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Brief vom 10. August 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1147.


[233]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckforth.

St Clou den 10 August 1720 (N. 17).
Hertzallerliebe Louise, ich schreibe Eüch heütte; den morgen [234] werde ich es ohnmöglich thun können, weillen ich nach Paris werde undt noch vorher ahn meine dochter schreiben muß. Ich bin in rechten sorgen ihrendtwegen; den sie hatt ein groß geschwer unter dem rechten arm. Gott gebe, daß es woll ablauffen mag! Aber ich habe so ein abscheüllig exempel hir ahn der königin hirin erlebt, daß mir jetzt recht bang wirdt, wen jemandts, vor wem ich mich interessire, ein geschwer unter den armen hatt. Ich will aber auff Ewer liebes schreiben vom 27 Julli, no 58, andtwortten, so ich vergangen donnerstag entpfangen hatte. Ich hatte gehofft, zu erfahren, daß mein brieff von 7 Julli, no 7, doch endtlich ahnkommen; kan nicht begreiffen, wie der brieff hatt verlohren gehen können. Mich deücht, vorm jahr hatt man mir au[c]h einen verlohren; es wahr aber die ursach, daß Ihr, liebe Louisse, damahlen in Schlangenbaadt wahret. Von meinem gehabten schrecken will ich nichts mehr sagen; es graust mir zu sehr noch, dran zu gedencken. Schweygen kan ich woll, man sichts mir aber woll in dem gesicht ahn, wen mir etwaß fehlt, wen ich erschrocken oder gritlich bin. Daß weinen habe ich gantz abgeweint[1], kan weder weinen, noch recht von hertzen mehr lachen. Alles ist, gott lob, zimblich still. Gott gebe, daß es so bleiben mag! Aber die warheit zu gestehen, so traw ich dießem[2] stille kein haar; den ich bin nicht von den leütten, die sich selbsten flattiren können. Schweygen undt leyden lernt man meisterlich in dießem landt, meritire also nicht, drüber gelobt zu werden. Es ist mir leydt, da ich Eüch keine freüde machen kan, daß ich Eüch threuen kosten muß, liebe Louisse!
Gestern konte ich ohnmöglich dießen brieff außschreiben; den der herr Penterritter[3] undt englischer ambassadeur[4] kamen her mitt monsieur Schaub, blieben biß nahe bey neun uhr undt nach 9 treibt mich monsieur Teray, auffzuhören undt nach bett zu gehen. Nun muß ich mich erschrecklich eyllen; den ich habe mich ein wenig verschlaffen, bin erst umb 6 wacker worden undt habe mein morgendtsgebett verricht; nun ist es eben 7 uhr, den ich höre es schlagen. Es heist, wie die Rotzenheüssern alß singt: Tumelt[5] dich, mein Frentzel! Von den hießigen lamantationen will ich [235] nichts mehr sagen, daß ist zu betrübt. Es ist war, liebe Louise, es ist wahr, daß ich bey den peuple zimblich beliebt bin, weiß aber nicht, warumb, thue ihnen weder guts noch böß. Aber auff peuplelieb ist nicht zu bauen, daß ist eine gar zu unbestandige sache. Ich muß gestehen, daß mir monsieur Laws sisteme nie gefahlen undt ich allezeit gewünscht, daß mein sohn es nicht folgen [möchte]; habe nie nichts drinen begreiffen können. Daß man daß golt abgeschafft, hatt mich choquirt undt ist mir betrigerisch vorkommen, wen ich die warheit sagen solle. Aber, wie schon gesagt, ich verstehe es nicht, muß also davon schweygen undt die davon reden laßen, so es verstehen. Bin woll Ewerer meinung, daß alles von hoherer zulaßung kompt, müßen also gedult haben undt den allmachtigen nur bitten, unß beyzustehen; wir habens hir hoch von nöhten. Unßer herrgott hatt nicht gewolt, daß unßer linie in der Pfaltz regieren solte, weillen er von[6] 8 erwachsene herrn, so mein groß fraw mutter, die königin in Böhmen, gehabt, alle ohne erben gestorben, ja mein bruder selbst keine kinder bekommen. Reflectionen machen trawerig. So lang die welt stehen wirdt, werden sünden sein, wie man klar in der heyligen schrifft sicht. Daß Manheim oder Friderichsburg gebauet wirdt, ist mir lieb; aber ich wolte doch, daß Heyelberg nicht verlaßen würde. Die steine von dem dicken thurn konnen woll dinen; aber die cantzelley ahn dem burckweg war nicht viel besunders, bin doch nie drinen geweßen. Man thut woll, den kleinen printzen zu Heydelberg zu erziehen; den da ist die lufft exellent undt daß waßer auch. Es ist die mode nun, daß sich die mütter nicht umb die kinder bekümern; doch hatt die printzes von Sultzbach eine gutte entschuldigung, hatt sich nur schon zu offt blessirt, kan sich nur nicht[7] zu woll schonnen. Den weg von Schwetzingen nach Manheim wolte ich noch woll finden; man threhet auff die lincke, hatt lengst der bach undt fahrt zu der Ludwigssee hin, von dar zwischen dem waltgen undt brück von Neckerraw[8] hin undt kompt in der Manheimer ebene zwischen dem Heydelberger thor undt dem Rhein[9]. Etlichmahl fuhren wir auch bey Eichelsheim vorbey, umb durch daß Rheinthor in Friderichsburg zu komen. Der kleine printz hatt vielleicht die rilkitz, daß [236] er so schwach auff den beinen ist. Würde die alte madame Clinignet noch zu Manheim sein, würde ihm baldt geholffen werden; aber nun wirdt er lang mitt zu thun haben. Ich kan nicht glauben, daß unßere pr[incesse] von Modene ihr leben wirdt glücklich werden können; sie hatt gar zu einen wunderlichen hirnkasten; vatter undt mutter haben sie verdorben undt gantz verzogen; man hatt ihr nie zugesprochen, wie man thun solte[10]. Da schlegt es 8, es ist zeit, daß ich ahn mein dochter schreibe undt vor dießmahl nichts mehr sage, alß daß ich Eüch, liebe Louisse, in welchem standt ich auch sein mag, von hertzen lieb behalte, so lang ich leben werde.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. August 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 233–236
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1147.html
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