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Brief vom 21. Juli 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1141.


[208]
St Clou den 21 Julli 1720 (N. 11).
Hertzallerliebe Louise, heütte hoffe ich auff alle Ewere überbliebene schreiben exact zu andtwortten, fange bey dem vom 6 dießes monts ahn, no 52, so ich, wie ich Eüch bericht, vergangenen donnerstag entpfangen. Weillen ich aber nicht zweyffle, daß, waß ich Eüch letztmahl geschrieben, Eüch, liebe Louise, wirdt in sorgen gesetzt haben, so will ich Eüch geschwindt sagen, daß alles nun, so lang es wehren mag, gar still undt ruhig zu Paris ist. Gott gebe, daß ich biß mitwog keinen neüen allarm dort haben mag! Biß donnerstag, wo mir gott leben undt gesundtheit verleyet, [werde ich Euch] berichten, wie meine reiße wirdt abgeloffen sein. Ich werde auch die großhertzogin besuchen, so wider von dem baadt kommen von Bourbon; sie ist dort todt-kranck geweßen. Ich fürcht, ich fürcht, es wirdt baldt mitt ihr zum endt gehen, welches mir hertzlich leydt sein wirdt; den ich habe die großhertzogin lieb. Aber so gehts in dießer welt, wo man wenig guts undt viel traweriges [209] findt. Aber ehe ich wider auff Ewer liebes schreiben komme, muß ich Eüch doch waß sagen, weillen ich michs erinere, nehmblich nembt ein wenig dicker papir, umb Ewere couperten[1] zu machen! Den Ewer papir ist zu fein[13], es verschliest gantz undt Ewer paquetten zureißen; diß letzte war gantz verderbt, rings rumb verschließen. Ich segt[2] durch waß ich Eüch vergangen donnerstag geschrieben, daß ich groß ursach gehabt habe, wegen monsieur Laws seinen gelt-affairen in sorgen zu sein. Gelt ist rarer, alß nie; waß aber nicht rar hir ist, daß ist falschheit, boßheit, verrahterey undt geitz; daß findt man die hülle undt die fülle hir, ist aber nichts ahngenehmes noch lustiges, es macht einen daß leben satt undt müde. Ich weiß nicht, waß man von mäner-gemühter viel helt, wen sie ursach haben, bang zu sein; Law war vergangen mitwog wie der todt so bleich, also gar bang. Die seinigen zu lieben undt in sorgen vor ihnen zu sein, kompt mänern so woll, alß weibern zu. Es seindt mehr, alß einerley, jalousie; hir im landt findt man mehr leütte jalous von ihren mänern auß ambition, alß auß liebe; den sie wollen allezeit alles regiren undt es ist kein küchenmagt, so nicht meint, daß sie verstandt genung hatt, daß gantze königreich zu regieren; wollen auch auff alle staadtssachen allezeit raisoniren, machen mich so ungethultig offt, daß ich trappeln undt stampffen mögte[3]. Es ist ein ihrtum, zu glauben, daß man einen man wehren kan, maistressen oder puben zu lieben; es muß eins oder daß ander hir sein. Daß beste ist, den man auß schuldigkeit, aber nicht mitt passion zu lieben, woll undt friedtsam mitt ihm zu leben, aber sich in nichts bekümern, wo er seine wüsterey hintregt. Auff dieße weiße bleibt man imm[e]r gutte freündt undt behalt friede undt ruhe im hauß. Ihr könt der jalousen graffin sagen, sie solle ihre rivallen[4] vor ein alt scheißhauß, met verlöff, met verlöff, halten; so wirdt ihr die jalousie gantz vergehen; den es ist ja nicht billig, sich zu queelen[5] über waß man erstlich nicht endern [kann], undt zum andern so eine große qual vor die außzustehen, so gar nichts nach unß fragen. Von einem man solle eine fraw allezeit zu[frieden sein], wen er ruhig mitt ihr lebt undt ihr nichts zu leydt [210] thut. Es seindt keine ewige lieben; lieben, ich verstehe verliebt sein, muß mitt der zeit ein endt nehmen, also muß man nur gedult haben, wie Ihr der gräffin gar woll gerahten habt. Daß der graff von Erpbach seine schönne gemahlin nicht so lieb hatt, alß die erste metres, ob die gemahlin zwar schön ist, daß gemandt mich ahn die vers, so Thessée in Oedippe[6] sagt zu Oedippe selber:
Si vous aves aimé, vous aves seu cognoistre,
Que l’amour de son choix veust estre le seul maistre,
Que s’il ne choisit pas tousjour le plus parfait,
Il attache du moins les coeurs aux choix qu’il fait,
Et entre cent beautéz digne de nostre hommage
Celle qu’il nous choisit, plait tousjour davantage[7].
So ist es auch mitt dem graffen von Erpbach gangen. Aber da schlegt die uhr, ich muß mich ahnziehen gehen undt nun meine ordinarie pausse machen.
Umb halb 4 nachmittags, sontag.
Seyder ich auffgehört, zu schreiben, habe ich zeytung von meinen sohn bekommen, so mich sehr surprenirt undt mißfahlen haben. Den daß ihm daß parlement so wiederstanden, daß er obligirt geworden, daß parlement nach Pontoise zu releguiren, daß seindt lautter betrübte sachen, so viel troublen nach sich ziehen können, so mich in großen ängsten setzen[8]. Gott wolle unß gnädig [211] beystehen! Ich bin so troublirt, daß ich nicht weiß, waß ich sage oder [212] thue; will von waß anderst reden. Ich habe dießen nachmittag, ehe ich in kirch gangen, Ewer liebes schreiben vom 9ten, no 53, zu recht entpfangen, werde es heütte ohnmöglich beantwortten können, wie Ihr leicht gedencken kont, liebe Louise! Der kopff ist mir auch so dum, daß ich ein wenig frische lufft nehmen will, umb mich zu ermuntern. Nach meiner spatzierfahrt werde ich Eüch ferner entreteniren, wo mirs möglich ist; den ich bin in einen betrübten undt ängstlichen standt. Da komme ich eben von der spatzierfahrt undt es schlegt 7 uhr. Mein enckel, der duc de Chartre[s], ist eben ahnkomen, wie ich weg fahren wollen; er sagt, es were, gott lob, alles still. Gott gebe, daß es so dawern mag! Aber ich habe mühe, mich von mein[e]r angst zu erhollen. Nun komme ich wieder auff Ewer liebes schreiben, wo ich nach der kirch undt vor der spatzirfahrt geblieben war. Nein, daß ist gar zu trawerig; ich will mir den kopff dießen abendt nicht mitt allen[14] dießen trawerigen undt ängstlichen sachen nicht füllen, sonsten würde ich kein aug zuthun können. Aber da kommen die 2 printzen von Saxsen. Ich habe heütte so viel verhindernüße gehabt eben wie in der commedie des fâcheux[9]; aber nun sie wider weg sein, will ich Eüch weitter entreteniren, liebe Louise! 2 weiber kan der graff von Erpbach nicht behalten, aber woll eine fraw undt eine metres; daß ist jetzt überall nur ga[r] zu bräuchlich. Wen der buckelichte abbé [213] golt machen könte undt Eüch, liebe Louisse, ein wenig poudre de projection mittheyllen, kontet Ihr Eüch sein[e]r wusten figur woll getrösten. Die ducs hir seindt wunderliche heylligen, alle unleydtliche leütte, so einen alle gedult verliehren machen; will nicht von ihnen reden. Man sicht jetzt sachen, so man sein leben vorher nicht gesehen hatte. Hir hette niemandt den Juden außgelacht, so 100/m fl. ahngebotten, hettens hübsch genohmen. Nichts ist gemein[e]r hir, alß dergleichen chachereyen[10] mitt Juden undt Christen. Ich will nichts von der post sagen auß forcht, sie zu beschr[e]yen; allein sie geht gar richtig nun. Es ist nun ein samfftes, schönnes wetter, habe 2 stundt in der calesch in den gartten spatzirt. Einen ges[ch]ickten man, so ich kene undt monsieur de Haye heist, den habe ich in den gartten ahngetroffen; hatt mir etwaß gar curieusses gewießen, nehmbli[c]h 30 damen vom dambrett, womitt Charle-quint t[r]ictrac oder damen gespilt[11]. Auff jeder dame, so rodt undt weiß von leichtem holtz sein, ist ein contrefait erhoben wie in golt-geschmeltz mitt lebhaften farben, Charle-quint selber, viel andere leütte, so zu selben zeit gelebt, Soliman, der turquische keyßer, ein churfürst von Saxsen, ein hertzog von Bayren undt gar viel damen zu seiner zeit in ihrer damahligen tracht; es ist recht schön, Albert Durer solle es gemacht haben. Es wirdt über taußendt pistollen estimirt, es [ist] auch etwaß gar curieusses. De Haye sticht gar woll in kupffer, will alles in kupffer stechen laßen undt die historien dabey schreiben; daß wirdt etwaß artiges werden. Mich deücht, daß, ob es zwar dießen sommer bey weittem nicht so heiß ist, alß vergangen jahr, so gibt es doch gar viel wetter diß jahr. Es regnet nicht gar viel hir; der staub ist abscheülich. Mich deücht, die gräffliche leütte reißen viel mehr, alß andere leütte; apropire es sehr; könte ich es thun, thäte ich es auch. Alle coquete weiber, wen sie nicht affectirt, sein sie ahngenehmer, alß … den sie seindt daß lustige plauttern gewohnt. In die frantzösche catholische kirchen singt man nie keine geistliche lieder in frantzösch. Wen man singt, ist es allezeit in Latein; bin also sehr verwundert, daß ein abbe welche auff frantzösch gemacht; es war den nur, in seiner cammer zu singen. Die fürstin von Siegen fangt nun ahn, in einem alter zu kommen, wo die buß beßer zu paß kompt, alß die [214] coquetterie; den wen man die amants in dem alter nicht quittirt, quittiere[n] sie einem. Ich muß noch ahn mein dochter schreiben, kan ohnmöglich heütte nach meiner intention auff Ewer zweyttes, ich will sagen erstes schreiben heint[12] zu antworten. Gott weiß, wen ichs werde thun können; werde thun, waß ich kan, undt Eüch versichern, daß ich Eüch, in welchen standt ich auch sein mag, von hertz[en] lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. Juli 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 208–214
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1141.html
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