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St Clou den 1 Juni 1720.
Hertzallerliebe Louise, morgen werden meine enckeln
herkommen, mitt mir zu mittag zu eßen; die rassen mir ordinarie den
kopff so voll, daß ich mühe zu schreiben habe. Dazu muß man
auch in kirch undt wo daß wetter es erlaubt, werde ich ein wenig
im gartten spatziren fahren, habe hoch von nohten, in die lufft zu
fahren; den ich bin in rechten ängsten, sorgen undt betrübt wegen
meines sohns. Mein sohns gemahlin, so gestern herkommen, hatt
mich schir gantz ungedultig gemacht; sie ist lustig, lacht undt dreibt
poßen, alß wen mein sohn in keiner gefahr wer, undt daß böße
weib weiß es nur zu woll, in welcher abscheülichen gefahr er lebt.
Ich habe mich zwingen müßen, umb nichts zu sagen, daß ich schir
gebärst were. Dießes alles zusammen setzt mich in einer
trawerigkeit, die ich Eüch, liebe Louisen, nicht beschreiben kan, undt macht
einem daß leben erschrecklich müde, wie Ihr leicht werdet
begreiffen können. Man hört undt sicht nichts, alß falschheit undt
betrug; daß macht daß leben greülich müde undt sawer. Daß macht
mich schir die Pfaltzer glücklich finden, so in Missisipi gehen undt
auß Europa weg kommen. Aber ich werde meines lamantirens selber
müde; last unß von waß anderst reden! Ich komme auff Ewer
liebes schreiben vom 18 May, no 40. Es ist lang, daß ich mich
nicht berühmen kan, einen gutten tag gehabt zu haben. Da kumpt
der kleine pfaltzische secretarie, der von Grevenbrock, herrein undt
bringt mir eine copie von der ordre, so Churpfaltz nach Heydelberg
Ewertwegen geschickt. Ich habe dieße copie genohmen undt schicke
sie Eüch hirbey
[1], liebe Louise! Mich deücht, daß unßere
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corespondentz jetzt zimblich woll geht. Meine gesundtheit ist auch all gutt,
aber meine schenckel seindt noch gar schwach undt der apetit
schlecht. Ich bin fro, daß ich die erste geweßen, von welcher Ihr,
liebe Louise, die gutte zeittung erfahren, daß der printz undt
unßere liebe printzes von Wallis wider bey dem könig, ihren herrn
vattern, in gnaden sein. Gott gebe nur, daß es bestandt haben
mag! Aber, unter unß gerett, ich forchte alß noch den
hinckenden bott
[2]. Gott bewahre unß doch davor! Aber der printz undt
die printzes haben mitt schlimmen bernheüttern zu thun, die zu
förchten sein. Aber ich bin heütte bey Chauseray
[3] geweßen, habe
mich gantz müde gangen. Ich werde morgen außschreiben, jetzt
aber nach bett gehen; den mein ey, in waßer gesch[l]agenes ey, ist
schon geschluckt. Gutte nacht, hertzallerliebe Louisse, biß morgen
zu gutter zeit!
Sontag, den 2 Juni, umb halb 7 morgendts.
Ich dachte gestern abendts, heütte früher auffzustehen, Eüch
einen gutten morgen zu geben, weillen ich 3 viertel auff 10 in
meinem bett gezehlt hatte; aber ich habe mich ein wenig verschlaffen,
wie Ihr woll secht. Es ist doch noch früh genung, umb Eüch einen
gutten morgen zu wünschen, liebe Louise! Ob mir die zeit zwar
sehr spät deücht zu sein, so schlafft doch noch alles hir im hauße,
waß weibsleütte sein. Ich komme aber jetzt auff Ewer liebes
schreiben, wo ich gestern abendts geblieben war, nehmblich ahn unßere
printzes von Wallis. Es ist gewiß, daß so sachen zwischen eltern
undt kindern recht attandriren undt die threnen in den augen
kommen machen; es ist mir auch widerfahren, alß ich es geleßen.
Bestandt hirin ist mehr zu wünschen, alß zu hoffen. Unter unß
gerett, es gefehlt mir nicht, daß der könig nach einen so
abscheülichen haß, wie der war, so er gegen seinen königlichen kindern
bezeüget, auff einmahl wieder mitt ihnen umbgangen, alß wen nichts
geweßen were. Unter unß gerett, daß kompt mir zu falsch vor,
undt wo falschheit steckt, da ist auff nichts zu bawen;
auffrichtigkeit allein kan einen gutten frieden stifften; daß ist meine
meinung. Durch die lange experientz, wen man so lang gelebt hatt,
alß ich, wirdt man mißtreüisch; den man lernt die welt kenen.
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Mylord Stair[s] hatt mir verzehlt, wie große freüde dieße
vereinigung in Londen gebracht hatt. Ich bin gewiß, daß die königin
in Preusen auch hertzlich froh wirdt sein. Printzes Anne ist, gott
lob, außer gefahr; ich förchte aber sehr, daß mitt dem neüen licht
unßer[e] liebe printzes von Wallis neüe sorgen undt inquietuden
überkommen wirdt; den es ist gar gemein, daß die kinderblattern
daß geblüdt folgen, also fürchte ich, daß die zwey kleine
princessinen dieße heßliche kranckheit auch bekommen werden. Gott
gebe, daß ich mich betrige! Waß printz Friderich ahnbelangt, so
ist mir bitter bang, daß auß seinen gichtern endtlich die rechte
schwer-noht werden wirdt, welches etwaß abscheüliches ist in meinen
sin; beklage die printzes, sein fraw mutter, woll von hertzen drüber.
Gott gebe, daß es waß anderst sein mag undt der artige printz,
von welchen ich viel guts sagen höre, vollig geneßen möge!
Madame la princesse ist gantz wider woll, kam vergangenen mitwog
au Palais-Royal zu mir. Daß kleine secretargen von Churpfaltz,
der Gröbenbruck, sagte gestern, der keyßer hette gar einen
scharpffen brieff ahn Churpfaltz geschrieben wegen der Reformirten, wie
man sie nicht plagen solte undt ihnen ihren cathegismuß wieder
trucken, allein allen die 80 frag
[4] außlaßen
[5]. Daß finde ich
raisonabel, sie war zu starck undt konte nichts friedtliches in den
Christenreligionen stiefften, worauff doch allezeit zu sehen ist Wen, wie
man sagt, nun mehr Juden, alß Christen, zu Manheim wohnen, kan
es leicht geschehen sein, daß der kirchenraht in ein Juden-hauß ist
logirt worden. Heydelberg solle salvirt sein undt die residentz
bleiben
[6], also wirdt der kirchenraht wieder nach Heydelberg
fahren
[7]. Die reiße ist kurtz, kan leichter geschehen, alß die vom
Missisipi widerkommen mögen. Mein gott, wie törich[t] seindt
doch die menschen in der welt, so wenig zeit drin zu leben haben
undt sich doch immer plagen wollen undt keine ruhe suchen
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wollen
[8]! Daß muß eine fürsehung gottes sein, damitt wir unß nicht
zu sehr ahn dieße welt attachiren mögen undt zu große mühe
haben, zu sterben. Hiemitt ist Ewer schreiben vollig beantwortet.
Erfahre ich dießen nachmittag waß neües, werde ich es noch hir
zusetzen; erfahre ich aber nichts, so müst Ihr Eüch, liebe Louisse,
nur contentiren, daß ich Eüch versichere, daß ich Eüch allezeit von
hertzen lieb behalte.