ich gar nicht kene, daß kompt mir schwär ahn; jedoch will ich Eüch heütte ein klein brieffgen vor ihm schicken. Da habe ich daß kleine brieffgen verfertigt. Gott gebe, das es dem landtgraffen ahngenehm sein mag! Ich hoffe aber, daß I. L. mir nicht wider schreiben werden; den ich kan nicht mehr commerse haben, alß ich schon habe. Printz Max von Cassel ist der eintzigen[20] von meinen vettern, welchen ich nicht gesehen habe. Sie thun woll, daß hauß nicht ab zu kommen laßen; aber dicke weiber bekommen auch kinder. Madame Darmagniac[21] s. war so dick, alß meines bruders gemahlin s., undt doch hatt sie sie 10 große kinder daher gesetzt, so alle in mansalter kommen, 4 dochter undt 6 söhne. Der landtgraff undt ich schreiben einander gar selten; ich sage I. L. aber nie, waß ich von seiner famille höre, den man weiß nie, ob solches ahngenehm ist oder nicht. Ich andtworte ihm nur auff waß er mir schreibt. Printz Wilhelm gemahlin solle weder hübsch, noch ahngenehm sein, wirdt also froh sein, durch seines herrn brudern heüraht ein pretext zu bekommen, apart zu schlaffen. Wen man sich nicht hertzlich lieb hatt, ist es eine verdrießliche sache, 2 in einem bett zu sein. Ich wünsche von hertzen, baldt zu vernehmen, daß Ewere gritliche sachen ein endt genohmen haben. Meine verdrießlichkeytten seyndt wie die köpff von der hydra von Lerna; wen eines abgeschlagen, kompt ein anders wider[22]. Aber waß will man thun? Es ist die[23] welt lauff so, liebe Louise! Ich habe noch auff Ewer liebes schreiben vom 13, no 13, zu andtwortten, welches ich bißher unmöglich habe thun können. Aber nun ist es zeit, meine pausse zu machen undt mich ahnzukleyden. [081]
Donnerstag umb halb 6 abendts.
In dießem augenblick komme ich von der Place-Royale, von unßerer großhertzogin, welche ich, gott sey danck, in gar perfecter gesundtheit gefunden undt recht lustig; hatt mich lachen machen. Es war eine alte marechalle de France bey ihr, so über etlich undt 70 jahr ist; da hatt sie Harling geruffen undt gesagt, er solle gar seüberlich mitt dießer damen umbgehen; den sie ist gar delicat. Da segt Ihr, wie lustig dieße fürstin ist. Aber, liebe Louise, ich muß eine pausse machen; den man rufft mich, ins opera zu gehen, ich habe versprochen, Issé[24] zu sehen.
Donnerstag umb 9 abendts.
Da komme ich eben auß dem opera undt werde auff Ewer gesundtheit mein ey schlucken, den ich habe heütte morgen mitt dem kleinen pfaltzischen secretari gesprochen; der sagt, daß man den Reformirten die H.-geist-kirch wider gantz wirdt einraumen undt alles nach dem friedenschluß richten. Der secretari hatt mich gefragt, waß mein sohn dazu sage; ich habe geandtwort: Mein sohn wird gern hören, daß Churpfaltz sich nach dem friedenschluß richt; waß vorgangen, hatt er gar nicht aprobirt undt were in dießem stück gar nicht vor Churpfaltz geweßen; er hatt mirs teütsch herrauß gesagt[25]. Mein gott, [wie hat] daß kleine mängen die augen gespert[26]! Aber ich habe ihm nichts gesagt, alß waß ich von meinem sohn selber gehört, undt man hatt ihm groß unrecht gethan, zu glauben, daß er eine solche gewalt aprobiren solte, so direct gegen den friedenschluß geht; nein, daß war gar nicht zu fürchten. Mein sohn hatt gar keine so albere religion, wie man meint, undt ist nicht bigot, wirdt sich woll sein leben von keine Jessuwitter regieren laßen, da bin ich gutt vor, noch mein exellentz[27] auch nicht, daß versprech ich Eüch. Ihr kent ja woll den conte d’Albert. Seindt Ihr den nicht mitt unßer lieben churfürstin undt der königin in Preüssen zu Achen geweßen? Da war er ja undt wolte den verliebten von der konigin agiren undt madame Tircanel[28] wurde [082] jalous von der konigin, weillen der conte Albert ihr gefiehl. Er hatt mir einen brieff von Churpfaltz bracht. Ich glaube, man [hat] Eüren lieb[en] brieff vom 13, no 13, verhext; den diß ist schon daß 3 mahl, daß ich dran ahnfange zu andtwortten, ohne es zu endt zu führen zu können. Hirbey kompt ein schreyben von madame de Dangeau vor ihre fraw schwester. Es hatt 10 geschlagen; ich muß nach bett, werde Eüch doch noch vorher versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. März 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 76–82
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1104.html
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