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Paris den 21 Mertz 1720 (N. 77).
Hertzallerliebe Louisse, ich habe ich
[1] vergangenen sontag bericht,
wie daß ich zwey Ewerer lieben schreiben auff einmahl entpfangen
habe, alß nehmblich daß von 2 undt 5ten dießes monts, no 18 undt
no 19, wehrde meine antwort bey dem frischten ahnfangen. Ich
weiß nicht, warumb Eüch die post fehlt; den ich schreibe alle posten.
Vielleicht finden sie er
[2] artlich, alß zwey undt zwey paquetten auff
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einmahl zu geben. Ich sehe aber nicht, worinen dieße gentillesse
bestehet. Die zeittungen haben war gesagt, unßer duc de Chartre[s]
ist wider frisch undt gesundt, ist sehr gewacksen undt jetzt größer,
alß ich, welches er vor seiner kranckheit nicht war; kam gestern
wieder von Seve
[3], wo er 12 tag lang die frische lufft genohmen
[4].
Man sichts ihm nicht mehr ahn, daß er so kranck geweßen. Ich
gestehe, dießer bub ist mir sehr ahm hertzen gewacksen, habe ihn
lieber, alß alle seine schwestern; aber meinen sohn habe ich noch
unvergleichlich lieber. Mein enckel fehlt nicht von verstandt, allein
er hatt eine solche facilitet, daß ihn auch die allereinfältigsten leütte
verführen können, wen sie ihm nur sagen, daß, waß sie ihm
propossiren, die mode unter den jungen leütten ist, undt sie ihn
außlachen werden, wen er nicht thut wie sie. So gutt mein sohn auch
ist undt jederman guts undt gnaden thut, so ist er doch sehr
gehast; den die Frantzoßen seindt so abscheülich interessirt, daß,
wen sie keine millionen gewinen, meinen sie, man zige es ihnen
ab, undt haßen deßwegen ohne auffhören. Es ist, glaube ich, keine
undanckbare[re] nation in der welt, alß die Frantzoßen
[5].
Frantzoßen verachten, wen man zu sanfft mitt ihnen verfährt; sie recht
in zaum zu halten, müßen sie forcht undt hoffnung haben; den wen
sie nichts zu [hoffen] haben, suchen sie, anderwerdts waß weytter
zu bekommen, insonderheit wen sie nichts zu förchten haben. Aber
wen man ihnen forcht einjagt undt dabey hoffnung gibt, so dienen
sie recht woll. Hir weiß man noch nicht, daß mein vetter in
Schweden könig geworden. Aber wie weiß man es nicht eher durch
Cassel, alß über Dresden? Daß macht mich ahn dießer zeittung
zweyfflen. Gott gebe, daß ich mich betriege! Aber da kompt
Chausseray[e]. Ich muß ein wenig mitt ihr plauttern. Dießen nachmittag
werde ich ferner auff Ewer liebes schreiben andtwortten, nun aber
meine pausse machen.
Donnerstag, den 21 Mertz, umb 7 abendts.
Waß man le diable au contretemps heist, der hatt mich heütte
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woll abscheülich lenternirt
[6], habe nicht eher, alß nun, wider zum
schreiben gelangen können. Gleich nach dem eßen bin ich
entschlaffen, hernach habe ich viel brieff bekommen, die habe ich
geleßen, unter andern eines von Eüch, liebe Louisse, von 9, no 20.
Es seindt mir auch alle augenblick interuptionen kommen, biß auff
den envoyes von Holstein, monsieur Dumont; der hatte mich
gebetten, ihm einen brieff zu geben vor den baron von Goertz, umb
ihn einen saxsischen edelman zu recomandiren, einen baron von
Reichenbach; den brieff habe ich schreiben müßen. Ich fürcht, ich
werde morgen, da es mein großer schreibtag ist, vissitten thun
müßen; den es geht ein geschrey, alß wen die junge duchesse
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gestorben sein solle, welches kein wunder were; den sie ist gar
übel, hatt heütte morgen alle ihr sacrementen entpfangen, undt ist
so
[8] gestorben, muß ich morgen zu alle ihre mütter, die rechte
mutter, schwiegermutter undt großmutter, wie auch alle geschweyen
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undt schwester; daß ist eine fatiquante sach. Ich glaube es noch
nicht; den wen es war wehre, hette es mir gewiß madame la
princesse sagen laßen
[10]. Ich komme nun auff Ewer liebes schreiben
vom 9, welches daß frischte ist, welches, wo mirs möglich ist, ich
noch heütte hoffe zu beantwortten. Ich habe woll gedacht, alß ich
auß Ewerm lieben brieff vom no 19 gesehen, daß Eüch eine post
von mir gefehlt hatt, daß man Eüch wieder zwey auff einmahl von
den meinen geben würde. Daß ist unleydtlich; aber waß will man
thun? Es stehet nicht zu endern. Ah, da kompt mein sohn [und] seine
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gemahlin. Gott weiß, wen ich einmahl auff Ewere liebe
schreiben werde antwortten.
Umb 9 abendts.
Mein sohn undt seine gemahlin haben mir ihren sohn
hergeführt, ihnen zu helffen, diß junge
[11] bürschgen zu predigen. Daß
hatt mich bißher auffgehalten undt nun muß ich enden, den ich
muß nach bett; den morgen muß ich früh auffstehen, umb ahn die
princes von Wallis zu schreiben; den den gantzen nachmittags
[12] muß
ich die betrübten besuchen undt daß leydt klagen
[13]. Es ist also
zeit zu, zu enden. Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt
behalte Eüch allezeit lieb.