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Brief vom 9. Mai 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1120.


[138]
St Clou den 9 May 1720 (N. 91).
Hertzallerliebe Louise, ich weiß noch nicht, ob ich heütte etwaß von Eüch entpfangen werdte; aber kompt waß, werde ich es vor die andere post sparen, wo mir gott leben undt gesundtheit verleyet. Gestern fuhr ich nach Paris, ging gleich au[x] Carmelitten. Marton ist gantz wider gesundt, aber so matt, daß sie keinen schritt gehen kan. Es kamen 2 von meinen gutten freündinen zu mir ins closter, madame Dangeau undt madame de Mérinvilie. Mitt allen 3en blautterte ich biß umb 12, da fuhr ich au … Luxembourg zu madame la princesse, die ich, gott [lob], ohnvergleichlich beßer fandt, alß vor 8 tagen. Sie war recht lustig. Ich glaube, daß die freüde, ihren enckel, den comte de Charolois[1], wider frisch undt gesundt gesehen [zu] haben, sie wider ermundert hatt; den sie hatt alle ihre kinder undt kindtskinder hertzlich lieb. Ich nahm ihr enckel, mademoiselle de Clermont, in mein kutsch mitt mir au Palais-Royal. Ich dachte, ich würde umb 1 uhr dort ahnkommen undt gleich zum eßen gehen könen; ich funde aber eine avanture, so mich erst umb halb 2 ins Palais-Royal brachte. Den alß ich gar nahe zum Palais-Royal kamme, fandten wir 2 kutschen, so im ambaras sich durch zu geschwindt fahren ahn einander in die räder gehengt hatten undt beyde umgeworffen hatten. Über die kutschen war gantz ohnmöglich zu fahren; wir musten also, nachdem wir da eine halbe stundt gehockt hatten, einen andern weg undt gantzen weitten umbschweiff nehmen, umb durch la rue de Richelieu wider in der rüe St Honnoré zu kommen undt zum Palais-Royal [zu] gelangen. Wie ich schon gesagt, ich aß mitt meinen enckeln undt damen zu mittag. Wir wahren 12 ahn taffel, madame[2] de Mon[t]pensier, mademoiselle de Clermon[t], der duc de Chartre[s], so gallam[m]ent mademoiselle de Clermont die handt geben, die marechalle de Clerembeau[3], Lenor, madame de Börstel, madame de Chasteautier[4], madame de Segure[5], madame Chivernie[6], meines sohns kinder-hoffmeisterin, mademoiselle de Chartre[s], mademoiselle de Beaugelois[7] [139] undt ich. Nach dem eßen ging ich in mein cammer, wo mein sohn wider zu unß kam. Er hatte morgendts medecin genohmen. Madame la princesse de Conti, die junge, kam mitt ihrer geschwey, mademoiselle de la Rochesurion[8], welche ich auch hatte hollen laßen, umb mitt mir in die commedie zu gehen[9]. Umb halb 6 gingen wir in die comedie von Mytridatte[10] vor daß große stück undt la foire de St Laurent[11] zum poßen-spiel. Baron[12] undt die Duclos[13], so Mytridatte undt Monime agirten, spilten über die maßen woll. Gleich na[c]h der commedie fuhr ich wieder her, kam umb halb 10 ahn, endedigste[14] meinen tag mitt einer betrübten zeittung. Man gab mir ein paquet von der printzes von Wallis, wie ich auß der commedie [kam], konte also den brieff erst hir leßen, worinen ich fandt, daß die liebe printzes in einer großen angst undt betrübtnuß ist: den ihre elte[ste] fraw dochter, printzes Anne, hatt die kinderblattern sehr starck. Gott wolle ihr beystehen [undt] daß kindt couriren! In der vorigen post war sie auch in sorgen vor ihrem printzen, so wider kranck geworden undt gichter [hat]. Mir ist bitter bang, daß endtlich eine rechte schwer-noht drauß werden wirdt. Da habe ich aber genung geplauttert, liebe Louisse! Es ist auch einmahl zeit, daß ich auff Ewer liebes schreiben komme. Von den posten werde ich nichts sagen; den es ist kein mittel, sie beßer zu gehen machen. Ihr seydt gar zu demütig, liebe Louise, Eüch nicht vor würdig zu halten, daß ich in sorgen vor Ewer gesundt[heit] bin; daß ist ein [140] exces de modestie, hatt mich lachen machen. Waß ist naturlicher, alß vor denen in sorgen zu sein, so einem so nahe sein, liebe Louisse, alß Ihr mir seydt, undt die man lieb hatt? Ich habe offt in acht genohmen, daß es einem gantz beschreyet[15], wen man sich brumbt[16], in voller gesundtheit zu sein; man wirdt gleich kranck drauff; man muß nur sagen: Ich bin nun, gott lob, zimblich woll. Seyttenstechen machen kurtze proces. Wen man couriren solle, gibt unßer herrgott denen, so bey den krancken sein, in dem sin, waß sie salviren kan. Ist die bestimbte stundt aber kommen, muß sich alles verblenden, damitt keine hülffe kompt. Ein jedem ist sein ziehl gestelt, darüber kompt man nicht. Die printzes von Wallis jammert [mich], sie ist unglücklich. Gott bewahre I. L., daß sie dero kinder nicht verliehren mögen, die sie so hertzlich liebt! Sie würde es nicht außstehen können. Es ist mir recht bang dabey, verlange sehr auff morgen, da ich hoffe, wider zeittung von I. L. zu bekommen. Dießes schreiben ist lenger, alß ordinarie, unterwegen geweßen. Ordinarie bekomme ich die brieffe in 5 tagen; dießes paquet aber ist erst in 8 tagen ahnkommen, also 3 tag spätter, alß es hette kommen sollen. Marton merittirt, daß man sie estimirt undt viel, den sie hatt verstandt undt ist frorn undt tugendtsam; daß seindt gar rare sachen hir in Franckreich undt findt sich nicht bey dutzenden. Hir im landt ist kein alter vor die blattern; alte bekommen sie, wie junge kinder. Die marquise die[17] Simiane ist über die 40 alt; sie ist nicht alß dame d’honneur bey der printzes von Modene; sie ist dame du palais von ihrer fraw mutter undt bekleydt[18] sie nur, umb in ihr landt, so die Provence ist, zu reißen. Die princes von Modene wirdt weder frantzösche dame d’honneur, noch hofffreüllen haben, sondern lautter ittallien[s]che, die ihr von ihrem schwiger herr vatter werden erwehlet werden, ihre dame d’honneur solle eine marquise de Rangonie[19] sein, wie mir unßere herzogin von Hannover geschrieben. Die dame, so die printzessin eygendtlich führt, daß ist die duchesse de Villar[s], madame la duchesse de Brancas, meiner dame d’honneur sohns fraw. Ich glaube, Ihr habt ihren vatter woll zu Heydelberg gesehen; den sie ist deß pressidenten de Moras [141] seine dochter, hatt also mehr, undter unß gerett, statt- undt burgerliche maniren ahn sich, alß hoffleben. Daß ist gewiß, liebe Louisse, St Clou ist nun über die maßen schön; alle, die es sehen, geben mir groß recht, gern hir zu sein. Zu Paris lebe ich wie eine burgerin; man weiß nicht mehr, waß hoff geweßen; keine damen wollen zu mir kommen, weillen ich nicht leyden will, daß man zu mir wie zu madame d’Orléans ohne leibstück undt in escharpen[20] undt robe batante kommen; daß kan undt mag ich nicht leyden, will lieber keine sehen, alß die fammilliaritet zu vertragen[21]. Da geht niemandts nichts bey ab, daß ich nicht zu Paris bin; den ich sehe wenig leütte undt halte weder biribi, noch landtsknecht[22] wie madame d’Orléans. Dinstag kommen ambassadeurs undt envoyes, aber sie kommen auch hieher. Weillen monsieur Sutton, so ahn mylord Stair[s] platz kompt[23], die antiquen liebt, werde ich ihn schon amussiren können mitt meinen medaillen. Ich habe Eüch schon geschrieben, daß es nicht war sey, daß der fürst von Murbach einen frantzoschen edelman zum erben gemacht hatte. Ich habe mein leben nichts, alß alles gutts, von dießem herrn gehört. Den brieff von der fürstin von Ussingen habe ich gleich ahn madame Dangeau geschickt. Ich höre, wen Ihr apartement halt, so [142] heist man hir, waß Ihr assamblée heist. Wo seindt die zwey langweillige graffen von Issenburg hinkommen, so wir zu Heydelberg hatten, ehe ich von hauß weg bin? Ich habe gestern abendt eine caisse mitt 17 große metwürst vom baron Goertz bekommen. Wie ich aber abendts nichts eße, werde ich sie erst heütte versuchen; sie richen gutt. Ich muß meine pausse nun machen undt mich ahnziehen. Nach der promenade undt wen wir auß der kirch werden kommen (den es ist heütte himmelfahrttag), [werde ich diesen brief ausschreiben].
Don[n]erstag umb 10 abendts.
Dießen gantzen abendt bin ich abscheülich geplagt. Wie ich auß der kirch undt vesper kommen, habe ich ein wenig frische lufft schöpfen wollen. Da ist ein courir von Lotteringen kommen undt hatt mir gesagt, daß er dieße nacht noch wider weg würde; habe also einen kurtzen tour gethan undt bin in intention, ahn mein dochter undt ihrem herrn zu schreiben, wider gekommen, habe aber den hertzog von Mümpelgard[24] hir gefunden. Der hatt mich [143] auffgehalten, drumb schreibe ich so spät. Ehe ich ahn den hertzog von Lotteringen geschrieben undt mein dochter geschrieben, habe ich ahn den abbé Dubois, jetzt ertzbischoff von Cambray[25] geschrieben, umb ihm zu dancken vor die gutte zeittung, so er mir heütte morgen geschrieben undt durch einen expressen geschickt, daß der frieden zwischen dem könig in Englandt undt seinen königlichen kindern gemacht ist undt daß der printz undt printzes von Wallis nach einander zum könig sein, lang allein bey I. M. geblieben undt daß alles wider so gutt geworden, daß den 6, alß andern tags, alle, die von deß printzen partie wahren, seindt kommen, dem könig die handt zu küßen. Alles ist wider gutt[26]. Von [der] printzes stehet nichts in der relation; daß macht mich hoffen, daß daß artige printzessgen wider beßer ist. Ich habe dießen nachmittag Ewer liebes schreiben [vom] 27 Aprill, no 32, zu recht entpfangen; aber weit davon, daß ich es heütte beantwortten konte, so werde ich [144] nicht einmahl vollig auff Ewer erstes liebes schreiben dießen abendt andtwortten; den [man] will nicht, daß ich spatter, alß 11, schlaffen gehe vor meine gesundtheit. Adieu, liebe Louisse! Ein andermahl ein mehrers, aber dießen abendt werde ich nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 9. Mai 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 138–144
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1120.html
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