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Brief vom 26. Mai 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1125.


[155]
St Clou den 26 May 1720 (N. 95).
Hertzallerliebe Louise, Ihr werdet auß meinem letztem schreiben schon ersehen haben, wie daß ich vergangenen donne[r]stag bin mitt Ewerem lieben schreiben vom 11 dießes, no 38, bin erfrewet worden, worauff ich heütte ordendtlich andtwortten werde. Gott bewahre mich vor contretemps undt inter[r]uption! Die frantzösche mode, remeden de précaution, seindt mir greülich verleydt, kan mich noch nicht gantz wider davon erhollen; ich glaube aber, daß mein jetzt gridtlich-sein viel dazu hilfft undt wieder neü[e] galle macht. Aber last unß von waß anderst reden! Hir were gar zu viel auff zu sagen. Madame la princesse ist, gott lob, wider viel beßer, kan nun wider außfahren undt ein wenig zu fuß spatziren, sicht auch wider beßer auß, ist aber noch erschrecklich mager. Die hertzogin von Hannover kan nicht eyllen, weillen sie ihre neüe enckellin, unßere mademoiselle de Vallois, sehen will, welche gar kein eyll hatt nach Modene; ist woll eine dolle humel, wie wir in der Pfaltz sagen. Ohne ahngesehen ihres herrn vattern ernstlichen verbott will [sie] durch die gantze Provence herumbspatziren undt Toullon sehen, welches gantz von ihrem weg abgelegen ist. Sie will auch, wie man sagt, die Ste Baume sehen, führt also deß königs hauß herumb, welches dem könig millionen [kostet]; da hatt sie die geringste consideration nicht vor, daß felt alles auff ihren herrn vattern. Daß macht mich auch gridtlich, ob zwar vatter undt mutter es woll verdint haben, chagrin von dießer dochter zu haben; sie haben sie [156] beyde zu sehr verzogen undt dadurch gantz verdorben[1]. Ich habe viel dolle köpffe in weibern gesehen, aber keines, daß dießer gleich kan kommen; ihr montespanische gemüht erweist sich in alles. Aber es ist meine schuldt nicht, kan zu meinen sohn sagen, wie in der commedie: George Dandin, tu la voulu[2]. Aber hiemitt genung hirvon! Der hertzog von Modene hatt recht impertinent in den letzten zeytten sich gegen seiner fraw [157] schwigermutter, der hertzogin von Hannover, [betragen], alß wen sie geringer were, alß er, undt der undterschiedt von ihren geburden ist doch auff allen seytten groß genung, umb ihr großen respect schuldig zu sein. Es ware[3] billig, daß sie sich in alles mischen solte, da sie seiner kinder großmutter ist undt sie alle mitt so großer sorg undt fleiß erzogen. Zu glauben, daß man eine frantzösche fraw in der welt finden [könne], die nicht die frantzösche maniren über alles setzt undt immer davon spricht undt welche sich nicht in alles mischen will, daß ist ohnmöglich. Von den ersten biß auff der küchenmagt wirdt man dießes finden[4]. Aber man hette woll die sach ihr moderiren können, ihr nur verdrawen, waß ihre kinder betrifft, undt sonsten mitt respect mitt ihr leben können. Es ist zu Hall im Tiroll, da unßere hertzogin die keyßerin, ihr fraw dochter, undt die ertzhertzogin, ihr enckellin, sehen wirdt; sollen 14 tag beysammen bleiben. Der abschidt wirdt greülich hart halten; den es nach aller aparentz woll ein ewiges adieu sein wirdt. Auß dem Tiroll wirdt sie über Strasburg her, ist eine große reiße vor eine 70jahrige fraw. Gott gebe, daß es woll abgehen mag! Ich wünsche es von hertzen; den ich habe dieße hertzogin lieber wegen ihr so gar guttes gemühte, alß wegen unßerer nahen verwandtschafft. Mein balbirer will mir nie alß ahm lincken arm laßen[5]; den er sagt, meine andern[6] ahm rechten arm wehren so klein undt beweglich, daß er mühe haben würde, sie recht zu erdapen. Aber wen man mir gleich ahm rechten arm gelaßen, hette mir doch daß schreiben nicht schaden können; den nach vier stunden ist mein arm zu, alß wen man mir nicht gelaßen hette. Ich hatte vor 9 morgendts ader gelaßen undt habe Eüch erst zwischen 7 undt 8 geschrieben, liebe Louise, hatt mir also gar nichts schaden können. Ahn die ich lieb habe, brauche ich zum schreiben nie keine andere handt, alß die meine. Ihr hettet recht, zu erschrecken, liebe Louise, wen Ihr eine andere handt, alß die meine, finden soltet; den [158] es were ein zeichen, daß ich entweder auff den todt legen[7], oder ein gar groß accident ahn der rechten handt hette. Also gott behütte mich, daß Ihr einen brieff von der Rotzenheussern ahn meine statt bekämet! Geschrieben zu haben, hatt mir gar nichts geschadt; meine mattigkeit kompt, daß ich ahn keine remedien gewohnt bin. Man lest mir nie zur ader, ohne daß ich 3 wochen bin, ohne mich wider hollen[8], insonderheit wen man mich gleich purgirt, wie es schir allemahl geschieht. Waß man in den gazetten von der abtißin von Chelle[s] gesetzt, ist eine boßheit. Es ist nicht dran gedacht worden, sie ist gar content in ihren standt undt wolte ihn nicht endern, wen es gleich so möglich were, daß sie monsieur le duc bekommen, alß es ohnmöglich ist[9]. Monsieur le duc ist nicht so attrayant, daß man sehr verliebt von ihm werden konten[10]; er ist lang, mager, gebuckt, einaugig undt daß gutte [auge] ist so roht, daß man nicht weiß, welches daß blinde ist, ein lang, schmahl gesicht, holle backen, ein lang kien, große lefftzen, einen kurtzen leib undt gar lange beine ohne waden. Dieße figur ist woll nicht schön; auch werden ihm alle seine maistressen nach einander untrew. Daß vielle sauffen undt die pfaffen müßen Churpfaltz daß hirn verthrehet haben undt sein eygen interesse nicht erkennen machen, seinen armen unterthanen lautter bößes ahnstatt guttes zu thun. Die Heydelberg[er] haben noch zeit vor sich; den ehe zu Manheim alles gebauet wirdt sein, umb alles hinzufahren, eine vollige ressidentz dort zu machen, wirdt noch viel waßer über den Necker undt Rhein fließen undt es können noch viel enderungen kommen. Ich dancke Eüch sehr vor die vers, so Ihr mir auff den jetzigen könig in Schweden[11] [geschickt habt]; finde sie nicht ridicul, aber Phil[i]p undt Allexander hetten woll außbleiben können, kommen hir nicht zu paß, noch apropo. Ich, so gridtlich ich auch bin, habe doch lachen [müßen] über den wunderlichen nahmen von der generalmajorin Schnabelin[12]. Man macht sich offt viel lustiger bey einem gutten salatgen, alß bey einen großen fest, wie die wahren, so man zu Dresden gehabt hatt. Ist[13] habe vor 2 jahren einen hundt gesehen, so man reden machten[14], undt wen man ihn [159] fragte, waß er geßen, sagte er deütlich: Ein brädgen undt ein saletgen. Daß were meine sache mehr, alß waß derselbe hundt sagt, daß die leütte von qualitet eßen, nehmblich thé, caffé undt chocolat; dieße 3 stück kan ich vor meinen todt nicht leyden[15]. Die mussiq von den waldthornern höre gar gern; unßer könig s. hörte sie auch gern. Waß haben den die arme ressidentin der fürstin von Ussingen gethan, daß sie sie nicht sehen? Alles ist jetzt so gemischt, daß man keine unterschiedt schir mehr macht von waß alt vom adel oder neü gebacken; zudem höre ich undt nicht ohne schmertzen, daß unßer teütscher adel sich auch so woll, alß man hir thut, sich sehr verquackelt. In spiellen sicht man nicht auff die qualitet nirgendts nicht, sondern nur auff die, so bezahlen können, wen sie verliehrn. Mitt dem könig, monsieur le dauphin haben hir mensche[n] gespilt, so man woll wuste, daß sie gar keine edelleütte wahren, auch nicht gedachten, vor adelich zu passiren. Die fürstin von Siegen kan nicht beßer thun, alß sich hübsch eingezogen zu halten. Ist es prister, so man die bischöffe von Würtzburg undt Speyer machen solle, oder sie alß bischoff sacriren? Heütte über 8 tag wirdt der abbé Dubois alß ertzbischoff sacrirt werden von Cambray. Man hatt mir unter der handt zu dießer cérémonie geladen, ich habe es aber in gnaden abgeschlagen, liebe die ceremonien gar nicht. Monsieur Lefevre hatt mir schon gesagt, wie daß graff von Degenfelt daß ordre von Preüssen hatt. Ordre stehen woll undt disting[u]iren die leütte recht. Ich kan leicht [begreifen], daß es Eüch nicht sonderlich gefallen solte, liebe Louisen, wen Ihr von Ewern verwantten pfaffen undt geistliche sehen soltet. Verstandt fehlt Eüch nicht undt habt den ruff bey alle, die Eüch kenen. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben durchauß undt gar exact beantwortet, liebe Louisse, undt es schlegt 11 uhr. Entpfange ich noch etwaß von Eüch, werde ichs Euch dießen nachmittag in post[s]criptum berichten, nun aber nur versichern, wie daß ich biß ahn mein endt bin undt bleibe, wie ich Eüch, hertzallerliebe Louise, offt versprochen, nehmblich Eüch von hertzen lieb zu behalten, so lange ich lebe.
[160] P. S.
Ewr liebes schreiben vom 14, no 39, ist dießen abendt ahnkommen, werde es aber vor biß donnerstag sparen, wo mir gott biß da leben undt gesundhe[i]t verleyet, liebe Louise!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. Mai 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 155–160
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1125.html
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