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Brief vom 16. März 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1105.


[082]
Paris, sambstag, den 16 Mertz 1720 (N. 73).
Hertzallerliebe Louise, umb den teüffel au contretemps zu betriegen, so fang ich Eüch heütte ahn zu schreiben; den sontags kommen mir allezeit hindernuße. Last sehen, ob ich endtlich einmahl daß vom 13 Februari, no 13, werde beantwortten können! Dießes ist daß 3te mahl, daß ich es unterfange. Man wirdt nun baldt sehen, wie daß pfaffenweßen außeinander gehen wirdt. Der keyßer hatt sich in dießer sach gar woll gehalten, mein sohn auch, welcher sich gantz gegen die erkläret, so den friedenschluß nicht halten würden, nicht exact halten würden. Ich hoffe also, daß der frieden in unßerm vatterlandt bleiben wirdt undt kein religionskrieg werden. Der arme comte Albert hatt daß pottegram abscheülich bekommen, seyder er herkommen, ligt zu bett undt kan weder händt, noch füße rühren. Churbayern wirdt nun meines sohns resolution wißen. Ich glaube, daß der keyßer undt meines sohns declarirung den churfürsten zu Pfaltz endtlich determinirt, die H.-geist-kirch wider einzuräumen, hoffe also, daß alles woll gehen wirdt undt wünsche es von hertzen. Ich glaube nicht, daß unßere teütsch[en] churfürsten undt fürsten so einfaltig sein werden, zu leyden daß, daß ein Portugais undt kein Teütscher ihr keyßer werden solte. Wen Churbayern eine ertzhertzogin vor seinem churprintzen bekommen wirdt, solle der leyden, daß der Portugais ihm die erblander abzwackt?[1] Daß kan ich nicht glauben. Über dieße sach aber, liebe Louise, können Ihr undt ich woll in ruhen schlaffen; es geht unß woll gar nicht ahn. Wie kompt es, liebe Louisse, daß man so trawerig zu Franckforth geweßen undt ahn gar keine [083] divertissementen gedacht? Heütte enden alle divertissementen hir biß auff Quassimodo[2], daß macht 3 gutter wochen. Deß Schnebels dochter muß von keinem gutten hauß sein, weillen sie sich so gar übel verheüraht hatt; ein geadtelter ist eine schlechte qualitet. Ich kene 3 Schönborn; es mag woll einer von den 3en sein, so jetzt cardinal undt bischoff zu Speyer ist. Sie wahren alle 3 brüder, gar feine leütte; aber einer gefiehl mir woll, war recht lustig undt hatte mühe, geistlich zu werden; es war ein hübscher herr von gesicht, aber ein wenig zu dick von taille. Hiemitt ist doch endtlich der teüffel au contretemps attrapirt; den Eüer liebes schreiben vom 13, no 13, ist vollig beantwortet; morgen ein mehrers, den ich werde auff daß vom 24, no 16, andtworten.
Sontag, den 17 Mertz, umb halb 9 morgendts.
Gestern konte ich ohnmöglich wider zum schreiben gelangen; den gleich nach dem eßen besuchte ich madame de Chasteautier[3], so kranck ist; hernach ging ich nunter, stieg in kutsch undt besuchte die große printzes de Conti. Wie ich wider kam undt schreiben wolte, kamme die junge printzes de Conti undt bliebe bey [mir], biß ich ins opera ging. Nach dem opera bekamme ich ein schreiben von unßer abtißin von Chelle[s], dern ich antwortete, laß ein schreiben von meiner dochter undt eines von der printzes von Modene, so ich eben entpfangen hatte, nahm mein geklopfft ey, wie alle abendt, undt ging nach bett. Es war nur halb 10, bin aber heütte umb 6 auffgestanden, habe mein ordinari gebett vericht, habe hernach ahn die printzessin von Modene geantwort. Daß hatt mich all zusamen biß auff dieße stunde geführt, da ich auff Ewer liebes schreiben vom 24 Februari, no 16, andtworten werden[4], welches daß eintzige von Ewern lieben schreiben ist, so mir noch überig blieben. Wir werden dießen abendt sehen, ob ich ein frischeres bekommen werde, welches ich aber vor die andere post sparen werde, es sey den daß wieder zwey auff einmahl kommen, wie letzte post. Ich werde aber nicht viel schreiben können; den es wirdt nahe bey 6 sein, wen ich wieder auß dem Carmelittencloster kommen werde, [084] undt ich habe heütte gar einen großen brieff ahn mein dochter zu beantwortten undt von ihren affairen undt großen proces, so sie hir gegen dem duc de Chastillon[5] haben wegen der comté[6] de Ligny, rechenschafft [zu] geben. Daß gibt langweillige briefe; den ich muß sagen, waß ich selber nicht verstehe; daß macht einen recht gritlich. Ich glaube mich hundert jahr alt, wen ich gedencke, daß, wen Ihr den alten Matheis[7] heist, meines kutschers Ambrossius sohn ist, so mich allezeit zu Heydelberg geführt hatt[8]. Es ist gar gewiß, daß die posten nie unrichtiger gangen sein, alß seyder ein jahr her. Es ist eine verdrießliche sache, daß sie meine schreiben alß überall zwey auff einmahl geben. Es ist wahr, liebe Louise, daß ich nicht leicht verdruß nehme; ich hoffe auch, ob gott will, nun weniger verdruß zu haben, nun die printzes von Modene weg; die hatt mich offt ungedultig gemacht. In Ewerem von no 17 habe ich schon gesehen, daß Ihr wist, daß unßer duc de Chartre[s] deß breüdigams stelle vertretten[9], drumb sage ich nichts mehr auff dießem text. Der printz von Modene ist gar gewiß nicht herkommen, noch hir geweßen. Dancke Eüch sehr, liebe Louise, vor Eüere congratulation, so Ihr mir über dießen heüraht macht, dancke ich sehr. Ich habe Eüch vorher gesagt, daß die fürstin von Ussingen eine gar unnohtige reiße thun würde undt ihren herrn brudern todt finden würde[10]. Ich habe Eüch vergangenen donnerstag die copie von Churpfaltz schreiben geschickt, worauß Ihr, liebe Louise, ersehen werdet, daß I. L. sich piquiren, gar woll vor Eüch zu sein. Gott gebe, daß er sein versprechen halten mag! Wir werdens sehen, wen Ewer haußverwalter wider kommen wirdt sein. Es solte mir von hertzen leydt sein, wen es nicht ahngehen solte undt daß, waß in Churpfaltz schreiben vor Eüch stehet, nur bloße complimenten geweßen wehren. Ihr werdet auß meinem letzten brieff ersehen, wie es gantz undt gar nicht wahr ist, daß mein sohn die betriegerey von den pfaffen aprobirt hatt, so man zu Heydelberg mitt der H.-geist-kirch praticirt hatt[11]. Ihr habt groß recht gehabt, es nicht zu glauben, liebe Louise! Er hatt auch Churpfaltz wahrnen laßen, nichts gegen den westphalischen frieden zu thun, er müste sonst [085] gegen ihm sein. Der keyßer hatt sich in dießem fall gar woll gehalten undt gar nichts pfaffisch, wie sein oncle, ahngefangen, also zu hoffen, daß alle unruhe gestilt wirdt sein in der armen Pfaltz. In Saxsen solle eine abscheüliche thewerung sein, jedoch weillen, wie Ihr sagt, liebe Louise, man raht dazu gethan, wirdt es woll auffhören. Nichts ist abscheulicher; ich glaube, ich wolte lieber sterben, alß so waß zu sehen, wie ichs gesehen habe; es schaudert mir noch, wen ich dran gedencke. Es ist wahr, [daß] silber undt golt hir verbotten ist[12]; aber weitter weiß ich nichts davon, den ich misch mich in nichts in der welt undt befinde mich gar woll darbey. Man hatt mir schon einmahl gesagt, das Ihr Ewere affairen gar nicht verstehet undt Eüch alle tag bestehlen last. Daß muß woll geschehen; wen man die financen nicht verstehet, so muß man ja woll alle denen glauben, so man seine affairen vertrawet hatt. Waß solle man sagen oder thun? Ihr wist woll, liebe Louise, daß ich dazu nicht bin erzogen worden, eygennützig undt interessirt zu sein; mein bruder s. war es auch nicht, ma tante, unßere liebe churfürstin s., war es gar gewiß auch nicht. Aber hir außer mein sohn, madame de Chasteautier undt ich weiß ich niemandts zu nenen, so, wie man hir sagt, in dießem fall franc du colier[13] ist. Ey, ey, liebe Louisse, last unß nichts mehr von den bagatellen [reden], so ich Eüch schicke! Es muß nur gehen, wie daß frantzösche sprichwort sagt: Les petit pressent entretienent l’amitié. Ich kan mir leicht einbilden, daß einem bang vor daß fewer sein kan, wen man so eine abscheüliche feüersbrunst gesehen hatt. Meine arme kinder in Lotteringen haben auch greüliche spectacle gesehen[14]. Nun bawen [086] sie daß hauß wider. Daß Ihr nicht momerirt[15] habt, habe ich woll gesehen undt Euch gleich zu wißen gethan, aber daß die chiffer gefehlt, habe ich nicht gemerckt. Ahn Ewerem kurtzen gedachtnuß kan ich sagen: Je recognois mon sang; den man kan kein schlimmer gedächtnuß haben, alß ich leyder habe. Da bekomme ich 2 von Ewern lieben schreiben auff einmahl, eines vom 2, no 18, undt eines vom 5, no 19. Ich habe der zeit noch nicht gehabt, es leßen zu können; aber so baldt ich meine brieffe werde außgeschrieben haben, werde ich die Ewerige leßen. Aber ich muß noch vorher ahn meine dochter schreiben, von dern ich einen großen brieff entpfangen hatte. Ihr seydt ahn die affairen gewohnt, liebe Louise! Ich fürcht, daß, wen graff von Degenfelt wider bey Eüch sein wirdt undt Ihr ihm die schönburgischen werdet übergeben haben, werdet Ihr hernach die tagen undt stunden zu lehr[16] finden. Ahn monsieur Le Fevre habe ich kein gelt geben, weillen Ihr, liebe Louise, versichert, daß es bezahlt seye. Were monsieur Marion zwischen 2 undt 3 nachmittags kommen, hette er mich allein gefunden. Monsieur Le Phevre ist nun drauff abgericht. Wen man morgendts bey meiner toillette nur kämme, gings woll hin, daß viel leütte werden; aber ich muß mitt allen sprechen, daß ist verdrießlich undt bludtslangweillig. Hiemitt ist Ewer lieben[17] schreiben von no 16 vollig beantwortet. Wir haben hir woll waß neües, allein weillen Ihr die leütte nicht kendt, könt Ihr nichts darnach fragen. Adieu, liebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt habe ich[18] so lieb, alß Ihr es selber wünschen moget, undt daß all mein leben.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. März 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 82–86
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1105.html
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