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Brief vom 4. April 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1110.


[104]
Paris den 4 April 1720, umb 5 abendts (N. 81).
Hertzallerliebe Louise, in dießem augenblick komme ich de la Place Royale, wo ich der großhertzogin eine vissitte geben, welche ich, gott seye danck, in volkomm[e]ner gesundtheit gefunden. Ich bin aber in rechten sorgen undt betrübt; eine von meinen gutten freündinen hatt schon alle ihre sacrementen entpfangen, undt letz[t] verwichenen sontag war sie noch frisch undt gesundt, gleytte[1] mich biß ahns closterthor; den es ist meine gutte freindin, die supérieure von den Carmelitten du faub[o]urg St Germain, wo ich alle sontag hinfahre. Daß geht mir recht zu hertzen, es ist daß beste mensch von der welt, so mich recht lieb hatt. Aber hiemitt genung von dießer betrübten sach! Ich komme auff Ewer liebes schreiben von 12, no 21; den daß vom 22 habe ich schon beantwortet, wie [105] auch daß vom no 23. Aber da kompt mein sohn herrein, den muß ich viel sagen, muß also eine pausse machen.
Donnerstag umb halb 8 abendts.
Mein sohn ist wieder weg undt die junge printzes de Conti kompt herein; aber mitt ihr mache ich keine façon, thue alles, waß mir in kopff kompt. Ich will nichts von der unrichtigkeit der post reden, den daß ist gantz unnöhtig; waß man auch sagen mag, wirdt doch nichts geendert. Drumb will [ich] nur sagen, daß ich heütte kein neües schreiben von Eüch entpfangen, werde also daß alte volführen. Ich habe schon in die frischere, so schon beantwort sein, gesehen, wie man Eüch 2 von den meinen auff einmahl geben hatt. Mein enckel ist schon vor 14 tagen wieder von Seve[2] kommen, ist nun frisch undt gesundt, gott lob! Unßere printzes von Modene hatt unterwegen noch ein acces vom fieber [gehabt]; man hatt sie purgirt, seyder dem befindt sie sich woll, wie man mir versichert. Ich bin wie Ihr, liebe Louise! Ich glaube nicht, daß die pfaffen die H.-geist-kirch wider heraußgeben werden, weillen es noch nicht geschehen, man zwinge sie den dazu. Hirbey schicke ich ein schreiben von madame Dangeau ahn ihre fraw schwester, der[3] fürstin von Ussingen. Hir sagt man kein wordt von madame Dangeau erbschafft. Nun Ostern vorbey, werden woll die assambléen zu Franckfort wider ahnfangen. Hir hört man wenig guttes; alle tag erfährt man neüe mordthaten. Man verzehlt mir alleweil, daß seyder vorgestern 6 menschen ermordt sein worden. Ey, liebe Louise, ahn sterben müst Ihr noch nicht gedencken. Ich habe gar kein lust, zu weinen, bin auch sonsten trawerig genung, habe nicht von nohten, daß mir noch waß mehrers dazu kompt. Also, liebe Louise, halt Eüch hübsch frisch undt gesundt! Ahn monsieur Le Fevre habe ich Ewer schreiben gleich geschickt, habe aber seyder dem nichts von ihm gehört. Ahn chevallier Watter denckt niemandts mehr, daß ist auß. Wen gleich Ewer schreiben ahn monsieur Le Fevre nicht pitschirt geweßen were, hette ich ihn[4] doch nicht geleßen; den ich leße mein leben keine brieffe, so nicht ahn mich gehören. Auff Frantzösch schreiben ist nicht gar schwer; man schreibt ja nur, wie man spricht, gantz natürlich; es ist schir leichter, alß auff Teütsch, kost mir [106] keine mühe. Daß letzte mahl, alß ich monsieur Le Fevre gesehen, hatte er gutte hoffnung, daß seine sachen baldt zu endt gehen werden. Dieße sachen, liebe Louise, haben mir gar keine mühe gekost, undt wen sie mir gleich mühe gekost hetten, bin ich genung recompensirt, wen es Eüch persuadirt, daß ich mich, wie ich thun solle, vor Eüch undt die Ewerigen interessire. Es ist kein wunder, daß Ewer elste niepce, nachdem ihr so viel unglück begegnet ist … Stehlen geht noch woll hin, aber morden, wie man hir thut, ist zu grob; seyder vorgestern seindt noch 6 personnen assassinirt worden. Es ist beßer, falsche steine tragen, alß sein leben in gefahr zu setzen oder sein hab undt gutt zu verliehren. Ich halte es vor gar keine schande, falsche perlen zu tragen; seyder meines herrn todt habe ich keine andere getragen[5]. Wen man nur in solchen sachen den[6] andern nationen aff ist, geht es woll hin. Ein andermahl ein mehrers. Ich gehe getroster; man ist mir sagen kommen, daß meine freündin beßer ist. Dieße nacht hoffte[7] ich, ob gott will, beßer zu schlaffen, alß die vergangene nacht; den meiner freündin … ist mir im kopff gelegen, undt ein abscheülicher krampff ahn knie, daß ich biß umb 4 nicht habe schlaffen können, ob ich zwar umb halb 11 nach bett gangen war. Gutte nacht, liebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt habe Eüch von hertzen lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 4. April 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 104–106
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1110.html
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