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Brief vom 14. Juli 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1138.


[196]
St Clou den 14 Julli 1720 (N. 9).
Hertzallerliebe Louise, ich hatte heütte willens, auff Ewer liebes schreiben vom 29 Juni, no 50, zu antworten, allein ich habe dießen nachmittag Ewer liebes schreiben vom 2 Julli, no 51, entpfangen; weillen es aber schon spät ist, werde ich dieß letzte beantwordten, weillen es klein[e]r ist, alß daß ander, undt hoffe, es also noch dießen abendt zu beantwortten können. Mich deücht, unßer commerse geht nun zimblich woll, liebe Louise! Gott gebe, daß es dawe[r]n mag! Ach, liebe Louise, unruhig zu leben, daß [197] habe ich seyder 49 jahren, daß ich in dießem landt bin, braff gelernt, ja schir gewohnt; es wirdt mir auch woll biß ahn mein endt so gehen, da rechene ich auff, bin fest drauff gefast undt ergebe mich in den willen gottes, er gebe mir nur, waß mir nutz undt seelig mag [sein]! Nur eine gnade bitte ich von gott, dem allmachtigen, nehmblich mir meines sohns todt nicht zu erleben laßen. Alle tag muß ich waß verdrießliches hören; einen tag kompt man sagen, ich würde nichts mehr zu eßen haben, den meine officir undt prevoyeur kontens nicht mehr außstehen, nur zettel undt kein gelt zu haben; baldt sagt man, ich könne weder kleyder, noch strümpff haben, den die kauffleütte wolten keine billiet de banque mehr nehmen; einen andern tag sagt man, Paris wirdt sich entpören; suma, es geht kein tag, daß man nichts verdrießliches hört oder sicht; dabey kan man ja nicht lustig werden. Aber last es[1] von waß anderst reden, liebe Louisse! Ich sehe woll, daß Ihr unßere printzes von Modene nicht kendt. Sie fregt nach niemandts in der welt nichts; bin gewiß, daß sie hertzlich froh geweßen, alle die damens loß zu werden, so mitt ihr gangen wahren[2]. Die duchesse de Villar[s] undt sie haben sich täglich gekipelt undt gezangt. Sie hatt sich gleich ahn ihre geschweyen gewohnt; daß wirdt übel ablauffen, sie wirdt ihren geschweihen freßen undt sauffen lehrnen, daß wirdt in Ittallien nicht ahngehen, wie hir, daß wirdt auff ein lamie außgehen. Der printz von Wallis hatt die regierung nicht ahnnehmen wollen. Ich finde, daß I. L. gar woll gethan haben. Ich habe heütte ahn Churtrier geschrieben. Ich schicke Eüch, liebe Louise, hirbey, waß ich I. L. auff daß arme Heydelberg geschrieben habe[3]. Gott wolle den armen Heydelbergeren beystehen! Sie jammern mich von grundt meiner seellen. Daß man Manheim undt [198] Friderichesburg wider bawet, [höre ich gern]. Aber ich wolte, daß es geschehe, ohne Heydelberg zu schaden wie vor dießem[4]. Es geht in der gantzen welt jezundt gar doll. Es geht Churpfaltz, wie daß teütsche sprichwordt sagt: Wens der geiß zu woll ist, geht sie auff eyß undt bricht ein bein. Aber da schlegt es 11. Ich muß noch ahn mein dochter schreiben, kan also vor dießmahl ohnmöglich mehr sagen, alß wie daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
Elisabeth Charlotte.
P.S.[5]
Ich muß Ewer L. doch klagen, was vor ein wunderlich geschrey hier von Churpfaltz, dero herrn bruder, hier gehet, worüber sich jedermann verwundert. Man sagt, daß Ihre L. unser altes stammhauß, das arme heydelbergische schloß, gantz wollen rassiren laßen. Weilen ich dort gebohren und erzogen bin, kan ich solches nicht ohne schmertzen hören. Es hat mir schon so viel thränen gekost und würde mir aufs neue kosten, wo solches geschehen solte. Ich habe es aber mühe zu glauben, daß Ihre L. der churfürst zu Pfaltz, der ein gnädiger und gütiger herr ist und ein vater seiner unterthanen seyn solle, so gar grausam in dem armen Heydelberg haußen solten. Ich bitte, Ewer L. nehmen doch diß arme schloß, welches ja eine so gesunde wohnung ist, in Dero protection und verhindern das ubel, im fall etliche böse intentionirte vor das arme Heydelberg Ihro L. dem churfürsten diesen bösen rath, so nie zu Ihrer L. gloire gereichen kan, würden geben sollen[6].
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. Juli 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 196–198
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1138.html
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