Seitenbanner

Brief vom 14. April 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1113.


[114]
Paris den 14 April 1720 (N. 84).
Hertzallerliebe Louise, es ist heütte just 8 tag, daß ich Ewere letzte schreiben entpfangen. Seyderdem ist nichts ahnkommen; will hoffen, daß die post mir wider nach dero schlimen gewohnheit etliche brieff auff einmahl samblen will, wie schon offtermahl geschehen. Gott gebe nur, daß Ihr, liebe Louise, nicht kranck sein möget, welches mir von hertzen leydt sein solte! Aber waß mich schir bang vor Eüch macht, ist, daß man überal von krancken nun hört, undt die kranckheiten überfahlen die leütte gantz plötzlich. Die marquise de Simiane, eine von madame d’Orléans damen, sie[1] sie ihrer fraw dochter, der printzes von Modene, mittgeben, hatt sie a [115] la Palisse laßen müßen, mitt den kinderblattern laßen müßen. Vergangenen mitwog holte mich der consierge hir in die commedie, undt wie es ein gar gutt, ehrlich mänchen ist, von welchem ich gar content geweßen, wie er bey meinem herrn cammerknecht geweßen (den er hatt mir nie nichts zu leydt gethan, contraire offt mein partie gegen die andere böße bursch genohmen), so habe ich ihn allezeit distinguirt undt mitt ihm gesprochen undt vexirt, den es ist ein mängen, so verstandt hatt; war mittwog, wie schon gesagt, gesundt undt lustig, ich lachte noch mitt ihm, wie wir umb 9 auß der comedie gingen. Donnerstag morgendts fuhr ich nach Chelle[s], wie ich Eüch abendts bericht. Wie ich umb 6 widerkam, sagte man mir, daß diß arme mängen alle seine sacrementen entpfangen undt auff den todt ligt. Es hatt ihn auff einmahl ein hitzig fieber ahngestoßen, daß er gefabelt. Freytag war er zimblich woll wieder, gestern aber übel, heütte ein wenig beßer. Es ist abscheülich, wie geschwindt die kranckheitten dieß jahr überfallen. Meine superieure von den Carmelitten ist, gott lob, außer gefahr. Ich will sie dießen nachmittag besuchen. Heütte morgen umb 11 werde ich nach hoff, ein kindt mitt dem könig halten, deß grand prevost söhngen, monsieur de Monsoreau[2]. Sie seindt von gutten hauß. Ich habe seinen vatter undt großvatter gekandt; den es ist gar lang, daß die charge in ihrem hauß. Der großvatter spatzirte alß mitt mir au boullingrin[3] zu St Germain undt verzehlte mir die alten historien von Louis 13 hoff, wo er seine jugendt passirt. Sie haben etwaß in dießem hauß, so gar rar in Franckreich ist, nehmblich daß die mütter auch von gutten hauß sein. Es ist aber noch[4] woll zeit, daß ich auff Ewer letztes liebes schreiben komme vom 2 Mertz, no 18, welches daß eintzige ist, so mir noch überig bleibt. Ich ware ahn meiner andtwordt geblieben, wo Ihr mir verzehlt, wie Ihr zu Hannover die rödlen gehabt, so Eüch hart ahngegriffen hatten. Ihr sagt, Ihr wist nicht, waß man Eüch gebraucht, so Eüch courirt. Daß weiß ich woll, waß es auch mag geweßen sein, so hatt Eüch nur [116] courirt, daß Ewere sterbstundt nicht kommen war. Wen die bestimbt stundt nicht kommen ist, courirt man, waß man auch nehmen mag; hergegen ist die stundt kommen, so hilfft nichts in der weldt, daß bin ich woll fest persuadirt. Vor die gutte wünsche, so Ihr, liebe Louisse, meinen enckel, dem duc de Chartre[s], thut, dancke ich sehr. Er ist mehr von den rodlen geendert, alß von den kinderblattern, ist gar nicht hübsch mehr, aber er waxst sehr; ich glaube, er wirdt baldt großer, alß sein herr vatter, sein. Mein sohn befindt sich, gott lob, wohl. Auß sorgen undt ängsten werde ich nicht kranck werden; ich bin dießes zu sehr gewohndt, liebe Louise! Daß ist hir im landt schir mein taglich brodt geworden. Aber gott, der allmächtige, hatt einem jeden aufferlegt, waß er tragen solle; es muß ein jeder sein verhengnuß volbringen. Es seindt zu viel leütte zu Paris, umb daß die böße kranckheitten auffhören mögen; den die lufft ist immer böß hir. Ich werde nun baldt auß dießer bößen lufft sein, den biß sambstag werde ich zu St Clou, wilß gott, zu mittag eßen. Ich freüe mich drauff wie ein kindt, nicht so sehr, St Clou zu finden, alß Paris zu quittiren; den ich bins woll von hertzen satt undt müde, kan mich ahn daß burgerliche leben nicht gewehnen, ob es zwar gar nahe bey 5 jahren ist, daß wir es nun führen. Unßere hertzogin von Hannover hatt mir der keyßerin Amelie, ihrer fraw dochter, accident bericht undt wie sie gefahlen undt den fuß so abscheüllig verrengt hatt, daß er gantz auß einander gangen, alß I. K. M. ein[en] schranck haben öffnen wollen. Hir weiß kein mensch kein wordt davon, daß Churbayern den[5] schlag gerührt; daß muß eine falsche zeytung sein. Mich deücht, ahn keyßer- undt königlichen höffen seindt doch etlichmahl undt insonderheit bey beylagern ceremonien nöhtig. Man kan mir woll hirin glauben; den kein mensch in der welt hast die ceremonien mehr, alß ich. Aber daß beylager zu Dresden war auch zu starck; 3 oder 4 tag fest were in meinem sin genung geweßen[6]. Aber man solle es machen, wie daß teütsche sprichwordt sagt: Ein jeder solle sich strecken nach seiner decken; den schulden machen ist etwaß gar heßliches sowoll vor große, alß kleine. Meledy Stairs scheindt raisonabel zu sein, spricht aber gar wenig; sie werden baldt weg. Mylord Stair[s] solle viel mitt einer maistres verthan [117] haben, so madame Raimond heist; sie ist nicht so schön, alß ahngenehm, ist Churbayern[7] maistres geweßen. Nun hatt sie einen andern amant undt liebhaber, welches mylord sehr betrüben solle. Ihr jetziger liebhaber ist graff Moritz von Saxsen; der ist nicht gar schön, hatt aber gutte minen, ist jung undt ahngenehm, also ist meledy Stairs vangirt von ihres mans untrewe. Man braucht jetzt in Franckreich zu großen sumen zettel undt zu kleinen gar kleine silberne müntzen, wie halbe batzen; die gelten 30 sols, werden aber alle monat abnehmen. Alberonie ist in die Schweitz gereist bey dem abt von St Gallen. Waß er dort vor ein teüffelsleben ahnfangen [wird], wirdt die zeit lehren. Daß böße hexgen, die duchesse du Maine, wirdt morgen nachmittags zu mir kommen. Ich hette es woll entbehren mögen, aber waß will man thun? Weillen mein sohn sie gesehen, muß ich sie, weillen sie es mitt aller gewahlt will, woll auch sehen. Wo mir gott leben undt gesundtheit verleyet, werde ich Eüch biß donnerstag berichten, liebe Louise, wie dieße vissitte abgeloffen. Wofern der fürst von Murbach einen Frantzoßen gar viel vermacht, wo er jung undt woll geschaffen ist, hatt es gewiß eine andere ursach gehabt, alß seine enderung von religion. Ich werde heütte madame Dangeau im closter sehen, will sie fragen, ob sie viel von ihrem herrn bruder geerbt hatt. Eine person von Ewerm standt ist arm, wen sie nicht reich ist; könt Eüch also gar woll unter die armen rechnen. Ich muß nun mich ahnziehen undt nach hoff, den könig in seine meß zu folgen undt hernach den kleinen Monsoreau auß der tauff zu heben. Ewer liebes schreiben ist vollig beantwortet, kan also nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
P. S.
Sontag, den 14 April, umb 9 abendts.
Da komme ich auß dem opera, habe die 3 letzten acten durch geschlaffen. Wie ich herrein komen, habe ich Ewer liebes schreiben vom 30 Mertz, no 26, gefunden, welches ich aber heütte [118] ohnmöglich beantworten kan, nur sagen, daß ich mitt madame de Dangeau gesprochen. Sie ist universalle erbin mitt dem beding, daß sie ihrer fraw schwester, der fürstin von Ussingen, 4 taußendt francken deß jahrs pention[8] geben solle. Ihr erbschafft geht hoch, kompt auff 100/m thaller. Allso segt Ihr woll, daß kein wort wahr, waß man von dem edelman gesagt, so von religion solle geendert haben. Ich muß ahn mein dochter schreiben; glückseelige gutt nacht, liebe Louise!
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. April 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 114–118
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1113.html
Änderungsstand:
Tintenfass