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Brief vom 13. Juni 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1130.


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St Clou, donnerstag, den 13 Juni 1720 (Nr. 100).
Hertzallerliebe Louise, waß man hir le diable au contretemps heist, der hatt woll sein spiel mitt Ewern lieben brieffen, oder, umb juster zu reden, mitt meinen andtwortten gehabt; den ich immer bin interompirt geworden, will doch jetzt auff daß frischte ahnfangen, so vom 28 May ist, no 43. Ich weiß nicht, wer monsieur Haldane ist, aber deß barons von Hagen[1], so ein von deß churprintzen von Saxsen hoffmeister war, deßen erinere ich mich gar woll; ich weiß aber nicht, ob es der ist, so zu Franckforth nun ist, oder sein bruder, so stallmeister war. Dießer jüngste gefiehl mir beßer, alß der elste; den er geht seinen gerahten weg forth, der elste aber hatt waß falsch undt pfäffisch ahn sich, ob er zwar nur catholisch undt kein pfaff, sondern geheüraht. Ich hieß sie meine landtsleütte, weillen der elste mir versichert, daß sie in der Pfaltz gebohren undt erzogen wehren. Der elste von dießen Hagen ist klein undt blundt, der zweytte viel großer undt schwartz; der elste tregt eine peruque, der zweytte aber seine eygene haar. Vor alle gutte wünsche, so Ihr mir, liebe Louisse, zu meinem geburdtstag thut, dancke ich Eüch von hertzen. Gesundtheit kan mir gar gewiß nicht mißfahlen, den nichts beßer in der weldt ist; den ohne gesundtheit kan man weder lust, noch freüde in dießer welt haben undt man wirdt sich selber undt andern verdrießlich. Ich habe nur [169] zu viel gelebt, habe offt gewünscht, in meinen kinderblattern gestorben zu sein; ich war schon gantz bereydt. Daß Ihr mir alles guttes, liebe Louise, auß hertzens-grundt wünscht, da zweyffle ich gar nicht ahn. Wir seindt einander zu nahe verwandt, umb nicht einander alles guts zu wünschen; also hoff ich, daß Ihr eben so persuadirt seydt, daß ich Eüch alleß guts wünsche, liebe Louise, alß ich von Ewerer freündtschafft persuadirt bin. Ich befinde mich, gott seye danck, nun wider gar woll, seyder ich ertberen undt kirschen eße undt köstliche metwürst, so mir monsieur Harling geschickt[2]; die haben mich gesterckt. Daß miltz aber thut mir noch wehe, indem es sich geblähet hatt in den engsten, so ich wegen meines sohns geweßen undt noch nicht gantz ruhig bin. Gott stehe unß ferner bey! Der herr cantzler undt seine fraw seindt vergangenen montag morgendts zu mir kommen. Es ist doch eine possirliche ceremonie mitt den cantzellerinen, sie haben nur morgendts den tabouret, nachmittag könen sie nicht sitzen. Ich bilde mir ein, Churpfaltz wirdt, weillen die cittadel nicht wider zu recht gebracht ist, ahm zollhauß bey dem Neckerthor bauen. Ihr werdet nun, liebe Louise, die copie entpfangen haben von der ordre, so Churpfaltz ahn die cammer zu Heydelberg geschickt vor Ewere bezahlung. Daß schwibbogen-hauß war nicht zu meiner zeit gebawet. Ihr raugräffliche kinder, wie auch Ewere fraw mutter logirte alle zu meiner zeit im holtzern schwedischen hauß bey dem ersten pavillon. Der könig s. konte nichts schlimmers andtwortten, alß: Je veray; ein absolutte non were beßer geweßen, den avec je veray hatt er sein leben nichts accordirt. Ich habe ihn offt davon reden hören, sagte: J’aurois bien affaire, s’il falloit que je recompence tout les malheur que la guerre a faitte[3]. Ich wüste nicht, daß Rockwodt zu Manheim gebawet hatte; daß ist auch nach meiner zeit geschehen. Freyllich habe ich mich allezeit vor Eüch interessirt, aber leyder nichts außrichten können. Nun kan ich weniger solicittirn, alß nie. Den soll man sagen, daß mein sohn meinethalben von seines pupillen hette geben, waß der könig s. nicht hette geben wollen? Ich finde, daß monsieur Haldan groß recht hatt, böß zu sein. Mein[4] weiß nicht mehr zu Heydelberg, waß [170] zu thun ist oder zu laßen. Wie heist der Stallmeister zu Heydelberg? Le diable au contretemps fengt sein spiel wider ahn; den da bin ich schon 2 mahl interompirt geworden, daß erste mahl durch einen munchen[5], so viel verstandt hatt; ist ein Grich undt heist Anselm Banduri, der grand duc hatt ihn erzogen, soll von guttem hauß sein, hatt 2 große bücher geschrieben, ist gar gelehrt in medaillen. Dießer hatt mir waß zu sagen gehabt, so geistlichkeit gar nicht ahngeht. Die zweytte interuption, so mir kommen, war monsieur de Foucault, so der chef von meinem raht ist, undt mein secret[a]ire des commandement, monsieur de Baudery[6], so auch intendant von meinem hauß, undt mein haußhoffmeister von Wendt; habe decidiren müßen wegen bezahlungen, so daß hauß undt die küche ahngehen. Daß hatt mich eine glockenstundt auffgehalten. Nun muß ich mich ahnziehen. Gott stehe unß dießen nachmittag gegen dem teüffel au contretemps bey! Wen es mir möglich sein wirdt, werde ich dießes hunderte brieffgen gantz außschreiben. Da bleiben mir wenig blätter von den ahngefangen brieff zu andtworten, aber ich habe noch 2 andere, die werde ich so weit führn, alß mir möglich sein wirdt.
Donnerstag, den 13 Juni, umb 3/4 auff 4 nachmittags.
Gleich nach dem eßen hab ich mich hieher gesetzt in meinung, wider zu schreiben können, allein ich habe mich nicht so baldt daher gesetz[t], so seindt mir brieff kommen, einen gar langen von meiner dochter; den habe ich leßen wollen, bin aber drüber entschlaffen, werden[7] in dießem augenblick erst wider wacker undt sehe da mein calesch kommen, will ein tour im gartten thun, der printzes de Lambesck[8] die cascaden zu weißen, so seyder zwey jahren nicht hatt gehen können undt seyder vergangen sontag wider gehet.
Da komme ich wider auß den gartten; der regen hatt unß wider nach hauß gejagt. Da entpfange ich Ewer liebes schreiben vom 1 dießes monts, no 44; daß werde ich erst, wo mir gott leben undt gesundtheit verleyet, biß sontag beantwordten. Nun aber komme ich wider auff Ewer liebes schreiben, wo ich heütte morgen geblieben war. Ich war, deücht mir, ahn den stallmeister von [171] churpfaltzischen hoff geblieben; weiß nicht, wer er ist. Waß den elsten Hagen ahnbelangt, so ist es[9] nicht noble schlau, sondern, wie die pfaffen es sein, mitt falschheit. Alß zum exempel er wuste woll, daß sein herr schon vor 2 jahren catholisch worden war, da kompt er daher undt bitt, ich solle doch mein bestes thun, den churprintzen zu bekehren. Ich fing ahn, zu lachen undt sachte[10]: Monsieur Hagen, ich bin kein apostel noch prediger, solche sachen kommen weibern nicht zu; wen der printz keine andere bekehrerin hatt, alß mich, wirdt er lang lutterisch bleiben[11]. Aber da segt Ihr doch die falschheit; daß hatt mir mißfallen. Umb Eüch die gründtliche warheit zu sagen, hir hatt monsieur Hagen nie gespilt. Ein verlust von 5 thaller ist leicht zu ertragen undt nichts vor einen solchen man, wie monsieur Hagen ist. Ich bin gewiß, daß er reicher ist, alß Ihr seydt, liebe Louise, habt Eüch also gar nicht zu schammen, ihm die 5 thaller abgewohnen zu haben. Im spillen ist nicht nöhtig, generositet zu haben; da ist ein jedes vor sich undt daß glück vor jedes, wie es kommen kan. Es seindt etlichmahl leütte, die sonst gar nicht karg sein undt doch ungedultig werden, wen sie verspillen. 4 tisch mitt spiellen ist doch, waß man hir ein recht apartement halten heist. Ihr sagt mir nichts in daß letzte liebe schreiben, so ich heütte von Eüch entpfangen von 1 dießs monts, von dem haubtman Cron[12], so monsieur von Diessenhaussen[13] zu Eüch hatt führen sollen, so die geister sicht undt prophezeyen kan. Ich hatte gehofft, daß Ihr auffs wenigst ein par geyster würdet entretenirt haben; solche histörger höre ich so hertzlich gern. So seindt die historien gutt, wen man sie nicht glaubt; den wen man sie glaubt, so machen sie bang; wen man sie aber nicht glaubt, divertirt es recht. Hiemitt ist Ewer ohn eins letztes schreiben vollig beantwordet. Ich komme jetzt auff daß vom 25 May, no 42, daß hoffe ich noch zu beantwordten. Seydt in keinen sor[g]en mehr wegen meiner gesundtheit! Ich bin nun, gott seye danck, wider gantz woll undt werde es auch woll bleiben. Wen mich nur unßer herrgott keine böße bottschafft bewahrt, so wirdt es nun woll mitt meiner gesundtheit gehen. Ach, liebe Louise, so lang ich sehen werde, daß man so gegen meinen armen sohn ist, [172] ihn hast undt nach dem leben trachten wirdt, kan ich weder lustig, noch gantz ruhig sein. So zu leben mitt lautter angst undt sorgen, verlaydt einem daß leben erschrecklich. Aber ich bin Eüch doch sehr verobligirt, liebe Louise, mir so viel guttes zu meinem geweßen geburdtstag zu wünschen. Weillen ich bey 10 gantzer jahre alter bin, alß Ihr, liebe Louise, so muß ich woll vor Eüch weg, liebe Louise, undt wie unßere liebe churfürstin alß pflegt, zu sagen, unßer herrgott wirdt nichts neües vor unß machen. Vor die zwey schönne medaille dancke ich nochmahl gar sehr, werde sie übermorgen placiren, da ich nach Paris werde, undt wo mir gott daß leben biß auff sontag verleyet, werde ich Eüch von unßerem reißgen rechenschafft geben. Der könig in Schweden in den medaillen gleicht viel ahn meinem chevallier d’honneur, dem marquis de Simiane. Printz Wilhelm, deß königs bruder undt mein neveu, ist durch Englandt nach Schweden gereist. Unßere printzes von Wallis hatt mitt I. L. gesprochen, wie sie mir schreibt. Baron Degenfelt wirdt seinen bruder auch in Englandt gesehen [haben]; oder ist dießer herr von Degenfelt vielleicht ein[e]r von der[14] obersten Degenfelt söhnen? Ah, ich bin nicht [klug], da sagt Ihr mir, daß es deß graff Degenfelt bruder ist. Ich fürchte, daß die Schweden printz Wilhelm zu lebhafft finden werden undt ihn mehr deßwegen schewen, alß lieben werden. Der oberste Degenfelt ist lang in Schweden geweßen, hatt ihm nicht übel dort gefallen. Es ist gantz naturlich, daß printz Wilhelm zu seinen lieben herrn bruder reist, da er könig geworden. Der[15] brieff vor die graffin von Zoettern habe ich woll bestelt. Sie kamen vergangen montag her, mir davor zu dancken; ich behilte sie beym eßen, aber abendts stieß der elsten ein starck fieber ahn mitt frost. Daß kleine pfaltzische secretärgen von Graffenbrock bleibt fest drauff, daß die sach von monsieur Haldang ein mißverstandt seye. Der fürstin von Ussingen brieff habe ich ahn ihrer schwester geschickt. Daß geht sans dire, daß, wen ich einmahl gutt findt, daß man brieff in mein paquet thut, daß es vor allezeit ist. Ich bitte, macht doch dießer fürstin wider mein compliment! Es freüdt mich alß, wen ich in Ewern lieben brieffen sehe, daß Ihr ein wenig waß vergnügtes gehabt habt. Ey, liebe Louise, warumb, warumb wolt Ihr mir ein frantzösch [173] compliment machen? Ihr wist ja woll, daß gesundtheit-drincken bey unß Teütschen eine ehre undt keine freyheit ist; dancke also sehr, daß Ihr meine gesundtheit getruncken, aber nicht vor daß frantzößche compliment. Daß ist doch eine heßliche ceremonien, einen galgen zu recht zu machen sehen. Haben die galgen ihre weydtsprüch den, wie die jagten undt jäger? gibt man auch daß waydtmeßer, wen man sich verreht[16]? Es muß doch possirlich zu sehen sein, aber den lustigen gefangen[en], so so vexiren kan, solte man daß leben schencken. Hiemitt seindt Ewere zwey liebe schreiben, no 42 undt 43, vollig beantwortet undt in dem augenblick schlegt es 10, muß schließen, den monsieur Teray kompt herein; er muß mir doch noch erlauben, zu sagen, daß ich Eüch, liebe Louise, von hertzen lieb habe.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 13. Juni 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 168–173
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1130.html
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Tintenfass