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Brief vom 28. März 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1108.


[097]
Paris den gründonnerstag, 28 Mertz 1720 (N. 79).
Hertzallerliebe Louise, ich will heütte auff Ewer liebes schreiben vom 12 Mertz, no 21, andtwortten, so ich vergangen sontag entpfangen. Ich glaube, daß ich nichts mehrers werde schreiben können; den ich habe schon daß h. abendtmahl entpfangen undt dießen nachmittag werde [ich] ins closter, in waß man Tennebre[1] heist. Daß[2] list man viel prophezey[u]ngen undt die nonen singen psalmen darzwischen, etliche in musick, andere in ihrem ordinarie gesang; daß wehret woll 3 stundt. Ordinarie schlaff ich drüber ein; den, unter unß gerett, nichts in der welt ist langweilliger, alß 3 stundt Lattein singen zu hören. Ich nimb ordinari noch andere bûcher mitt, so ich leße; habe aber mühe, daß schlaffen zu wehren. Man will Eüch gewiß wider 2 von meinen schreiben auff einmahl geben, daß Ihr, liebe Louisse, genung zu leßen mögt haben; mich aber verdriests, wen ich so richtig schreibe undt meine brieffe nicht ahnkommen. Ich bin heütte eine geplagte seele, alle augenblick kompt man mich interompiren; daß macht mich recht ungedultig. Ich glaube, der teüffel schickt mirs expresse, umb mich in dießem tag, da ich zum h. abendtmahl gangen, ungedultig zu machen. Gott gebe mir gedult! Da rufft man mich zum eßen.
Gleich nach dem eßen, vor 2 uhr, hatte ich mich hirher gesetzt in hoffnung, noch vor der zeit, daß meine kutschen kommen, Eüch ein wenig zu entreteniren. Da ist monsieur Laws, der controleur [098] general de[s] finances, herein kommen undt hatt mir mylord Strafford[3] hergeführt, den ich vor 24 jahren undter dem nahmen von mylord Raby gekandt habe. Es hatt mich recht verwundert, den er ist weder fetter noch magerer, wetter alter noch jünger worden, gantz wie ich ihn gelaßen hatte, sagt, er were 7 jahr zu Berlin geweßen. Wir haben viel von unßerer lieben s. churfürstin, ma tante, gesprochen. Er hatt auch von Eüch gesprochen undt hatt gerahten, daß es ahn Eüch were, ahn wem ich schreiben wolte. Ich war ein wenig tendirt[4], ihn mitt der gräffin von Warttenberg zu vexiren, aber ich habe doch eingehalten. Ich finde, daß er vor 24 jahren beßer frantzößch sprach, alß nun; den nun hatt er englische thon. Wie er weg war, habe ich ins closter gemüst, bin von 3 biß umb 6 drin geweßen, er[st] nach 6 wider her. Wie ich ahnkommen, hatt man mir Ewer liebes schreiben vom 16 dießes monts, no 22, gebracht, habe es noch da vor mir undt kein augenblick zeit finden können, zu schreiben; den ich habe einen brieff bekommen, den habe ich beantwortten müßen. Man plagt mich, weillen verwichenen montag ist mein chevallier d’honneur, der comte de Mortaigne, gestorben. Dem premier escuyer habe ich erlaubt, zu steygen[5]; aber es seindt 6, die die charge von premier [écuyer] kauffen wollen; die plagen mich unerhört, schreiben mir, reden mitt mir[6]. Es finden sich viel difficulteten, gantz [recht] zu desidiren[7]; daß plagt mich erschrecklich, ist eine rechte qual. Aber last unß von waß [099] anderst reden! diß ist zu langweillig. In den zeittungen werdet Ihr wenig warheitten von mir leßen; in den letzten teütschen lag ich auff den todt, befinde mich doch beßer, alß ich in viellen jahren gethan. Ich sehe da im ahnfang von Ewerm letzten lieben schreiben, daß ich woll gerahten, weillen Ihr zwey meiner brieff auff einmahl entpfangen habt. Alle meine enckellen hir habe ich den gantzen abendt bey mir gehabt. Sie seindt, gott lob undt danck, nun in volkommener gesundtheit. Aber man schreibt, daß sich die printzes[8] nicht so woll befindt, alß ihr schwester undt bruder. Ich weiß woll, daß mein sohn dem printz Talmond waß geben, die sum aber weiß ich nicht[9]. Nach langen jahren verlange jahren verlange[10] ich nicht. Madame la duchesse, die junge, ist vergangenen donnerstag gestorben[11]; sie hatt sich selbsten umbs leben bragt[12] durch ihre unordendtliche conduitte. Von der keyßerin Amelie verstauchten fuß habe ich nichts gewust, alß durch Ewer liebes schreiben. Gott gebe, daß gantz frieden undt … in der Pfaltz bleiben mag! Ich wolte gehrn[13] mehr plauttern, aber es wirdt spät undt ich muß morgen wider früh auffstehen, werde also nur in eyll sagen, daß der graff von Horn dinstag abendt mitt seinem camerrahten gerähtert worden[14], hatt sich sehr bereüet undt ein braffes, schönnes, gottseeliges endt gehabt. Gutte nacht! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch recht lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 28. März 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 97–99
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1108.html
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